Corona, Studium und Kind: Wie geht das?
Wenn Kitas geschlossen sind und Großeltern nicht helfen können
Studieren mit Kind ist auch ohne Corona-Pandemie nicht einfach. Wenn dann aber noch die Kitas schließen, wird es richtig herausfordernd. Aber ist die hohe Flexibilität eines Online-Studiums nicht eher hilfreich und förderlich für ein Familienleben? Wir haben zwei Studierende gefragt, wie es ihnen und ihren Familien im digitalen Sommersemester geht.
„Dass die Kita geschlossen wurde, war ein Schock“
Franziska Kremer studiert an der FAU Humanmedizin. Sie hat zwei Kinder und teilt sich die Betreuungsarbeit mit ihrem Freund.
Wie haben Sie Kinderbetreuung und Studium vor der Krise zusammengebracht?
Da mein Freund auch studiert und unser Sohn seit seinem ersten Lebensjahr in die Kita geht, konnten wir uns in der Betreuung abwechseln und waren relativ flexibel. Die ersten zwei Semester ohne Kita gingen allerdings nur sehr schleppend voran, da wir keine Familie und Großeltern in der Nähe haben, die uns unterstützen können. Aber wenn man mal eine Grundstruktur etabliert hat, geht es auch so gut voran.
Wie ging es Ihnen, als Sie erfahren haben, dass die Kita geschlossen wird?
Das war erst mal ein richtiger Schock. Wir haben uns schon gefragt: Wie geht es jetzt weiter? Wir hatten sogar damit gerechnet, erst mal beide im Sommersemester nicht weiter studieren zu können. Nach und nach kamen dann ja aber immer mehr Einschränkungen und Absagen. Bei mir wurden vier Prüfungen abgesagt, auf die ich erst mal nicht mehr lernen musste. Dann wurde es doch entspannter. Nur waren wir im Ungewissen und wussten nicht, wie es weitergehen wird und wann Prüfungen und Seminare nachgeholt werden.
Und wie läuft Ihr Sommersemester? Konnten Sie all das belegen, was Sie geplant hatten?
Nein, das ging nicht, aber dafür konnte ich andere Sachen belegen. Manche Lehrstühle sind recht familienfreundlich und verzichten zum Beispiel auf Anwesenheitspflicht. Online-Zoom-Konferenzen mit festen Terminen kann ich nicht wahrnehmen, also habe ich nur Veranstaltungen belegt, die ich zeitlich flexibel gestalten kann. Letztendlich habe ich so vielleicht sogar ein bisschen mehr gemacht als geplant. Nur eben anderes.
Mein Freund hingegen musste komplett zurückstecken. Er arbeitet nebenher und hat im Laufe des Semesters gemerkt, dass das alles zu viel wird. Leider wurden in seinem Studiengang manche Vorlesungen nicht aufgezeichnet und auch mittags abgehalten, sodass er das mit zwei kleinen Kindern zu Hause nicht fortführen konnte. Er hat sich dann von allen Veranstaltungen wieder abgemeldet.
Wie sind Sie mit der Umstellung auf das Online-Semester zurechtgekommen?
Erst mal war es eine totale Katastrophe, weil mein Laptop kaputt war. Wir hatten dann nur einen Laptop zu zweit und konnten eh nur arbeiten, wenn die Kinder schliefen. Das heißt, wir mussten uns die Zeit dann auch noch aufteilen. Ich habe mich an die Uni gewandt und einen Laptop bekommen, den ich auch immer noch nutze. Im Mai und Juni sind wir auch noch umgezogen und hatten erst mal kein Internet. Es waren also nicht die optimalen Voraussetzungen, aber mit Laptop und Internet klappt nun alles ganz gut.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen des Online-Semesters?
