Notre-Dame im Wechselbad der Geschichte
Emmy-Noether-Vorlesung am 4. Juni – Interview mit FAU-Alumna Prof. Dr. Barbara Schock-Werner
200 Jahre lang gebaut, geplündert, geschändet, verehrt, verbrannt – die Kathedrale Notre-Dame hat viel erlebt. Darum geht es in der Emmy-Noether-Vorlesung am Donnerstag, 4. Juni, um 18 Uhr, an der FAU, die von Prof. Dr. Barbara Schock-Werner gehalten und via Zoom live übertragen wird. Die Vorlesung ist öffentlich, Interessierte können über den Zoom-Raum teilnehmen.
Die Vorlesung findet zu Ehren der Erlanger Studentin und Mathematikerin Emmy Noether (1882-1935) statt und erinnert an den 15. Juni 1919, als Noether ihre hart erkämpfte Zulassung als Dozentin an einer Hochschule erhielt. Die Vorlesung stellt Frauen vor, die heute erfolgreich als Wissenschaftlerinnen arbeiten. Prof. Dr. Barbara Schock-Werner ist Architektin, Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin, ehemalige Dombaumeister und war als Hochschullehrerin an der FAU tätig. Im Interview spricht sie über ihre Zeit an der FAU und den Wiederaufbau der Kathedrale.
Sie hatten in den 90er-Jahren eine Professur an der FAU inne. Was ist ihnen aus Ihrer Zeit hier besonders in Erinnerung geblieben?
Die Lage des Kunsthistorischen Instituts in der Orangerie im Schlossgarten hat mir immer sehr gut gefallen. Das war ein ganz wunderbarer Ort zum Arbeiten und ich hatte einen besonderen Bezug zu den Studierenden, denn es war ein kleines Institut und wir haben über die schönen Dinge gesprochen. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen war auch sehr gut. Auch vom Eingewobensein der Universität in eine kleine Stadt geht ein besonderer Reiz aus: Erlangen ist so überschaubar und sympathisch. Man ist mit ein paar Schritten in der Stadt und kennt viele Kolleginnen und Kollegen. Als ich an der FAU war, wurde zudem ein Universitätsjubiläum gefeiert und Prof. Dr. Alfred Wendehorst hat einige Vorträge zur Universitätsgeschichte gehalten. Das fand ich ungeheuer spannend.
Freuen Sie sich, wieder an die FAU zurückzukehren?
Ja, das macht mir großen Spaß. In Nürnberg war ich oft, weil ich dort lange gewohnt habe und noch immer viele Freunde habe, in Erlangen jedoch nicht. Daher freue ich mich besonders, auch nochmal nach Erlangen zurückzukehren, durch die Stadt zu laufen und vertraute Orte anzuschauen. Ich werde auf jeden Fall die Orangerie besuchen – wenn auch nur von außen.
Ihr Vortrag heißt „Glanz und Elend. Die Kathedrale Notre-Dame im Wechselbad der Geschichte“ – was hat die berühmte Kirche denn alles seit ihrer Erbauung erlebt?
Die Kirche hatte eine sehr lange Bauzeit, ungefähr 200 Jahre: Begonnen als romanischer Großbau, gotisch überformt, dann barockisiert. Dabei hat sie Altäre und die mittelalterlichen Fenster verloren. Sie hat zwei Revolutionen mitgemacht und wurde geschändet. Durch den Schriftsteller Victor Hugo wurde sie dann – gleichzeitig mit der Wiederentdeckung des Mittelalters – erneut ins Bewusstsein der Menschen geholt und mehr und mehr verehrt. Es gab also ein Auf und Ab in der Geschichte der Kathedrale.
Am 15. April 2019 stand Notre-Dame dann in Flammen. Können Sie einschätzen, wie lange es dauert, die Kirche wiederaufzubauen?
Das ist schwer zu sagen, denn was ist die Definition von „fertig“? Das Gewölbe soll recht schnell wieder geschlossen werden, um der Bevölkerung die Kirche zurückzugeben. Außerdem soll die Standfestigkeit der Kirche wiederhergestellt werden. Das könnte in den vier bis fünf Jahren, die für den Wiederaufbau vorgesehen sind, klappen. Dann müssen jedoch die Wände, die Fenster und der Dachstuhl repariert werden – und das wird noch länger dauern.
In Deutschland haben Kirchen ihre eigenen Dombauhütten mit Handwerkerinnen und Handwerkern, die kontinuierlich Reparaturarbeiten leisten und genau dokumentieren, was verändert wurde. Das ist dann auch eine Art Monitoring, denn bei der ständigen Restauration fallen auch neue Risse oder ähnliches auf. In Frankreich werden solche Restaurierungsarbeiten jedoch anders organisiert als bei uns, was den Wiederaufbau komplizierter gestaltet: Die Kirchen werden zentral von einer Organisation in Paris betreut, für Restaurationsarbeiten werden freie Handwerkerinnen und Handwerker hinzugezogen. Dieses Vorgehen wird jedoch gerade überdacht.
Was sind die besonderen Herausforderungen beim Wiederaufbau?
Es gibt drei große Gewölbefelder, die eingefallen sind. Diese Gewölbe zu sichern, ist eine große Herausforderung. Dann ist die Orgel voller Bleistaub und muss auseinandergenommen und gereinigt werden. Durch die hohen Mengen an Löschwasser ist die Kirche zudem noch feucht – es kann bis zu zehn Jahre dauern, bis sie vollständig getrocknet ist. Dazu kommt noch die Angst, dass durch die Feuchtigkeit Schimmel entsteht. Außerdem gibt es eine Diskussion um den Dachreiter, nämlich ob dieser wie der alte Dachreiter oder doch moderner gestaltet werden soll. Darauf gehe ich auch in meinem Vortrag ein und liefere viele Vergleichsbilder. Das Geld ist jedenfalls kein Problem durch die vielen Spenden – aber mit Geld allein kann man die Kirche nicht restaurieren.
Weitere Informationen:
Dr. Imke Leicht
Büro für Gender und Diversity an der FAU
gender-und-diversity@fau.de