Steppengrabungen
Archäologische Ausgrabungen in Rumänien
Archäologische Forschung ohne Expeditionen ist auch im digitalen Zeitalter kaum vorstellbar. Prof. Dr. Doris Mischka vom Institut für Ur- und Frühgeschichte macht hier keine Ausnahme, verbringt sie doch jedes Jahr mehrere Wochen im Gelände. Begleitet wird sie dabei nicht nur von einem Forschungsteam, auch zahlreiche Studierende sind jedes Mal mit von der Partie. „Ohne ihre Hilfe wären größere Ausgrabungen gar nicht machbar“, sagt Doris Mischka. „Außerdem können die jungen Leute das Gelernte so gleich in der Praxis anwenden und vertiefen.“
Seit mehr als fünf Jahren liegt einer der Arbeitsschwerpunkte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Rumänien. Im Gebiet zwischen den Karpaten und dem Pruth, einem Nebenfluss der Donau, untersuchen sie die Besiedlungsgeschichte von Precucuteni und Cucuteni: archäologische Kulturen, die sich zwischen 4.800 und 3.500 vor Christus vom östlichen Bergland in die westlichen Steppen ausbreiteten.
Vor Ort greifen Mischka und ihr Team nicht nur auf die klassischen Untersuchungsmethoden zurück: Mithilfe eines Quadrocopters verschaffen sie sich beispielsweise einen ersten Überblick über das Untersuchungsfeld. Die Drohne liefert Bilder von größeren Bereichen, eine Software erstellt aus den Fotos anschließend ein digitales Geländemodell. In diesem Modell zeichnen sich häufig im Boden verborgene Strukturen wie Häuser oder Grabenanlagen ab. So kann das Team um Doris Mischka beurteilen, wo sich weitere Untersuchungen lohnen könnten. Vielversprechende Bereiche untersuchen sie dann mittels Geomagnetik näher. Hierzu fahren sie ein sogenanntes Gradiometer über den Untergrund, welches Unterschiede im Magnetfeld des Bodens aufzeichnet. So werden zum Beispiel die Grundrisse einzelner Häuser sichtbar.
Bei ihren Expeditionen haben die Forscherinnen und Forscher bereits eine Besonderheit festgestellt: Waren die frühen Siedlungen innerhalb des Berglandes noch klein, so wurden sie mit Ausbreitung in die westlichen Steppen immer größer. „In Scânteia, unserem wichtigsten Ausgrabungsort, konnten wir 55 Häuser nachweisen“, sagt Mischka. „Vorsichtig geschätzt, können wir somit auf eine Besiedlung durch mehr als 300 Personen schließen.“
Bei aller digitalen Technik überprüfen Doris Mischka und ihr Team die Befunde aber immer noch durch die schichtweise Freilegung einzelner Bereiche. Hierbei stellten sie beispielsweise fest, dass eine Siedlung wohl einen riesigen Bedarf an Keramikgefäßen hatte – die Menge der gefundenen Tonscherben lässt darauf schließen. Die Funde zu reinigen und zu archivieren, ist wegen der oft gewaltigen Mengen eine Mammutaufgabe. Um sie zu bewältigen, teilen sich die Expeditionsteilnehmerinnen und -teilnehmer in zwei Gruppen auf: Der „Außendienst“ führt die Vermessungen im Gelände durch und nimmt an der eigentlichen Ausgrabung teil. Der „Innendienst“ reinigt und katalogisiert die Fundstücke. „Die Grabungen sind anstrengend und verlangen allen viel ab“, sagt Mischka. „Aber sie machen auch jede Menge Spaß.“
Über den Autor
Sebastian Teichert forscht am GeoZentrum Nordbayern der FAU zu arktischer Biodiversität, corallinen Rotalgen und Ökosystem-Ingenieuren. Zugleich unterstützt er als begeisterter Wissenschaftskommunikator die Stabsstelle Presse und Kommunikation der FAU bei Formaten wie der Langen Nacht der Wissenschaften.
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