Über Fächergrenzen hinaus!
Viele Erfolge für die Geisteswissenschaften der FAU
Leibniz-Preis, Humboldtprofessuren, gute Positionierungen in Rankings – Die Geisteswissenschaften an der FAU konnten in letzter Zeit viele Erfolge feiern. Ein Interview mit dem Dekan der Philosophischen Fakultät und des Fachbereichs Theologie, Prof. Dr. Rainer Trinczek, über die Gründe für diese Entwicklung.
Herr Trinczek, im THE-Fächerranking hat sich FAU in den Geisteswissenschaften in allen Bereichen stark verbessert, bei den Zitationen um ganze 185 Plätze. Was sagt das über die geisteswissenschaftliche Forschungsqualität der FAU aus?
Es freut uns natürlich, dass wir besser geworden sind im internationalen und nationalen Vergleich. Letztlich bilden Rankings aber die Qualität unserer Forschung nicht wirklich ab. Wir haben in unserer Fakultät viele Fächer, die sich solchen kennzahlengesteuerten Rankings entziehen, weil sie zum Beispiel gar nicht über Fachjournals verfügen, über deren Impactpoints die Qualität untereinander messbar wäre – und ob sich die Qualität von Forschung überhaupt so messen lässt, ist ja überhaupt fraglich. Die Überraschung ist inner- und außerhalb der FAU mitunter groß, wie gut die Forschungsqualität an der Philosophischen Fakultät ist, weil sich das in solchen Rankings nicht angemessen widerspiegelt.
Woran messen Sie die Qualität dann?
Im Grunde ist es wichtiger, wie die Qualität der Forschung in den Fachcommunities wahrgenommen wird. Dies zeigt sich daran, wie die Publikationen eingeschätzt werden, ob Forschende der Fakultät in Fachkollegien der Deutschen Forschungsgemeinschaft gewählt werden oder führende Funktionen in ihren Fachgesellschaften einnehmen. Ich bin der Ansicht, dass wir in den letzten Jahren gut berufen haben und starke Forscherinnen und Forscher an die FAU holen konnten. Das sind darüber hinaus sehr kooperationswillige Kolleginnen und Kollegen, die auch gerne die Grenzen ihrer Fächer überschreiten.
Wie sieht dieses „Über die Fächergrenzen hinausgehen“ aus?
Die großen Verbundvorhaben, an denen die Fakultät beteiligt ist, sind generell interdisziplinär angelegt. Das Internationale Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung ist zum Beispiel eine Verbindung aus Sinologie und Geschichte des Mittelalters. Forschende aus der Psychologie sind etwa in einem DFG-Sonderforschungsbereich dabei, dem Empkins-SFB, der Grundlagenforschung zur Verknüpfung von Sensortechnologie und biomedizinischen Prozessen im menschlichen Körper betreibt. Die neuen Berufungen im Rahmen der High-tech-Agenda haben auch zumeist eine interdisziplinäre Forschungsagenda, über die auch die interfakultäre Forschungskooperation an der FAU gestärkt wird.
Auch im Bereich der Industriedrittmittelakquise ist die Philosophische Fakultät um 44 Plätze aufgerückt. Wie dürfen wir uns das bei philosophischen Fächern vorstellen?
Dies beinhaltet auch Drittmittel, die aus Stiftungen und anderen Organisationen jenseits der Privatwirtschaft eingeworben werden. Und genau dies ist bei unserer Fakultät der Fall: Der größte Teil dieser Drittmittel stammt aus Stiftungen. Aber es gibt auch Fächer, die mit anderen Geldgebern zusammenarbeiten, die weder Stiftungen noch Privatunternehmen sind. Zum Beispiel die Sportwissenschaften, die Forschungsaufträge von Sportverbänden oder der Rentenversicherung einwerben. Das hat in der Tat zugenommen, aber man darf sich das trotzdem nicht so vorstellen, dass Forschung für Unternehmen einen starken Schwerpunkt in der Forschung unserer Fakultät darstellt.
