Antagonistische Neuronen und Schmerzsignale

Bild: Colourbox
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FAU-Forschende untersuchen Einfluss von Neuronen in der Amygdala auf die Schmerzwahrnehmung

Der paarig angeordneten mandelförmigen Amygdala im Gehirn von Säugetieren wird eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen zugeschrieben. Sie „bewertet“ emotionale Erinnerungen, koordiniert das Phänomen Angst und entscheidet letztlich, ob wir etwa bei Gefahr weglaufen oder kämpfen. Neben der Angst beeinflusst sie auch Emotionen wie Wut und Freude, sowie den Sexualtrieb und die Fortpflanzung. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andreas Hess, Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie der FAU, untersuchte nun in Kooperation mit der Gruppe von Wulf Haubensak vom Forschungsinstitut für molekulare Pathologie (IMP) in Wien den Einfluss von bestimmten Neuronen in der Amygdala auf die Repräsentation von Schmerz in anderen Regionen des Gehirns. Die Studie ist vor kurzem online in der Fachzeitschrift Communications Biology veröffentlicht worden.

Zwei Neuronentypen

„Wir haben nachgewiesen, dass die Amygdala nicht nur für die Koordination der Angst, sondern auch für die Schmerzverarbeitung zuständig ist“, sagt Prof. Andreas Hess. Die Botenstoffe von Neuronen im zentralen Kern der Amygdala führten zu systemweiten Veränderungen in verschiedenen Gehirnregionen und letztlich sogar zu einer messbaren Änderung des Verhaltens.

Anatomisch besteht die Amygdala aus verschiedenen Kernen. Im lateralen Bereich der zentralen Amygdala konnten unter anderem zwei Neuronentypen identifiziert werden. Der eine stellt das für die Zellkommunikation wichtige Enzym Proteinkinase C δ (PKC δ+) her, der andere den Neurotransmitter Somatostatin (SST+). „Beide Neuronenpopulationen wirken antagonistisch und beeinflussen viele andere Gehirnregionen“, erklärt Isabel Wank von der Arbeitsgruppe um Prof. Andreas Hess vom Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie der FAU. Um herauszufinden, ob die beiden Neuronentypen einen Einfluss auf andere Hirnregionen, wie zum Beispiel den Thalamus, nehmen können, muss man sie gezielt an- und abschalten. Dazu verwendeten die Forschenden das etablierte Verfahren der Optogenetik.  Die DNA von Mäusen wurde gentechnisch so verändert, dass sie in den oben genannten Zellen lichtempfindliche Proteine herstellen. Die Funktion dieser Zellen kann dann von außen durch Lichteinfluss verändert werden. Zunächst wurde den narkotisierten Mäusen ein Lichtleiter in die zentrale Amygdala implantiert. Über ihn konnten die Forschenden die Neuronen mit blauem Laserlicht „anschalten”. Nach kurzer Zeit schalteten sich die Neuronen wieder von selbst ab.

Entscheidender Einfluss auf die Schmerzverarbeitung

Um den Einfluss der aktivierten PKC- und SST-Neuronen auf andere Regionen des Gehirns bildlich darzustellen, verwendeten die Forschenden die nichtinvasive funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Mit ihrer Hilfe konnte gezeigt werden, welche Gehirnregionen durch die beiden Zellpopulationen moduliert werden, und inwiefern diese Modulation die Verarbeitung von kurzzeitigen, moderaten Hitzereizen, die an der Hinterpfote der Maus gesetzt werden, beeinflusst. „Mit solch hochsensiblen Methoden erhält man auch bei wenigen Versuchstieren eine klare Aussage”, sagt Prof. Hess.

Die Ergebnisse zeigen, dass die aktivierten PKC-Neuronen der Amygdala andere Gehirnregionen dazu veranlassen, den Schmerz weniger stark zu verarbeiten. Die Modulation erfolgt „bottom-up“ von unten nach oben, das heißt von den evolutiv alten Gehirnregionen zur Großhirnrinde. Im Gegensatz dazu führen die SST-Neuronen tendenziell zu einer stärkeren „Bewertung” des Schmerzes, „top-down“ ausgehend von der Großhirnrinde nach unten. Wie die Forschenden aus Wien zeigen konnten, führt das Anschalten der Neuronen auch zu einem veränderten Verhalten des Versuchstieres. Im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen zieht die Maus bei angeschalteten SST-Neuronen ihre Pfote tendenziell schneller von der Heizplatte, während die Aktivierung von PKC-Neuronen zu einer verlangsamten Reaktion führt. Die Amygdala hat offenbar einen entscheidenden, modulierenden Einfluss auf die Verarbeitung eines Schmerzreizes im Gehirn.

Noch lassen sich die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung nicht direkt auf den Menschen übertragen. Die Anwendung der funktionellen Magnetresonanztomografie scheint jedoch vielversprechend. „Was man bei der Maus mittels fMRT zeigen kann, kann man direkt auf den Menschen übertragen”, sagt Prof. Hess. Die Rolle von Schädigungen der Amygdala könnten somit in Zukunft mit der fMRT am Patienten untersucht werden.

Weitere Informationen:

Doi: https://doi.org/10.1038/s42003-021-02262-3

Prof. Dr. Andreas Hess
Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie
Tel.: 09131/85-22003
andreas.hess@fau.de