Statt raus aufs Feld rein ins Forum
Interaktive Lehrformate
Sogar Pflanzen-Bestimmungsübungen im Studiengang Biologie hat Dr. Ruth Stadler auf „volldigital“ umgestellt. Interaktive Lehrformate realisiert die Dozentin am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie in diesem Semester über StudOn. Im Interview erzählt sie, wie sie ein Präsenz-Praktikum digitalisiert hat, wie der Austausch mit den Studierenden läuft und was nicht so gut funktioniert hat.
Wie haben Sie die Corona-Pandemie an der FAU erlebt?
Wir sind natürlich mit Einschränkungen konfrontiert, haben es aber geschafft, die Lehre in den regulären Zeit-Slots durchzuführen. Ich musste bisher nichts ausfallen lassen und habe auch nichts verschoben. Selbst das pflanzenphysiologische Praktikum, das noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie gestartet ist, konnten meine Arbeitsgruppe regulär durchführen.
Wie haben Sie den Kurs digitalisiert?
Im pflanzenphysiologischen Praktikum sollen die Studierenden normalerweise pipettieren und Versuche durchführen. Das geht online natürlich nicht. Stattdessen haben meine Kolleginnen und Kollegin und ich die Studierenden informiert, wie die Versuche durchzuführen gewesen wären und haben ihnen die Versuchsprotokolle und Messdaten gegeben. Weil wir da noch kein Zoom hatten, haben wir die Vorlesung auf StudOn als PDF angeboten. Dort haben wir dann außerdem einen Chat und ein Forum eingerichtet und alle zwei Tage eine neue Thematik besprochen. Am Ende mussten die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer Fragen per Quiz beantworten und ein Protokoll erstellen.
Wie haben Sie das so schnell auf die Beine gestellt?
Wir haben das genommen, was wir schon kannten: Mit StudOn haben wir bereits vor Corona gearbeitet und wussten zum Beispiel, wie man ein Online-Quiz erstellt. Als dann klar war, dass wir das komplette Semester digitalisieren müssen, haben wir auch angefangen, komplexere Strukturen einzusetzen. Zum Beispiel indem wir die botanischen Bestimmungsübungen digitalisiert haben. Da gehen die Studierenden eigentlich mit uns aufs Feld und pflücken unter Anleitung Pflanzen, die sie dann mit dem Buch auf den Knien vor Ort mit uns bestimmen lernen.
Wie digitalisiert man ein Präsenz-Praktikum?
In dem Bestimmungs-Kurs haben wir das so gemacht: Wir haben den Studierenden gesagt, wo die Pflanzen stehen. Das heißt, wir haben eine Anleitung erstellt, die die GPS-Daten beinhaltet und so konnten die Studierenden, die in Erlangen waren, an diese Orte gehen und die Pflanzen pflücken. Und für die, die die nicht in Erlangen waren, haben wir beschrieben, an welchen Standorten sie die Pflanzen finden – zum Beispiel in einem Laubwald. Wir hatten aber auch drei Studentinnen, die gar nicht in Deutschland waren, eine war in Indien, eine in Südafrika und eine in Finnland – da lag sogar noch Schnee. Deshalb haben wir den Studierenden zusätzlich detaillierte Fotos mit allen Merkmalen angeboten, die sie benötigen, um die Pflanzen zu bestimmen. Am Ende des Kurses sollen die Studierenden zehn Mal im Gelände gewesen sein und zehn Herbare mit beschrifteten Fotografien der Pflanzen und Protokollen abgeben.
Warum haben Sie Teile des Kurses bereits vor Corona digitalisiert?
