Mit Sperrholz und Rohhaut
Spätantike Ovalschilde bauen wie die Römer
Zur Ausrüstung römischer Soldaten gehörten neben der Rüstung, dem Helm und Offensivwaffen wie Schwert und Speer auch große Schilde. Diese nahmen sie auch mit auf die Flussboote, wenn sie auf Flüssen wie der Donau die Grenzen des Reiches bewachten. Die Schilde konnten dann seitlich an der Reling an angebracht werden. Wie diese Schilde gebaut, benutzt und wie sie an der Reling der Patrouillenboote angebracht wurden, versuchen Prof. Dr. Boris Dreyer, Inhaber der Professur für Alte Geschichte, und sein Team aus Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern, Studierenden und Freiwilligen beim Bau des zweiten Römerboots, der Danuvina Alacris (D.V.C.), ebenfalls zu rekonstruieren.
Anhand von Funden bauen die Historikerinnen und Historiker die Schilde mit antikem Werkzeug und nach historisch überlieferten Methoden nach. Fast komplett aus Holz, sind jedoch nur wenige Schilde in Mooren oder Wüsten erhalten geblieben, wo sie nur langsam oder gar nicht verrottet sind. Die geringe Zahl an Funden bedeutet auch weniger Informationen für Forscherinnen und Forscher über die Bauweise römischer Schilde. Mit experimenteller Archäologie sollen Wissenslücken geschlossen und aus den Funden abgeleitete Annahmen und Methoden getestet werden.
Sperrholz gab’s auch schon in der Antike
„Die Römer haben die Schilde beim Kampf mehrere Stunden am Körper getragen, deshalb mussten sie auch besonders leicht sein“, erklärt Boris Dreyer. Neben Schilden aus Vollholz gab es deshalb auch leichtere aus Sperrholz. Die FAU-Historikerinnen und -Historiker verwenden bei ihrem Nachbau zwei Zentimeter breite und drei Millimeter dicke Streifen aus Pappel. Die einzelnen Streifen werden auf einer ovalen, 120 Zentimeter langen und 90 Zentimeter breiten Form aus Holz befestigt. Dann wird eine weitere Schicht Holzstreifen im rechten Winkel zur ersten aufgetragen und mit Leim nach antiker Rezeptur fixiert. Die dünnen Holzstreifen lassen sich gut in eine nach außen abgerundete Form biegen, die das Schild stabiler macht. Vorbilder für diese Bauweise sind Funde aus dem ägyptischen Fayum und Dura Europos im heutigen Syrien, auch wenn diese sich in ihrer Form – halbrunde Turmschilde, sogenannte Scuta, die an eine mittig geteilte Tonne erinnern – von den großen Ovalschilden unterscheiden, die Prof. Dreyer und sein Team rekonstruieren.
Besser als jeder Kleber
„Wir wussten durch Funde, dass die Schichten mit einer Mischung aus Kasein und Sumpfkalk verleimt waren“. Kasein ist eine Mischung aus Proteinen, die in Milchprodukten vorhanden sind. Besonders viel davon ist in Magerquark. Diesen mischten die Historikerinnen und Historiker mit dem Sumpfkalk. „Bei dem Verhältnis haben wir dann etwas herumprobiert, aber letztendlich klebt das besser als jeder Uhu“, schildert Prof. Dreyer. Über Nacht trocknen die ersten beiden Schichten aus, dann wird eine dritte und letzte Schicht Holzstreifen quer zur vorherigen aufgebracht. Ist auch diese ausgetrocknet, sägt man den Schild in seine ovale Form und in die Mitte ein kleines Loch, das später als Haltegriff dient.
Schilde als Leinwände
Anschließend wird der Schild mit Rohhaut bespannt. Das ist enthaarte Haut von Kälbern, die im Gegensatz zu Leder nicht gegerbt und deswegen deutlich steifer ist, ähnlich wie die Kauknochen für Hunde. Dann wird der Schild mit Naturfarben auf mineralischer oder pflanzlicher Basis bemalt. Die Farben stammen alle aus der Farbpalette der Natur – ockergelb, blau, grün, rot oder braun – damit sie sich genauso wie das Schiff selbst in die Umgebung einfügen. Für die Danuvina Alacris wurde extra ein Schilddesign gestaltet: eine Abbildung von Victoria, der römischen Göttin des Sieges.
Zuletzt wird noch ein Schildbuckel, eine Halbkugel mit Rand aus Bronze oder Messing, über dem Haltegriff angebracht. Auch hier experimentieren Prof. Dreyer und sein Team, welches Material sich in welcher Stärke am besten eignet. Der Schildbuckel wird aus einer 15 mal 15 Zentimeter großen Platte geschmiedet, groß genug um die Hand am Griff besonders zu schützen. „Wir übertragen hierbei Größe, Material und Bearbeitungsart der archäologischen Funde auf unsere Rekonstruktionen“, erklärt Prof. Dreyer.
Ob die Schilde wie bei den Wikingern dauerhaft am Bootsrand angebracht waren, ist noch nicht geklärt. „Aber vermutlich wurden so aufwendig bemalte Schilde eher für Paraden angebracht und nicht bei normalen Kontrollfahrten“, erklärt Prof. Dreyer. Durch den ständigen Kontakt mit Wasser hätten sie sonst bestimmt schnell an Farbe verloren. In diesem Fall wären die Schilde wohl eher Kunst als Waffen gewesen.
Ein umfangreiches Testprogramm
Neben der Rekonstruktion der Bauweise der Schilde, sowie der Schildbuckel und der Schildbemalung, unterziehen die FAU-Historikerinnen und –Historiker die Schilde einem genauen Testprogramm. Es werden verschiedene Fertigungsarten, die Bauorganisation und Arbeitsteilung sowie unterschiedliche Fertigungsabschnitte betrachtet. Ebenso untersuchen sie, wie verschiedene antike Leimarten, unterschiedliche Grundierungen und unterschiedliche Pigmentmischungen in den verwendeten Farben die Intensität und Schattierungsmöglichkeiten der Bemalung beeinflussen. „Hieraus lassen sich auch Rückschlüsse auf die spätantike Grabporträtkunst machen“, erklärt Prof Dreyer. „Außerdem testen wir, inwieweit sich eine Leinenbeschichtung auf den Schilden von einer Rohhautbeschichtung unterscheidet.“ Zu guter Letzt testen Prof. Dreyer und seine Helferinnen und Helfer auch noch das Gewicht der Schilde im Laufe der verschiedenen Fertigungsabläufe. Denn bei aller Kunstfertigkeit in Bau und Bemalung dienten die Schilde doch in erster Linie einer Sache: dem Kampf. Und da ist weniger Gewicht, dass getragen werden muss, häufig ein Vorteil.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Boris Dreyer
Professur für Alte Geschichte
Tel: 09131/85-25768
boris.dreyer@fau.de