Mikroorganismen aus Gewässern im Labor kultivieren
Multikulti der Mikroben
Mikroorganismen und ihre Lebensgemeinschaften im Labor wachsen zu lassen – damit beschäftigt sich ein neues Verbundvorhaben unter Beteiligung der FAU. Ziel ist es, einen Bioreaktor zu entwickeln, der die natürlichen Lebensbedingungen von Mikroben simuliert. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert das Projekt über drei Jahre mit 2,5 Millionen Euro.
Mikroorganismen und ihre natürlichen Lebensgemeinschaften im Labor wachsen zu lassen – dieses Ziel steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsvorhabens „Kultivierung von bisher unkultivierten Mikroorganismen aus verschiedenen aquatischen Lebensräumen“ (MultiKulti), das von der Universität Oldenburg koordiniert wird. Ziel des Teams von Forschenden aus ganz Deutschland ist es, einen sogenannten Bioreaktor zu entwickeln. Dieser soll die natürlichen Lebensbedingungen von Mikroben so simulieren, dass diese sich dauerhaft im Labor kultivieren lassen. Langfristig soll ein automatisiertes, von künstlicher Intelligenz gesteuertes System entstehen, das unterschiedliche Forschungsansätze unterstützt – etwa zur Ökologie der Mikroben oder auch für biotechnologische Anwendungen.
Mikroorganismen gibt es überall auf der Welt, sie erfüllen wichtige Funktionen in allen Ökosystemen. „Dennoch ist der Großteil aller freilebenden Mikroorganismen bisher so gut wie unbekannt“, erläutert Projektkoordinator Prof. Dr. Martin Könneke aus Oldenburg. Fachleute sprechen von „Microbial Dark Matter“ – der mikrobiellen dunklen Materie. Das Problem: Nur sehr wenige Mikroben lassen sich im Labor über längere Zeit am Leben erhalten. Das ist eine Herausforderung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, da sie kaum gezielte Experimente mit Organismen durchführen können, die in schwer zugänglichen Regionen leben, etwa in der Tiefsee, dem Grundwasser oder Gewässern mit extremen Umweltbedingungen.
Das Forschungsteam will nun einen Bioreaktor entwickeln, mit dem sich selbst solche Mikroben kultivieren lassen, die sehr besondere Anforderungen an ihre Umwelt stellen. Dabei setzen sie auf ein neues Konzept: Ein modulartig aufgebauter, vollautomatischer Bioreaktor soll künftig sicherstellen, dass diese Gemeinschaften auch im Labor fast natürliche Umweltbedingungen vorfinden. Sie verwenden unter anderem moderne molekularbiologische Verfahren, um regelmäßig die Zusammensetzung der Gemeinschaften zu analysieren und die Haltungsbedingungen entsprechend anzupassen.
Von der FAU ist Prof. Dr. Katharina Herkendell, Juniorprofessorin für Dezentrale Energieverfahrenstechnik, an dem Projekt beteiligt. Mit einer Fördersumme von rund 570.000 Euro fällt der Wissenschaftlerin und ihrem Team die Realisierung des Herzstückes des Verbundprojektes zu. Der Bioreaktor, unter Federführung des wissenschaftlichen Mitarbeiters Thomas Trabold bereits in der Sondierungsphase konzipiert und in enger Kollaboration mit der Humboldt Universität zu Berlin als Prototyp verwirklicht, wird für die spezifischen mikrobiologischen und sicherheitstechnischen Anforderungen ausgelegt, skaliert und als transportables System gefertigt. Hier wird insbesondere Wert auf die Variabilität des Systems und die Implementierung der eingesetzten biologischen Monitoringmethoden Wert gelegt. Zudem übernimmt die FAU die Steuerung und Automatisierung der Anlage. Der angestrebte modulare Aufbau des Systems soll den Reaktor mobil und dadurch bereits in der Phase der Probenahme einsetzbar machen. Ein spezielles Augenmerk in der Auslegung liegt auf der Vermeidung von hohen Druckgradienten, die die störungsfreie Überführung von Mikroorganismen ermöglichen soll.
Das MultiKulti-Team konzentriert sich auf drei Gruppen von Mikroben: Eine Gruppe stammt aus dem Trink- und Grundwasser, sie beeinflusst etwa technische Anlagen zum Aufbereiten von Trinkwasser. Eine zweite lebt in Kaltwassergeysiren und könnte für biotechnologische Anwendungen bedeutend sein. Die dritte Gemeinschaft von Mikroben spielt eine wichtige ökologische Rolle im Meer. Außerdem untersuchen die Forschenden, wie sich extraterrestrische Bedingungen – etwa wie auf dem Mars – auf bestimmte Mikroorganismen auswirken.
Das Forschungskonsortium hatte sich im Jahr 2019 bei einem Workshop des BMBF zusammengefunden. Neben der Universität Oldenburg und der FAU sind Forschende der Humboldt Universität zu Berlin, der Universität Duisburg-Essen, des DVGW-Technologiezentrums Wasser in Karlsruhe sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln beteiligt.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Katharina Herkendell
Juniorprofessur für Dezentrale Energieverfahrenstechnik
Tel.: 0911/5302-9032
katharina.herkendell@fau.de