Lernmodule zu den Grundlagen bieten wir schon einige Jahre online an. Wir haben gemerkt, dass die Studierenden gern am Computer arbeiten. Mit dem Online-Angebot wollten wir die Pflanzenbestimmung attraktiver machen, die häufig erst einmal nicht auf besonders großes Interesse bei den Studierenden stößt. Mein Bestreben war es, den Studierenden die Thematik so näher zu bringen und auch den Spaß daran zu vermitteln. Wenn man die häufigsten Pflanzenarten erst einmal kennt, ist das auf jeden Fall eine Bereicherung. Ein zusätzlicher Anreiz: Am Ende in der E-Klausur entnehmen wir 20 Prozent aller Fragen aus dem, was wir in den Lernmodulen oder Quizfragen anbieten. So sind die Studierenden motiviert, bis zum Ende mitzuarbeiten. Das hat bisher wunderbar funktioniert: Auch wenn die Klausur nicht einfach ist, haben die Studierenden bisher gut abgeschnitten. Auch an den Zugriffen auf StudOn können wir sehen, dass sie sich mit den Lerninhalten auseinandersetzen.
Wie unterscheidet sich eine geplante Digitalisierung von der Ad-hoc-Digitalisierung durch Corona?
Bei ganz kurzfristigen Umsetzungen gibt es immer das Problem, dass man Dinge anbietet, die fehlerbehaftet sind. Dagegen haben wir uns für die Digitalisierung der kursbegleitenden Online-Angebote zu den Bestimmungsübungen viele Jahre Zeit genommen und Hilfskräfte finanziert. Die haben sich über StudOn ausbilden lassen und unter unserer Anleitung die Online-Kurse erstellt. Wir haben diese dann kontrolliert und verbessert. Was wir für das Sommersemester gemacht haben, ist dagegen etwas einfacher strukturiert. Das könnten wir eigentlich viel schöner.
Hat auch etwas nicht funktioniert?
Wir haben auch Sachen ausprobiert, die nicht geklappt haben: In unserem ersten Kurs hatten wir Anfangs einen Chat in StudOn. Das Problem in dem Chat ist aber, dass die Frage nur für die Personen sichtbar ist, die bereits im Chat anwesend sind. Kommen Studierende später dazu, wird ihnen die Frage nicht angezeigt. Wir sind deshalb auf Foren umgestiegen. Das hat dann sehr gut funktioniert.
Sind Sie mit der Kommunikation zufrieden?
Insgesamt haben wir das Problem, dass wir nicht so gut mit den Studierenden kommunizieren können. Wir haben in StudOn zwar eine Box für Wünsche, Beschwerden und Anregungen eingerichtet, in der man anonym Feedback abgeben kann, aber im Grunde wissen wir nicht, wie die große Masse der Studierenden mit dem Angebot klarkommt. Die Studierenden geben zwar Protokolle ab und wir bekommen auch immer wieder Fragen zum Kurs, aber online sehen wir natürlich nicht, ob jemand mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck im Gelände sitzt.
Kann Zoom die Live-Interaktion ersetzen?
Bei Zoom ist das Problem, dass ich bei den über 220 Studierenden, die an meinem Kurs teilnehmen, immer nur einen Bruchteil auf dem Bildschirm angezeigt bekomme – sofern sie ihre Kameras angeschaltet haben. Und sobald ich meinen Bildschirm teile, bekomme ich bei Zoom gar keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr angezeigt. Damit rede ich praktisch ins Nichts. Bei kleineren Meetings, wenn ich alle Gesichter sehen kann, ist auch eine Videokonferenz gut und schön.
War die Umstellung ein enormer zeitlicher Mehraufwand?
So plötzlich ein komplettes Semester zu digitalisieren, war natürlich ein enormer Mehraufwand. Man hatte das Gefühl, die Kolleginnen und Kollegen sitzen immer am Rechner. Zum Glück haben auch die Tutorinnen und Tutoren ganz viel mitgearbeitet. Deren zusätzliche Stunden konnten wir über die Sondermittel von „Schnell digital“ finanzieren.
Wie blicken Sie auf das nächste Semester?
Wir werden in einigen Bereichen in der Qualität der Lehre eingeschränkt bleiben. Aber das sollten wir nicht zu sehr bedauern. Wir wissen ja, dass es eine vorübergehende Situation ist. Wir sollten das nächste Semester als Kompromiss betrachten. Natürlich ist die Lehre live besser, aber irgendwann können wir auch wieder Präsenzlehre machen und dann können wir das, was wir jetzt digitalisiert haben, trotzdem nutzen. Wenn wir Digitales zusätzlich zur Präsenzlehre anbieten, bereichert das die Lehre auf jeden Fall.