Dufte Pflanzen
40 Jahre Aromagarten
Der Aromagarten der Universität beheimatet hunderte Aromapflanzen. Seit 40 Jahren lockt er Besucherinnen und Besucher an, die Düfte kennenlernen oder einfach nur genießen wollen. Ein Spaziergang mit Deborah Pirchner.
An der Straße ist es laut, aber die rosa und weißlich blühenden Rosen über dem Eingangstor zum Aromagarten lassen vermuten, dass dahinter ein buntes Paradies liegt. Riechen lassen sich die Rosen auf gute zehn Meter Entfernung. Ihr süßer Duft empfängt Besucherinnen und Besucher. Ich treffe Herrn Heuvemann, den technischen Leiter des Botanischen Gartens, am Eingangstor zum Aromagarten an der Erlanger Palmsanlage.
Von der Schuttdeponie zum Duftparadies
Die Führung beginnt. Der Lärm der Straße wird von den Bäumen, Sträuchern und Stauden verschluckt. Wenn die Vögel zwitschern und der Wind durch die Blätter rauscht, ist es kaum vorstellbar, dass hier einst, als der Aromagarten noch eine Schuttdeponie war, Brennnesseln und Müllhaufen das Bild bestimmten. Und dennoch: Bevor der Aromagarten auf dem Gelände des Gemüsegartens des früheren Bezirkskrankenhauses angelegt wurde, war hier von der heutigen Pflanzenvielfalt keine Spur. Reste bleiben aber: Claus Heuvemann erzählt, dass auch über 40 Jahre später hin und wieder eine alte Tasse oder Plastikmüll gefunden wird.
Fast einen Hektar bedeckt der erste Aromagarten Deutschlands. Angelegt wurde er dank der Bemühungen von Prof. Dr. Karl Knobloch vom damaligen Institut für Botanik und Pharmazeutische Biologie der FAU. Sein Ziel war es, eine Fläche zu schaffen auf der das Institut Pflanzen anbauen und später pharmazeutisch untersuchen konnte. Seit 1979 werden hier Pflanzen angebaut, die zum Teil so exotisch sind, dass sie das erste Mal in Deutschland oder sogar Europa Wurzeln schlugen. Zwei Jahre später, 1981, wurde der Garten schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wissenschaftlich, medizinisch und regional bedeutsam
Wir folgen dem Weg ins Garteninnere. Um uns herum blüht und grünt es überall. Schön sieht der Aromagarten aus – aber wie wird er von der Universität genutzt? Dass Forscherinnen und Forscher herkommen und sich an den Pflanzen bedienen, kann ich mir nur schwer vorstellen. Und so ist es auch nicht: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen zwar über Aromen, zum Beispiel wie sie identifiziert oder bei der Erkennung von Krankheiten genutzt werden können – bei Corona oder Parkinson zum Beispiel – in den Garten kommen sie dafür aber nicht. Primär wird der Garten genutzt, um Menschen Wissen über Pflanzen zu vermitteln. Gerade wenn es darum geht, wie Pflanzen medizinisch genutzt werden können, gibt es immer neue Erkenntnisse. Oft ist es auch so, dass viel altes Naturwissen modernen Erkenntnissen nicht mehr standhält. Ein Beispiel ist die Signaturenlehre, sagt Herr Heuvemann: Nur, weil ein Blatt herzförmig ist, hilft es nicht gleich bei Herzleiden.
