Neues aus der bayerischen COVID-19-Forschung

Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler tauschte sich im PCR-Analyse-Labor des Virologischen Instituts des Uni-Klinikums Erlagen mit der Studentin Tamara Hastreiter aus, die die Virologie in der Coronapandemie unterstützt.
Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler tauschte sich im PCR-Analyse-Labor des Virologischen Instituts des Uni-Klinikums Erlagen mit der Studentin Tamara Hastreiter aus, die die Virologie in der Coronapandemie unterstützt. (Foto: Michael Rabenstein/Uni-Klinikum Erlangen)

Wissenschaftsminister Bernd Sibler sprach mit Erlanger Expertinnen und Experten

 „Forschung ist ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Corona-Pandemie, denn neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen neue Möglichkeiten, den Menschen zu helfen und der Pandemie zu begegnen. Unsere Hochschulmedizin ist mit ihren innovativen Forschungsprojekten und neuen präventiven und therapeutischen Ansätzen Rückgrat und Speerspitze gegen das Virus. Sie liefert lebensrettende Erkenntnisse. Das hat sich heute in Erlangen erneut in beeindruckender Weise gezeigt“, betonte der Bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler bei seinem Besuch.

An die sich freiwillig engagierenden Studentinnen und Studenten am Uni-Klinikum Erlangen gerichtet, betonte er: „Ihr Engagement ist in dieser sehr angespannten Lage eine große Unterstützung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums und ein wertvoller Beitrag zur Bewältigung der Pandemie. Ihnen und der gesamten Belegschaft meinen herzlichen Dank für Ihre so wertvolle Arbeit!“

Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts des Uni-Klinikums Erlangen, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) und Inhaber des Lehrstuhls für Klinische und Molekulare Virologie an der FAU, blickte in seinem Vortrag bereits in die Zukunft: „Wir nehmen derzeit an, dass der Schutz vor einer Coronainfektion und -übertragung bei der neuen Virusvariante Omikron nach einer Impfung deutlich schlechter ist als bei Delta. Dies stellt aber den Schutz der Impfung vor schweren COVID-19-Verläufen nicht infrage“, erklärte der Virologe.

In seinem Bericht aus dem bayerischen Corona-Vakzin-Konsortium (CoVaKo) gab er Zwischenergebnisse aus einer bayernweiten Studie zu Durchbruchsinfektionen bekannt: Im gesamten Freistaat verglich das Forschungsteam bei über 300 geimpften und ungeimpften Studienteilnehmenden den Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion. Bei denjenigen mit einer Durchbruchsinfektion – die sich also trotz Impfung infiziert hatten – waren die Antikörperspiegel gegen das Spike-Protein des Coronavirus sehr viel höher als bei ungeimpften SARS-Cov-2-Infizierten.

Selbst vier Wochen nach der Infektion hatten die Antikörper bei den Ungeimpften noch eine niedrigere Bindungsstärke als die Antikörper bei den Geimpften zu Beginn der Erkrankung. Obwohl die Virusbeladung in beiden Gruppen ähnlich hoch war, entwickelten Ungeimpfte häufiger Fieber, Abgeschlagenheit, Übelkeit und Riechstörungen, während Geimpfte öfter Schnupfen als Symptom angaben. „Es ist eindeutig besser, die Infektion geimpft durchzumachen, als sich der Infektion ungeschützt auszusetzen“, resümierte Studienleiter Prof. Überla. „Spannend ist auch, wie sich die Immunantworten zwischen Geimpften und Ungeimpften während der Infektion unterscheiden.“

Nebenwirkungen nach der COVID-19-Impfung

Dr. Susann Hueber vom Allgemeinmedizinischen Institut des Uni-Klinikums Erlangen berichtete über unerwünschte Impfnebenwirkungen, die in der CoVaKo-Studie erfasst werden. Dr. Hueber und ihr Team vergleichen im CoVaKo-Projekt die Nebenwirkungen von verschiedenen Impfungen miteinander – etwa die nach einer COVID-19-Impfung oder nach Impfungen gegen Influenza, FSME, Pneumokokken und andere Erkrankungen.

Einen Fokus legte die Forschungsgruppe zunächst auf Kreuzimpfungen mit zwei unterschiedlichen Impfstoffen. „Da die STIKO im Frühjahr 2021 für alle Personen, die eine Erstimpfung mit AstraZeneca erhalten hatten, die Auffrischung mit einem mRNA-Vakzin empfahl, war es für uns ein wichtiges Zwischenziel, die Häufigkeit von Impfreaktionen bei diesem neuen Impfschema zu analysieren“, erklärte Susann Hueber.