In Ruhe zu lernen und Arbeitsaufträge für die Uni zu erledigen. Zuhause muss ich immer schauen, dass ich eine freie Minute erwische, in der ich ungestört lernen kann. Es ist schon was anderes, wenn man mal eine Stunde an der Uni ist und sich einfach nur auf den Inhalt konzentrieren kann, oder wenn man zuhause ist und die Kinder im Nebenraum sind. Früher oder später kommt immer ein Kind rein und möchte einem irgendetwas zeigen oder sagen oder man bekommt mit, wenn ein Kind weint und wird abgelenkt. Man ist eigentlich immer mit einem Ohr bei den Kindern.
Außerdem nehmen manche Online-Kurse mehr Zeit in Anspruch, als ich für die Veranstaltungen in Präsenzform benötigt hätte.
Welche Vorteile sehen Sie in der Digitalisierung für Ihr Studium?
Ich bin flexibler. Wenn es Online-Kurse ohne Anwesenheitspflicht gibt, kann ich selbst einteilen, wann ich welche belege. Und es gibt jetzt teilweise mehr Arbeitsmaterial als vorher. Es gab Lehrstühle, die vor Corona nicht einmal die Vorlesungsfolien online gestellt haben und jetzt bekommen wir wesentlich mehr Lehrmaterial.
Was für Verbesserungen oder Änderungen würden Sie sich für das Wintersemester wünschen?
Ich würde mir weniger Anwesenheitspflicht wünschen und mehr Rücksicht auf Studierende mit Kindern, zum Beispiel was Fehltage betrifft. Wenn die Kinder krank sind, verpasst man Vorlesungen und Seminare. Man hat teilweise keinen oder nur einen erlaubten Fehltag für das ganze Semester. In der Medizin haben wir so viele Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht, dass es wirklich schwierig ist, diese mit Kindern zu erfüllen. Ich wünsche mir, dass man Fehltage nachholen darf, dass mehr Vorlesungen aufgezeichnet werden und die Lehrstühle flexibler und individueller auf Einzelfälle eingehen.
Was denken Sie, kann die FAU für Studium und Lehre aus der Corona-Krise lernen?
Ich denke, dass manche Lehrstühle den Studierenden mehr vertrauen schenken sollten. Die meisten Studierenden wollen doch vorankommen und was lernen. Ich fände es gut, wenn man weniger wie in der Schule auf die Anwesenheit achtet und wenn einige Online-Angebote erhalten bleiben.
„Eine Tagesstruktur ist wichtig“
Johannes König studiert an der FAU in Teilzeit Germanistik. Im nächsten Semester möchte er Germanistik und Soziologie studieren – dann auch wieder in Vollzeit. Zusammen mit seiner Frau hat er einen dreijährigen Sohn.
Kinderbetreuung und Studium ist ohne Corona schon eine Herausforderung. Wie haben Sie das vor der Krise gestemmt?
Mein Sohn geht vormittags in die Krippe seit er ein Jahr alt ist. Meine Frau studiert Theologie, das kann man nicht in Teilzeit studieren. Deswegen bin ich in Teilzeit und wir teilen uns die Betreuungszeit auf. Die Großeltern sind auch stark eingebunden. Sie holen ihren Enkel zum Beispiel an einigen Tagen von der Krippe ab.
Wie erging es Ihnen, als Sie erfahren haben, dass die Krippe aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen wird?
Das war ja noch in den Semesterferien. Für uns war das kein großer Schock, irgendwie haben wir damit gerechnet. Die erste Zeit war dann auch noch entspannt, aber als das Sommersemester begann, musste der Alltag neu geordnet werden. Es kann immer nur einer von uns beiden eine Veranstaltung belegen. Und die Großeltern waren auch erst mal raus. In der ersten Zeit waren wir komplett alleine und hatten sicherheitshalber gar keinen Kontakt. Mittlerweile, da die Beschränkungen aufgehoben sind, können die Großeltern auch wieder helfen. Stück für Stück haben wir die Kontakte langsam wieder ausgeweitet.