Zu informieren, dass nicht alles aus der alten Heilpflanzenkunde stimmt und medizinisch unbedenklich ist, ist eine wichtige Aufgabe des Aromagartens. Auch in der Forschung über Ernährung ist der Aromagarten wichtig: Es wird nach wie vor viel an pflanzlichen Inhalts- und Zusatzstoffen geforscht, zum Beispiel zur natürlichen Schädlingsbekämpfung. Ein weiterer Schwerpunkt sind Gerüche in Zusammenhang mit Sensorik. Elektronische Geruchssensoren gibt es zwar noch nicht, aber das Potenzial dahinter ist enorm und die Einsatzgebiete vielfältig. Theoretisch können mit diesen Sensoren zum Beispiel giftige Inhaltsstoffe frühzeitig erkannt werden. Und neben der Wissenschaft? Eine wichtige regionale Bedeutung fällt dem Aromagarten ebenfalls zu. In der Region wird wieder Hopfen, Lakritz, Tabak und Meerrettich angebaut. Lakritz zum Beispiel war lange wirtschaftlich wichtig in Bamberg. Er ist schwer zu kultivieren und braucht spezielle Bedingungen. Auch der Hopfen: In Bayern ist er eine kulturell und wirtschaftlich wichtige Pflanze. Wissen über diese Pflanzen sammelt sich im Aromagarten. Gerade als Herr Heuvemann anfängt davon zu erzählen, dass auch das
Zusammenleben und -arbeiten von Insekten und Pflanzen ein wichtiger Aspekt im Aromagarten ist, brummt eine Biene an meinem Kopf vorbei. Später treffe ich sie wieder. Recht groß, schwarz, mit vor Pollen weißem Rücken, summt die Holzbiene träge beim Salbei herum. Kurz darauf rollt eine Hortgruppe auf Laufrädern an uns vorbei. Auch das ist eine wichtige Aufgabe des Gartens, sagt Herr Heuvemann. Kinder sollen über natürliche Aromen lernen. Wissen darüber, wie natürliches Erdbeeraroma schmeckt, oder wie echter Lavendel riecht ist keine Selbstverständlichkeit mehr – und unser Geruchsalphabet müssen wir ähnlich wie Lesen oder Schreiben lernen.
Fantastische Pflanzen und wo sie zu finden sind
Am östlichen Ende des Aromagartens bleiben wir stehen. Den Geruch, der mir entgegenschlägt, kenne ich selbstverständlich – aber kann ihn einfach nicht einordnen. Als mir Herr Heuvemann die Lösung präsentiert, wundere ich mich, dass ich nicht selbst draufgekommen bin: Lebkuchen. Wenigstens bin ich nicht die Einzige, die verwundert schaut, wenn es im Freien plötzlich nach Weihnachtsgebäck riecht. Der Lebkuchenbaum kommt aus Japan. Das besondere an ihm ist, dass die Blätter nur im Herbst, beim ersten Frost oder bei Wassermangel zu riechen beginnen. Nicht weit davon entfernt wächst Artemisia austriaca, der österreichische Beifuß. Obwohl er unspektakulär aussieht – ein Kraut mit kleinen weiß-grauen, seidig glänzenden Blättchen, das bodennah wächst – ist sein Vorkommen in der Gegend spannend: Es konnte nachgewiesen werden, dass an den Stellen, an denen er heute vorkommt, während des Dreißigjährigen Kriegs österreichische Truppen lagerten, die ihn aus dem Nachbarland einschleppten. Der Beifuß wächst seitdem auch in Franken. Ein paar Meter weiter riecht es verdächtig nach Orangen – aber hier wachsen doch niemals Zitrusfrüchte.
Tatsächlich ist es der Diptam. Obwohl er so gut riecht, dass ich am liebsten ganz nah rangehen würde, lasse ich es sein, als Herr Heuvemann mich warnt, dass die Pflanze in kleinen Drüsen ein Sekret speichert, das zu schweren Hautverbrennungen führen kann. Mit dem Geruch von Küchenkräutern, aber auch Lebkuchen in der Nase und leicht nach Mandel riechenden Mädesüßblüten auf den Fingern endet meine Tour. Und genauso, wie mich der liebliche Rosenduft empfangen hat, verabschiedet er mich wieder.
Von Deborah Pirchner
Die Themen der neuen Ausgabe sind: ein Interview mit dem Präsidenten der FAU, Prof. Dr. Joachim Hornegger, und dem Markendesigner Claus Koch über die neue Zukunftsstrategie der FAU, eine Untersuchung über den Einfluss von Patenten auf Marktentwicklungen, die Studiengänge „Advanced Materials and Processes“ und „Clean Energy Processes“, ein Spaziergang durch unseren Aromagarten, der heuer sein 40. Jubiläum hat, und ein Interview mit dem Siemens-CEO Dr. Roland Busch.
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