Sehen Sie die Forschungsfinanzierung über Drittmittel auch in den Geisteswissenschaften zukünftig als unausweichlich an?
Es ermöglicht Forschung, die man alleine nicht machen könnte. Und da die Grundausstattung bei uns an der Fakultät eher bescheiden ist, sind in vielen Bereichen Drittmittel notwendig. Dennoch gibt es gerade in den Geisteswissenschaften viele, die hervorragende universitäre Forschung betreiben, ohne auf Drittmittel zurückgreifen zu müssen. Insofern muss es und wird es immer beides an unserer Fakultät geben, auch wenn die Zahl der Forschenden, die drittmittelorientiert sind, zunimmt. Dies sehen wir in den Berufungen junger Forscherinnen und Forscher, für die es völlig unproblematisch ist, eine Zielvereinbarung zu unterschreiben, in der steht, dass sie einen DFG-Antrag stellen. Das ist die neue Normalität.
Viele Kolleginnen und Kollegen und viele Fächer unserer Fakultät genießen – auch international –einen sehr guten Ruf.
Nach Frau Prof. Dabrowska aus der Linguistik und Frau Prof. Bréard aus der Sinologie bekommt die Philosophische Fakultät noch eine dritte Humboldtprofessur. Wer wird diese erhalten und zu welchen Themen wird da geforscht werden?
Der neue Kollege heißt Prof. Dr. Vincent C. Müller und arbeitet zu dem zunehmend wichtiger werdenden Thema der Wissenschaftsreflexion. Er wird, wenn die Berufungsverhandlungen erfolgreich verlaufen, hier den Lehrstuhl für Theory and Ethics of Artificial Intelligence bekleiden. In diesem Feld gibt es natürlich jede Menge Anschlussmöglichkeiten, da Künstliche Intelligenz einer der Forschungsschwerpunkte an der FAU ist. Außerdem ist das Forschungsfeld von Hr. Müller an der FAU ja nicht ganz neu, sondern ist mit dem Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen, dem ZiWiS, gut vorbereitet.
Warum ist die Philfak gerade im Bereich der Humboldtprofessuren so stark?
Wegen der Attraktivität der Fakultät als Forschungsstandort. Viele Kolleginnen und Kollegen und viele Fächer unserer Fakultät genießen – auch international – einen sehr guten Ruf. Dies zeigt sich etwa darin, dass sich Frau Bréard unabhängig von der Humboldtprofessur hier beworben hatte. Man bewirbt sich ja nicht so ohne weiteres von Paris nach Erlangen.
Die Forschenden der Philosophischen Fakultät können auf viele Erfolge in den vergangenen Jahren verweisen, wie das neue DFG-Graduiertenkolleg von Prof. Heike Paul, der Deutsche Preis für Philosophie und Sozialethik für Prof. Erasmus Mayr, EU-Projekte wie das zweite Römerboot von Prof. Boris Dreyer. Wo möchten die Fakultät zukünftig noch hin?
Es gibt da drei Punkte: Erstens möchten wir verstärkt diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich in der Drittmittelforschung engagieren möchten, darin unterstützen und dabei gerade im Bereich der DFG-Drittmittel noch stärker werden. Zweitens sind wir bestrebt, die Forschenden, die keine Drittmittelprojekte anstreben, aber trotzdem herausragende Forschung betreiben, ebenfalls sichtbarer zu machen, auch in der allgemeinen Öffentlichkeit. Und drittens wollen wir verstärkt Verbundvorhaben anstoßen und dabei – wo es Sinn macht – auch zunehmend die Fakultätsgrenzen überschreiten.
von Boris Mijat
Die Themen der neuen Ausgabe sind: Datenbanksysteme und -forschung an der FAU, Irisimplantate aus künstlichen Muskeln, ein Medikament gegen Long-COVID, die European University EELISA, in der sich Universitäten aus Europa zusammengeschlossen haben, um Engineering weiter zu denken, der zweite Teil unserer Reihe zur FAU-Strategie, das neue Green Office und vieles mehr.
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