Walgesänge

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In den Gewässern an der Westküste Kanadas haben Prof. Dr. Elmar Nöth und sein Team Orca-Unterhaltungen „belauscht“. Ihr Ziel ist, die Laute mittels Deep Learning zu analysieren und so langfristig ein Orca Wörterbuch zu erstellen. (Bild: Elmar Nöth)

Expedition auf dem Nordpazifik

Während Expeditionen bei Geographen sowie Ur- und Frühgeschichtlerinnen zum Standardrepertoire gehören, trifft man Informatiker eher selten im Gelände an. Prof. Dr. Elmar Nöth und Christian Bergler vom Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung) an der FAU machen hier eine Ausnahme. In den Sommern 2018 und 2019 waren sie jeweils mehrere Wochen auf dem Nordpazifik unterwegs, zwischen Prince Rupert Island und Vancouver Island an der Westküste Kanadas. Die beiden Forscher wollen Orcas besser verstehen lernen, indem sie deren Laute mittels Deep Learning analysieren. Orcas eignen sich besonders gut für solche Analysen: Sie kommunizieren viel innerhalb ihrer Gruppe, beispielsweise während der Jagd oder mit den Jungtieren.

Boot im Meer
(Bild: Volker Barth/Anthro Media)

Auf ihrer Expedition wurden die Wissenschaftler um Prof. Elmar Nöth von einem Filmteam begleitet. Die 45-minütige Dokumentation ist in der Mediathek von 3sat noch bis Ende Oktober 2025 verfügbar.

Auch Terra X berichtet in der Dokumentation „Die Sprache der Tiere“ über die Orca-Forschung. Die Sendung ist in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Zwar können Elmar Nöth und sein Team auf 20.000 Stunden Klangmaterial aus den kanadischen OrcaLabs zurückgreifen, die seit 1985 die Laute der Orcas aufzeichnen. Allerdings weiß niemand, welche dieser Laute zu welchem Tier gehören. Für ihr Ziel, Sprachmuster zu erkennen und sie einzelnen Tieren und Familien zuzuordnen, benötigen die Wissenschaftler jedoch genau diese Informationen. Daher fasste Elmar Nöth den Entschluss, die Tiere direkt in ihrem Lebensraum zu belauschen. Zu diesem Zweck hatte ein Filmteam, das die Forscher bei ihrem Unterfangen begleitete, zuvor einen gebrauchten Trimaran umgebaut. Besonders wichtig hierbei: Um die akustisch empfindlichen Wale nicht durch Motorgeräusche zu stören, war der alte Dieselmotor durch einen Elektroantrieb ersetzt worden. Wichtigstes Instrument für Nöth und sein Team waren jedoch acht Unterwassermikrofone, sogenannte Hydrofone, die in zwei wasserdichten Schläuchen hinter dem Schiff hergezogen wurden und die Laute der Orcas empfingen.

5 Orcas im Meer mit Boot im Hintergrund
Bei einer ihrer Expeditionen wurden die FAU-Forscher von einem Filmteam begleitet. (Bild: Volker Barth/Anthro Media)

Doch wie machten die Forscher die etwa 300 Wale ausfindig, die sich auf einem Gebiet von der Größe Belgiens verteilen? Zum einen lassen sich Orcas direkt durch die Hydrofone orten. Nöth und Bergler fanden jedoch eine noch pragmatischere Möglichkeit: „Wir haben ein Funkgerät auf die Frequenz kommerziell operierender Whale-Watching-Unternehmen eingestellt, so konnten wir immer hören, wo sich gerade Gruppen von Orcas aufhielten“, sagt Elmar Nöth. Wenn das Team eine Gruppe von Orcas aufgespürt hatte, kamen die Hydrofone zum Einsatz. Da durch den Einsatz von zwei Hydrofonen der Schall der Tiere immer unterschiedlich schnell bei den Geräten ankam, ließ sich auch die Richtung bestimmen, in der sich der jeweilige Orca befand. Gleichzeitig filmten die Wissenschaftler die Wale, sodass sie mithilfe einer eigens programmierten Bilderkennungssoftware die einzelnen Tiere sicher unterscheiden konnten. Dadurch soll es in der Zukunft möglich sein, die akustischen Signale bestimmten Tieren zuzuweisen und mittels Deep Learning mit ihrem Verhalten zu assoziieren. Am Ende soll eine Art Orca-Wörterbuch entstehen, um die Tiere besser verstehen zu lernen.

Über den Autor

Sebastian Teichert forscht am GeoZentrum Nordbayern der FAU zu arktischer Biodiversität, corallinen Rotalgen und Ökosystem-Ingenieuren. Zugleich unterstützt er als begeisterter Wissenschaftskommunikator die Stabsstelle Presse und Kommunikation der FAU bei Formaten wie der Langen Nacht der Wissenschaften.


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