Leuchtend nach Jahrtausenden

Teppich
Der berühmte Pazyryk-Teppich (Bild: The State Hermitage Museum, St. Petersburg / Photo by Vladimir Terebenin)

FAU-Forscher entschlüsseln das Geheimnis des berühmten Pazyryk-Teppichs

Warum leuchten die Farben des ältesten geknüpften Teppichs der Welt nach fast zweieinhalb Tausend Jahren noch äußerst brillant in rot, gelb und blau? Dieses Geheimnis des so genannten Pazyryk-Teppichs konnten Forscher der FAU nun durch hochauflösende Röntgenfluoreszenzmikroskopie entschlüsseln. Die Ergebnisse haben sie in Scientific Reports publiziert.

Ein Rätsel seit über 70 Jahren: Der Pazyryk-Teppich. Er gilt als der älteste bekannte Teppich der Welt in Knüpftechnik und ist eines der herausragenden Beispiele eisenzeitlicher zentralasiatischer Handwerkskunst. Hergestellt wurde er um etwa 400 vor Christus Zweieinhalbtausend Jahre später entdeckten ihn russische Archäologen 1949 in einem Grabhügel im Altai-Gebirge. Seitdem rätseln Expert/innen für traditionelle Färbetechniken, wie die leuchtende rote, gelbe und blaue Farben des Teppichs, der heute im Eremitage-Museum im russischen St. Petersburg zu sehen ist, unter den rauen Bedingungen erhalten blieben.

Rote Fasern unter dem Mikroskop

Diesem Geheimnis sind nun die FAU-Wissenschaftler Prof. Dr. Karl Meßlinger vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie und die Röntgenmikroskopie-Experten Dr. Andreas Späth und Prof. Dr. Rainer Fink vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II auf die Spur gekommen. Gemeinsam schlugen sie vor, die Verteilung von Pigmenten entlang des Querschnitts einzelner Wollfasern mittels hochauflösender Röntgenfluoreszenzmikroskopie (µ-XRF) direkt abzubilden. Dr. Späth und Prof. Fink führten die Experimente am Paul-Scherrer-Institut im schweizerischen Villigen durch und nutzten das Röntgenmikroskop PHOENIX. Mit drei bis fünf Mikrometern bietet es eine ausreichende räumliche Auflösung, kombiniert mit einer hohen Empfindlichkeit für charakteristische chemische Elemente.

 

Schaubild zur Teppichanalyse
Die Fermentation von Schafwolle vor dem Färben führt zu einer erhöhten Brillanz und Langlebigkeit der Farbe. Fermentierte Wolle erkennt man an abstehenden Schuppenschichten oder an einer charakteristischen Verteilung der Pigmente entlang des Faserquerschnitts. Letztere ist in den abgebildeten Röntgenfluoreszenzbildern zu sehen (links). Bei den Pazyryk-Fasern ist die Schuppenschicht abgefallen (rechts). Der Einfluss der Fermentation kann aber noch durch den Vergleich der Fluoreszenzbilder (unten) mit denen von rezenten Standards nachgewiesen werden. Bild: FAU/Dr. Andreas Späth

 

Die Untersuchung konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf rote Wollfasern, da das Pigment Türkischrot in Zentralasien und im Nahen Osten seit Jahrhunderten nahezu ausschließlich verwendet wird, um einen charakteristischen roten Farbton zu erzielen. Türkischrot ist ein metallorganischer Komplex aus Alizarin, das aus den Wurzeln des Färberkrapps gewonnen wird, und Aluminium. Die Wissenschaftler verglichen nun die im Röntgenfluoreszenzmikroskop entstanden Bilder von den Proben des Pazyryk-Teppichs mit von Dr. Manfred Bieber, einem Experten für orientalische Textilfärbetechniken, selbst fermentierten und gefärbten Standardproben. „Die µ-XRF-Bildgebung zeigt eine charakteristische Verteilung des Aluminiums entlang des Querschnitts von fermentierten Wollfasern“, erklärt Dr. Andreas Späth. „Das gleiche Muster haben wir in Fasern aus dem Pazyryk-Teppich gefunden.“ Dies ist der mit Abstand früheste Nachweis einer Fermentationstechnik und gibt Einblicke in die bereits hoch entwickelten Herstellungsprozesse der eisenzeitlichen Textilhandwerker/innen.

Fermentierte Wolle bleicht nicht aus

Teppichfasern in Epoxidharz
Vorbereitet für die Untersuchung mit dem Röntgenfluoreszenzmikroskop: Fasern des historischen Pazyryk-Teppichs, eingebettet in Epoxidharz (links). Zum Vergleich auf dem rechten Bild: selbst fermentierte und gefärbte Standardproben. (Bild: FAU/Dr. Andreas Späth)

Schon vor 30 Jahren – im Jahr 1991 – erhielt Prof. Dr. Karl Meßlinger einige Knoten des Pazyryk-Teppichs für eine Analyse mit dem Rasterelektronenmikroskop. Zusammen mit Dr. Bieber hatte er zuvor herausgefunden, dass die REM-Bildgebung Wollfasern identifizieren kann, die mit einer speziellen Färbetechnik behandelt wurden, die auf einer vorherigen Fermentierung der Wolle beruht. Der Fermentationsprozess erhöht die Diffusion der Färbepigmente zum Zentrum der Wollfasern, was zu deutlich brillanteren und beständigeren Farben führt. Derart behandelte Wolle ist in der REM-Aufnahme an einem charakteristischen Aufstellen der äußersten Schuppenschicht zu erkennen. Doch je intensiver das jeweilige Textil genutzt oder der Witterung ausgesetzt wurde, desto weniger bleibt von den Schuppenschichten übrig. Auch beim weltberühmten Pazyryk-Teppich war die Schuppenschicht weitgehend abgefallen. Wie beständig die Farbqualität dank solcher Fermentationstechniken jedoch sein kann, lässt sich an folgendem Beispiel beobachten: „Das traditionelle anatolische Textilhandwerk kennt eine kostengünstige Technik zur Qualitätskontrolle, die aber trotzdem zuverlässig ist“, erklärt Prof. Meßlinger. „Sie setzen die gefärbte Wolle mehrere Wochen lang auf einer Weide direkter Sonneneinstrahlung aus, stellen sie in einer Scheune den Tieren als Bodenbedeckung zur Verfügung und waschen sie abschließend in einem fließenden Gewässer aus. Nur fermentierte Wolle zeigt dabei kein nennenswertes Ausbleichen.“

Weitere Informationen auf der Webseite der Eremitage St. Petersburg.

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