Damit aus einem Reden über China ein Reden mit China wird
FAU-Sinologe Prof. Dr. Marc Matten erhält Momentum-Förderung der VolkswagenStiftung in Höhe von fast 1 Million Euro
Er möchte den Dialog fördern, einen interkulturellen Kommunikationsprozess anstoßen, neue wissenschaftliche Perspektiven öffnen und einen richtungsweisenden interdisziplinären Austausch über Fach- und Staatsgrenzen hinweg auf den Weg bringen. Hinter alledem steht ein Ziel: Marc Matten, Professor für die Zeitgeschichte Chinas an der FAU, will erreichen, dass die Auseinandersetzung mit dem Reich der Mitte auch außerhalb seines Faches nicht mehr nur ein Reden über China ist, sondern zu einem Reden mit China wird.
Neues wagen und mit einer ungewöhnlichen Idee die Perspektiven der eigenen Forschung erweitern – das ist zugleich das Ziel der Förderlinie „Momentum – Förderung für Erstberufene“ der VolkswagenStiftung. Mit seinem Projekt „Writing History with China – Chinese Concepts in Transnational Historiography“ konnte Prof. Dr. Marc Matten deshalb auch die Fachjury überzeugen und erhält eine Förderung für sieben Jahre über rund 930.000 Euro.
Diese wird den FAU-Wissenschaftler dabei unterstützen, eine für ihn grundsätzliche Aufgabe der Sinologie voranzutreiben: „Vieles zu China ist außerhalb der Sinologie leider noch nicht bekannt genug“, betont er. Für Professor Dr. Marc Matten ein Zustand, den es angesichts der Größe und der globalen Bedeutung des Landes zu ändern gilt: „Mein Ansinnen ist es, die Geschichte, Philosophie und alles, was mit dem großen Kulturraum im Fernen Osten zusammenhängt, innerhalb der Universität in die anderen Fachbereiche hineinzutragen, damit China nicht nur in der Sinologie thematisiert wird.“
Dafür will er in den kommenden sieben Jahren insbesondere Publikationen chinesischer Historiker in den Blick nehmen, die ihre Methoden der Geschichtsschreibung zunehmend in englischer Sprache zugänglich machen. „Diese Übersetzungen bieten einerseits wichtige Einblicke in die aktuellen Entwicklungen in den Geschichtswissenschaften in China, verwenden aber Begrifflichkeiten, die für jemanden außerhalb der Sinologie nicht immer verständlich sind“, erklärt Prof. Dr. Marc Matten. „Wenn etwa ein chinesischer Historiker vom Fortschritt schreibt, ist das nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was wir seit der europäischen Moderne darunter verstehen. Auch die Abwandlung ‚Fortschritt mit chinesischen Besonderheiten’ ist nicht unbedingt verständlicher.“
Mit seinem Projekt zielt Matten darauf ab, einen interkulturellen Kommunikationsprozess anzustoßen, der beide Disziplinen zusammenbringt: „Am Ende steht der Wunsch, die aktuell in China diskutierten Ansätze zur Globalgeschichte vorzustellen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie kulturelle Annahmen und politische Rhetorik in beiden akademischen Kulturen Begrifflichkeiten in der Geschichtsschreibung prägen, und zu fragen, wie chinesische Texte zur Weiterentwicklung der Methodologie der Globalgeschichte beitragen können.“
Prof. Mattens Vorhaben ist es, dafür gemeinsam mit chinesischen Kolleginnen und Kollegen – die zu Gastprofessuren an die FAU eingeladen werden – Schlüsseltexte der gegenwärtigen Geschichtsschreibung in China zu übersetzen, zu kommentieren und mit Anmerkungen zu versehen. Er unterstreicht: „Wir wollen über den bloßen Text hinausgehen und dessen Entstehungs- und Rezeptionskontext berücksichtigen.“
Denn für den FAU-Wissenschaftler sind Übersetzungen so aufzubereiten, dass sie auch Wissenschaftskolleginnen und -kollegen nutzen können, die keine Chinesischkenntnisse haben. Zusammen mit einem Handbuch zu Schlüsselkonzepten der modernen chinesischen Geschichtsschreibung sollen diese annotierten Übersetzungen dafür open-access publiziert werden.
Die Förderung der VolkswagenStiftung ermöglicht zudem die Organisation von Workshops an der FAU sowie Forschungsaufenthalte an chinesischen Archiven und Hochschulen für die Mitglieder des Projektteams. Zudem sollen Stellen für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ausgeschrieben werden, die an der Schnittstelle zwischen Sinologie und Geschichtswissenschaften forschen. „Mir geht es insbesondere auch darum, bei den Studierenden die Sensibilität dafür zu stärken, wie chinesische Geschichte vermittelt werden kann“, betont Prof. Matten.
Doch nicht nur die disziplinären Grenzen der Geschichtswissenschaften und der Sinologie will der FAU-Wissenschaftler mit dem geförderten Projekt neu bestimmen. „Mich reizt es, Themen und Fragestellungen, die bislang nicht im normalen Fokus eines Chinabeobachters standen, eine breitere Bühne geben zu können. Verbunden ist damit die Hoffnung, auch die vielfältigen Missverständnisse, die unser China-Bild leider allzu oft dominieren, ausräumen und eine reflektierte Auseinandersetzung ermöglichen zu können.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Marc Matten
Professur für die Zeitgeschichte Chinas an der FAU
marc.matten@fau.de