Mit Rucksäcken und Biosonar
An der FAU haben die sich Forscherinnen und Forscher der Technischen Fakultät in zwei interdisziplinären Projekten intensiv mit Fledermäusen auseinandergesetzt.
Die Fledermaus – mit ihrem Namen steht sie Pate für einen Superhelden, der nachts Verbrecher jagt. In der Realität aber jagen Fledermäuse in der Dunkelheit aber lediglich Insekten, wenn sie sich nicht von Früchten oder sogar Blütennektar ernähren. Die hochspezialisierten Tiere weisen jedoch auch ein bemerkenswertes Sozialverhalten auf. Das Problem dabei: Aufgrund ihrer Nachtaktivität und ihrer Größe sind sie in der freien Wildbahn nur schwer zu beobachten.
Rucksäcke für die Fledermäuse
Um dennoch mehr über das Sozialverhalten von Fledermäusen herauszufinden, hat eine DFG-Forschungsgruppe ein funkbasiertes Sensornetzwerk zur vollautomatisierten Beobachtung von Kleintieren entwickelt. Dazu werden Fledermäuse mit miniaturisierten, ultraleichten Funksendern ausgestattet, die über nur minimale Speicher- und Rechenkapazität zur Datenverarbeitung verfügen. Die so gesammelten Bewegungsdaten schicken die Sender an ein sich selbstorganisierendes Netz aus am Boden befindlichen Sensoren, das die Daten dann unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Fragestellung automatisch auswertet.
An dem interdisziplinären FAU-Projekt war auch der Nachwuchswissenschaftler Niklas Duda beteiligt. Der Student promoviert am Lehrstuhl für Technische Elektronik bei Prof. Dr. Robert Weigel, der das Projekt auch 2012 ins Leben gerufen hat. Duda hat dabei in den vergangenen drei Jahren Funk-Rucksäcke entwickelt, die auf dem Rücken von Fledermäusen angebracht werden „Die große Herausforderung bestand für mich im Grad der Miniaturisierung“, erzählt der Promotionsstudent. „Vorgabe war, dass der Sender inklusive Batterie weniger als zwei Gramm wiegen musste und nur die Größe eines Daumennagels haben durfte.“ Hierfür musste Duda es schaffen, dass sich die vielen Bauteile auf kleinem Raum sich nicht gegenseitig stören. Da die meisten Teile, die er verwendete, eigentlich nicht für seinen Minisensor entwickelt worden sind, hieß es für ihn auszuprobieren. So ist zum Beispiel die Hauptplatine nur 0,025 Millimeter dick, der Standard bei Platinen ist 1,55 Millimeter. Für seine Entwicklung profitierte Duda vor allem von den Erfahrungen der Smartphone-Entwicklung, wo Platz ebenfalls Mangelware ist.
Mithilfe der Funkrucksäcke hat die Projektgruppe, an der Forschende aus den Fachbereichen Biologie, Informatik und Elektrotechnik beteiligt sind und die sich mittlerweile nicht mehr nur aus FAU-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensetzt, sondern sich über ganz Deutschland verteilt, schon viel Neues über Fledermäuse in Erfahrung gebracht. Da Weibchen Jahr für Jahr an ihren Geburtsort zurückkehren, müssen Jungtiere lernen, selbstständig zu jagen und Quartiere zu finden. Wie diese Lernprozesse ablaufen, war bisher völlig unbekannt. Enge Kontakte zwischen Müttern und Jungtieren beim Quartierwechsel, jedoch nicht bei der Jagd, zeigen, dass die Mütter ihre Jungtiere regelrecht zu neuen Quartieren geleiten – dies war bisher nur vermutet worden.
Fledermaussonar als Vorbild
Eine andere Forschungsgruppe der FAU und der Universitäten Amsterdam und Antwerpen hat sich hingegen von den Jägern der Nacht und deren Symbiose mit einigen Blumenarten inspirieren lassen, um die Sonarsysteme bei selbstfahrenden Autos und autonomen Robotern zu verbessern. Sonar ist bei diesen nämlich unerlässlich für die Abstandsmessung. Sonarsysteme sind zudem preiswert, energieeffizient und liefern in der Regel sehr genaue Messungen. „Allerdings haben sie auch Nachteile“, sagt Prof. Dr. Stefan Rupitsch vom Lehrstuhl für Sensorik der FAU. „Ihre Messungen können manchmal mehrdeutig sein, und das kann zu verwirrenden Situationen für ein autonomes Fahrzeug oder einen Roboter führen.“
Fledermäuse navigieren ebenfalls mittels Echoortung, auch Biosonar genannt. So können sie Objekte lokalisieren, indem sie hochfrequente Töne aussenden und die Echos erfassen, die von ihrer Umgebung reflektiert werden. „Das ist eine geniale Art, die Welt akustisch wahrzunehmen. Fledermäuse können damit in völliger Dunkelheit hervorragend navigieren“, erklärt der frühere FAU-Biologe und Fledermausforscher Dr. Ralph Simon, der mittlerweile an der Freien Universität Amsterdam forscht. Aber manchmal wird es schwierig. Zum Beispiel, wenn sich eine Nahrungsquelle in der Nähe von Vegetation befindet. Denn dann vermischt sich das Signal des Objektes mit dem der Vegetation. „Und doch gibt es Fledermausarten, die sich von Blütennektar ernähren. Diese müssen also fähig sein, Blüten direkt vor oder sogar in der Vegetation zu finden“, sagt Dr. Simon.
Effiziente Navigationshilfen
Hierfür hat die Evolution eine hervorragende Lösung gefunden: Einige südamerikanische Pflanzen, von denen sich Fledermäuse ernähren und die zugleich von ihnen bestäubt werden, haben spezielle Blütenteile entwickelt, die als Sonarreflektoren fungieren. Somit heben sich die Blüten akustisch von der Umgebung hervor und werden so von den Fledermäusen leichter gefunden. Auf dieser Basis hat das Team künstliche Sonarreflektoren entwickelt, die autonome Roboter und fahrerlose Autos durch unbekannte Umgebungen führen. „Wir waren erstaunt, wie zuverlässig diese Reflektoren selbst in unübersichtlicher Umgebung erkannt werden“, sagt Dr. Simon. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass diese künstlichen Reflektoren die Navigationseffizienz eines sonargesteuerten Robotersystems erheblich verbessern können. Sie waren sogar in der Lage, verschiedene Ansteuerbefehle für einen autonomen Roboter mithilfe unterschiedlicher Reflektorformen zu übertragen, was diese zu perfekten Sonarverkehrszeichen macht.
alexander – Aktuelles aus der FAU
In der aktuellen Ausgabe geht es um das Digitalisierungsprojekt „Objekte im Netz“, Fledermäuse mit Rucksäcken und die Herausforderungen für die Demokratie durch Bio- und Digitaltechnologie. Außerdem haben wir mit dem FAU-Theologen Prof. Dr. Peter Dabrock über seine Zeit als Vorsitzender des deutschen Ethikrates gesprochen. „Student des Jahres“ Sagithjan Surendra erzählt im Interview von seinem Jugend-Förderwerk und Dr. Axel Adrian vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie erklärt, wie Künstliche Intelligenz im Rechtswesen eingesetzt wird.
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