Handschriften mit künstlicher Intelligenz imitieren
FAU-Forschungsteam entwickelt neues Verfahren
Menschen, die nicht mehr selbst schreiben können, die Möglichkeit geben, weiter in ihrer Handschrift Tagebuch zu führen oder persönliche Notizen zu erstellen – aber wie? Ein FAU-Forschungsteam hat eine Methode entwickelt, wie Handschriften mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) nachgeahmt werden können. Und dabei gilt: Je leserlicher die Schrift, desto einfacher die Imitation.
Um Handschriften mittels KI zu imitieren, unterteilen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Vincent Christlein, Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung), das Schreiben in einzelne Schritte. Als erstes erfolgt die so genannte Skeletonization, bei der die Schrift auf ein Skelett reduziert wird, das nur noch einen Pixel breit ist. Danach wird sie in eine Online-Sequenz übertragen: Wie etwa bei einer digitalen Unterschrift auf einem Tablet verfügt eine solche Sequenz über Zeitinformationen, also wann welcher Strich gesetzt wurde.
Diese Informationen werden nach einem festgelegten Schema hinzugefügt – pro Zeile werden die Teilstriche identifiziert und nach deren Position von links nach rechts sortiert. Zum Abschluss erfolgen noch der Schreibstil- und der Bildstiltransfer: Zuerst erstellt das Programm ein neues Wort-Skelett im gleichen Stil und macht die Skeletonization rückgängig, danach werden noch Informationen der Schreibprobe wie Linienbreite im Wort oder Schriftfarbe übertragen und automatisch kleine Fehler ausgebessert, um ein homogenes Schriftbild zu erhalten.
Um das Programm für neue Handschriften zu trainieren, benötigt das Forschungsteam etwa fünf bis sieben Absätze der originalen Schriftprobe. Im Gegensatz zu anderen Programmen, die Schriften nachahmen, ist weder eine Interaktion mit Schreibenden nötig, noch müssen alle Buchstaben vorliegen, da sie durch die KI abgeleitet werden können. Das Ergebnis der Handschriftenimitation funktioniert für einzelne Wörter bereits vergleichsweise gut – in einer Studie konnten Versuchspersonen die von der KI erstellten handschriftlichen Texte nicht als solche identifizieren. Auch andere computergestützte Verfahren, die in der Lage sind, Handschriften zu identifizieren, waren teilweise nicht in der Lage, Original von Imitation zu unterscheiden.
Dr. Christlein kann sich ganz verschiedene Einsatzmöglichkeiten vorstellen. So kann das Verfahren nicht nur Menschen helfen, die physisch nicht mehr in der Lage sind, selbst zu schreiben, jedoch weiterhin handschriftliche Texte verfassen möchten. Sondern es könnten damit auch Programme, die historische Schriften erkennen können, besser trainiert werden – bisher sind dafür umfangreiche Schriftproben nötig, die jedoch gerade im historischen Kontext häufig nicht vorliegen.
Ausführliche Informationen zu den Ergebnissen finden Sie auf der Webseite des Lehrstuhls und in der Originalpublikation.
Weitere Informationen
Dr. Vincent Christlein
Lehrstuhl für Informatik 5 (Mustererkennung)
Tel.: 09131/85-20281
vincent.christlein@fau.de