Vor allem meine Frau konnte im Sommersemester aber nicht so viel belegen wie sonst. Ich habe mein Pensum ganz gut erreicht, abgesehen natürlich von Veranstaltungen, die gar nicht stattfanden.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen des Online-Semesters?
Eine der größten Herausforderungen ist: Man hat wenig Rückzugsorte. Man muss für sich ganz klar abgrenzen, was ist Arbeitsraum und was ist Freizeitraum, wann nehme ich mir Zeit für die Uni und wann für das Kind. Vor Corona habe ich natürlich viel mehr Zeit an der Uni verbracht, um daheim dann auch wirklich nur zuhause sein zu können.
Wo sehen Sie die Chancen der Digitalisierung für Ihr weiteres Studium?
Ich denke, es gibt überraschend viele Chancen. Viele Veranstaltungen könnten auch weiterhin digital stattfinden. Ich hoffe, dass man das weiterverfolgt. Das wird für viele ein Vorteil sein, weil man sich die Arbeit einteilen kann. Wir sind zum Beispiel durch das Online-Semester terminlich viel flexibler. Da es keine Fahrzeiten gibt, können wir Veranstaltungen viel enger legen. Das ist für die gemeinsame Kinderbetreuung natürlich super, wenn ich weiß, um 12 Uhr bin ich fertig und muss dann nicht noch nach Hause fahren.
Was hat Ihnen konkret geholfen, die zusätzlichen Anforderungen des Online-Semesters zu bewältigen?
Eine Tagesstruktur ist wichtig. Das hat man mit Kind sowieso, aber es ist wichtig, diese auch im Studium beizubehalten. Zeitlich strukturieren, auch wenn es räumlich schwierig ist.
Was für Verbesserungen oder Änderungen würden Sie sich für das Wintersemester wünschen?
Ich habe das Gefühl, dass wir in den Seminaren eine größere Verbundenheit haben. Viele der Dozentinnen und Dozenten sind dadurch auch kulanter. Die persönlichen Probleme von uns Studierenden werden mehr gesehen und ich kann auch mal nicht zum Seminar erscheinen, wenn ich mich um das Kind kümmern muss. Es gibt einfach mehr Verständnis, was man sonst nicht so wahrnimmt.
Ich habe die Hoffnung, dass dieses Verständnis, die Wahrnehmung der einzelnen Situationen der Studierenden im Bewusstsein bleibt, dass in den Seminaren darauf eingegangen wird. Und ich habe die Hoffnung, dass die Online-Angebote erhalten bleiben.
Was denken Sie, können wir für Studium und Lehre an der FAU noch lernen?
Ich habe aus vielen Studiengängen mitbekommen, dass die Erwartungshaltung gestiegen ist. Als ob man jetzt überkompensieren müsste, nur weil die Leute daheim sind: „Lernt mehr, macht mehr“. Ich hoffe, dass sich das wieder relativiert. Ich denke, man muss da Vertrauen in die Studierenden haben. Heimarbeit heißt eben nicht Freizeit. Da muss man sich selber organisieren.
Whatsapp-Gruppen für Eltern
Für die Studierenden der Medizinischen Fakultät gibt es eine Whatsapp-Gruppe, in denen sich Studierende mit Kind austauschen und vernetzen. „Das hat mir besonders während der Corona-Krise geholfen“, sagt Franziska Kremer, die die Gruppe betreut. „Ich wusste, ich bin nicht alleine und anderen geht es ähnlich. Außerdem konnten wir uns schnell über neue Regelungen austauschen.“ Wer Interesse hat, sich ebenfalls in dieser Gruppe zu vernetzen, kann sich an Franziska Kremer wenden. An der Philosophischen Fakultät möchte Johannes König ebenfalls so eine Gruppe aufbauen. Auch er steht für Kontaktanfragen zur Verfügung.
Weitere Informationen dazu gibt es auch auf der Webseite des Familienservice.