Ein paar Cent für mehr Gesundheit

Operationssaal
Auch wenn mit DEHP belastete Schläuche aus dem Operationssaal der Kinderherzchirurgie verbannt wurden, so enthalten Transfusionsbeutel immer noch die herkömmlichen Weichmacher. Foto: FAU

Forschungsteam sensibilisiert für Kunststoffe mit weniger problematischen Weichmachern

Wenn Kinder am Herzen operiert werden, benötigen sie in den meisten Fällen eine Bluttransfusi­on. Das Spenderblut rettet Leben, kann jedoch mit sogenannten Weichmachern belastet sein. Sie werden, wie ihr Name verrät, eingesetzt, um Kunststoffe flexibel und elastisch zu halten. Zu den problema­tischsten Weichmachern zählt Di-2-Ethylhe­xylphthalat, kurz: DEHP, weil es die Keim­drüsen vor allem männlicher Kleinkinder schädigen und damit die Fortpflanzungsfä­higkeit einschränken kann. „Reproduktions­toxisch“ heißt das in der Fachsprache.

In Spielzeug und Babyartikeln ist DEHP seit 2005 verboten, in Medizinprodukten bislang jedoch nicht. „Dazu zählen leider auch die Beutel, in denen Blutkonserven aufbewahrt werden, und die Schläuche, durch die die­ses Blut in die Venen und Arterien der klei­nen Patienten fließt“, sagt Frank Münch.

TOTM als Alternative zu DEHP

Frank Münch
Frank Münch leitet die Kardiotechnik der Kinderherzchirurgie. (Foto: privat)

Münch leitet die Kardiotechnik der Abtei­lung Kinderherzchirurgie am Uni-Klinikum Erlangen. Er ist dafür zuständig, dass die Geräte funktionieren und auch dafür, dass sie möglichst wenig Nebenwirkungen ver­ursachen. Gemeinsam mit dem Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial und Umwelt­medizin der FAU (IPASUM) testen die Kardi­otechnikerinnen und -techniker deshalb eine Alternative zu DEHP, die speziell für den Einsatz in der Medizin entwickelt wur­de: Tris(2-ethylhexyl)trimellitat, kurz TOTM.

„In einem ersten Projekt vor zehn Jahren haben wir Schafblut 24 Stunden lang durch den Kreislauf einer Herz-Lungen-Maschine laufen lassen und dabei jeweils Standard- und alternative Schläuche verwendet“, erzählt PD Dr. Elisabeth Eckert, wissen­schaftliche Mitarbeiterin am IPASUM. „Da­bei haben wir festgestellt, dass DEHP in einer 350-fach höheren Konzentration in den Blutproben vorhanden war als TOTM.“

2014 hat die Erlanger Kinderherzchirurgie beschlossen, nur noch TOTM-Blutschläu­che zu verwenden. Ein wichtiger Schritt, doch das Thema DEHP war damit nicht vom Tisch: Die Transfusionsbeutel mit dem Spenderblut enthalten nach wie vor den herkömmlichen Weichmacher.

In einer weiteren Studie wurden deshalb direkt die Säuglinge untersucht, die sich einer Herz-OP unterziehen mussten. Auch hier war das Ergebnis eindeutig: Wäh­rend TOTM in nur geringen Konzentrationen nachge­wiesen werden konnte, überstieg die Menge an DEHP die tägliche tolerier­bare Aufnahmemenge zum Teil um den Faktor 25.

„Wir haben daraufhin verschie­dene Möglichkeiten getes­tet, die DEHP-Konzentration zu senken, zum Beispiel das Blut vor der Transfusion zu waschen“, sagt Frank Münch. „Letztlich waren die Werte aber immer noch deutlich zu hoch.“

Gesetzgebung ist gefordert

Elisabeth Eckert
Elisabeth Eckert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am IPASUM. (Foto: privat)

Eine Lösung kann aus Sicht des Erlanger Forschungsteams nur darin bestehen, auch die Beutel der Blutkonserven aus DEHP-freiem Kunststoff herzustellen. Mit ihren Erkenntnissen haben Münch und Eckert sich bereits an verschiedene Blut­banken gewandt, um sie für das Problem mit DEHP zu sensibilisieren.

„Der Markt bietet Alternativen, und die sind nicht einmal wesentlich teurer, pro Beutel nur wenige Cent“, sagt Frank Münch. „Bei einem Preis von über 100 Euro pro Blutkonserve sind das Mehrkosten im Promille-Bereich.“ Doch es gibt nicht nur finanzielle Hürden, eine Umstellung auf TOTM bedeutet organisato­rischen Aufwand und braucht Zeit. Münch: „Hier ist die Gesetzgebung gefordert, klare Vorgaben zu machen und nicht nur auf die Freiwilligkeit der Akteure zu setzen.“

In einem aktuellen Projekt untersucht das IPASUM auch die Belastung von Beschäftig­ten des Klinikums mit Weichmachern, denn Phthalate sind nicht nur reproduktionsto­xisch, sie stehen außerdem im Verdacht, Krebs zu verursachen und Nervenbahnen zu schädigen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter kommen täglich mit Kunststoffen in Kontakt, sei es über die Haut oder über die Atemluft“, sagt Elisabeth Eckert. „Auch hier ist es unser Ziel, die Belastung mit DEHP zu vermeiden oder zumindest deutlich zu sen­ken.“ Erste Ergebnisse dieser Studie werden Mitte des Jahres erwartet.


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FAU-Magazin alexander Nr. 115 (April 2021)

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