Dazu wurden zwei Gruppen miteinander vergleichen: die mit einem homologen Impfschema (Erst- und Zweitimpfung mit AstraZeneca/AstraZeneca bzw. mRNA/mRNA) und die mit einem heterologen Impfschema (Erstimpfung mit AstraZeneca und Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff). Bis zur Zwischenauswertung hatten über 9.000 Teilnehmende Fragen zu ihren Impfreaktionen beantwortet.

Zwei Wochen nach ihrer Zweitimpfung meldeten mehr Personen mit dem Schema „AstraZeneca/mRNA“ mindestens eine Impfreaktion. Dazu zählten vor allem Fieber, Abgeschlagenheit und Schmerzen an der Einstichstelle. Frauen und jüngere Menschen berichteten öfter von Impfreaktionen.

„Es scheint also so zu sein, dass die Impfung nach dem heterologen Schema zu mehr bzw. mehr leichten Impfreaktionen führt. Im Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich aber auch, dass das heterologe Impfschema nicht mehr Auswirkungen auf Gesundheitsprobleme hat, die innerhalb von einigen Wochen nach der Impfung zu Arztbesuchen führen. Die Anzahl dieser Arztbesuche war in beiden Gruppen ähnlich hoch“, sagte Dr. Hueber.

Long COVID effektiv therapieren

PD Dr. Dr. Bettina Hohberger von der Augenklinik des Uni-Klinikums Erlangen und vom Lehrstuhl für Augenheilkunde der FAU, stellte die Ergebnisse der bisher vier erfolgreichen Heilversuche gegen Long COVID mit dem Medikament BC 007 dar. Sie informierte außerdem über den Stand der geplanten klinischen Phase-2a-Studie „reCOVer“, die 2022 starten soll und die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,2 Millionen Euro gefördert wird. Zudem berichtete Dr. Hohberger über den neuen Long-COVID-Versorgungsansatz „disCOVer“.

Sie erklärte: „Aus unseren Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten in den vergangenen Monaten haben wir einen diagnostischen Ablauf für Long COVID abgeleitet, den wir nun in Erlangen etablieren möchten. Hierfür wollen wir fünf andere Kliniken und zwei Rehabilitationszentren in Bayern miteinbeziehen. Unser disCOVer-Konzept geht von drei Long-COVID-Subgruppen aus, denen wir jeweils nach gezielter Diagnostik die entsprechende Therapie zukommen lassen möchten“, sagte Dr. Hohberger. „Wir hoffen hierbei auf die Unterstützung der bayerischen Regierung, mit der wir, beginnend in Bayern, schließlich für ganz Deutschland ein Versorgungskonzept für Patientinnen und Patienten mit Long COVID aufbauen können – der Bedarf hierfür ist riesig.“

Booster-Mundspray gegen COVID-19

Abschließend stellte Prof. Überla Ergebnisse aus dem bayerischen FOR-COVID-Programm und eine geplante Folgestudie zum Transmissionsschutz durch Sprühimmunisierung – eine Art „Booster-Mundspray“ – vor. Hintergrund zu seinen Überlegungen: Impfungen haben einen doppelten Nutzen. Sie schützen die geimpfte Person vor einer schweren Erkrankung; andererseits können Impfungen aber auch eine Infektion verhindern und so die Virusübertragung in der Bevölkerung reduzieren.

„Für diesen Effekt ist es wichtig, das Virus möglichst an der Eintrittsstelle in den Körper abzufangen. Dazu bedarf es beim Coronavirus einer Immunantwort direkt in der Schleimhaut der Atemwege“, erklärte Prof. Überla. „Wir konnten nun zeigen, dass dieser Schutz in der Schleimhaut der Atemwege am besten durch eine Kombination von Impfungen zu erreichen ist. Der mRNA-Impfstoff wird zunächst in den Muskel injiziert, der zweite – ein viraler Vektorimpfstoff – wird dann später direkt auf die Schleimhaut gegeben. Diesen Ansatz wollen wir nun möglichst rasch in einer ersten klinischen Studie überprüfen.“

„Von der Wissenschaft erwarten Menschen gerade in Zeiten der Unsicherheit Antworten. An einer Volluniversität wie der FAU mit einem starken Universitätsklinikum können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu einer Vielzahl von Aspekten der Coronapandemie Antworten geben – und setzen ihre ganze Kraft ein, um einen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise zu leisten“, erklärte FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger. Im Rahmen seiner Gesprächsreihe „Corona-Talks“ hat er mit Expertinnen und Experten der FAU und des Uni-Klinikums Erlangen über die Auswirkungen der Pandemie auf unsere Gesellschaft gesprochen. Die kurzen Talks finden sich auf Youtube.

Weitere Forschungsprojekte rund um die Coronapandemie an der FAU und am Uni-Klinikum Erlangen

Weitere Informationen

Franziska Männel
Pressestelle des Uni-Klinikums
Tel.: 09131/85-46670
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