„Kein perfektes, aber doch ein gutes Semester“
Wissenschaftsminister Bernd Sibler zum Sommersemester 2020
Die Corona-Pandemie wirkt sich spürbar auf das Sommersemester 2020 aus. Im Interview spricht der bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler über das digitale Semester, die kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen, Präsenzveranstaltungen, Prüfungen und das BAföG.
Der Vorlesungsbetrieb musste coronabedingt zunächst rein digital starten. Wie sind die Hochschulen dafür gerüstet?
Das Engagement und der Einsatz der Hochschulfamilie sind überwältigend! Das habe ich in den vergangenen Wochen bei zahlreichen Besuchen an Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Technischen Hochschulen und Kunsthochschulen quer durch ganz Bayern spüren können. Überall werden praktikable und pragmatische Lösungen gefunden. In vielen Gesprächen wurde mir signalisiert, dass alle Beteiligten fest entschlossen sind, den Lehrbetrieb so gut es geht zu ermöglichen. Dass das die Hochschulen vor unglaubliche Anstrengungen stellt und für sie einen großen Kraftakt darstellt, ist völlig klar. Ich denke aber, man kann sagen: Das Semester ist gut angelaufen.
Schon Wochen vor dem regulären Vorlesungsbeginn haben alle zusammengeholfen und konsequent daran gearbeitet, die digitalen Angebote auszuweiten. Das ist eine beispiellose Gemeinschaftsleistung! Unsere Studentinnen und Studenten können auch im Sommersemester 2020 in ihrem Studium weiterkommen. Auch wenn klar ist, dass es kein perfektes Semester wird: Ich bin überzeugt, dass es ein gutes wird! Ich will größtmögliche Verlässlichkeit und Chancengleichheit gewährleisten – bei gleichzeitig größtmöglicher Sicherheit. Es sollen keine Nachteile für unsere Studentinnen und Studenten entstehen.
Und wie sieht es nach Corona aus: Wird das digitale Semester die Lehre langfristig verändern?
Nach dem Sommersemester werde ich gemeinsam mit der Hochschulfamilie eine Reflexionsrunde starten, um Bilanz zu ziehen: Welche neuen Möglichkeiten haben sich ergeben? Was hat bei der digitalen Lehre gut geklappt? An welchen Schrauben müssen wir noch drehen und wo stoßen wir an Grenzen? Auch wenn sich viele Online-Angebote sicher dauerhaft durchsetzen werden, gehen einem die persönlichen Begegnungen, der unmittelbare Austausch auf dem Campus und im Hörsaal und Präsenzangebote zum Studium und zum Hochschulalltag doch ab.
Aber mit Blick auf die Chancen erwarte ich mir durchaus einen kräftigen digitalen Schub für unsere Hochschulen!
Nicht nur die Lehre hat sich vom Campus ins Homeoffice verlagert, auch der Vorlesungszeitraum hat sich verschoben. Wie sehen die Regelungen im Einzelnen aus?
Jetzt wird es etwas technisch: An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, den Technischen Hochschulen, den Kunsthochschulen und den Universitäten hat der Vorlesungsbetrieb am 20. April 2020 begonnen. Das Ende der Vorlesungszeit an den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Technischen Hochschulen fällt auf den 7. August 2020. Die Vorlesungszeit kann von den Universitäten um bis zu zwei Wochen verkürzt werden, von den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und den Technischen Hochschulen um bis zu vier Wochen. Für die Kunsthochschulen gelten eigene Vorgaben für die Verkürzung der Vorlesungszeit.
Voraussetzung für eine Verkürzung durch die jeweilige Hochschule ist, dass der für das Semester vorgesehene Unterrichtsstoff in der Vorlesungszeit mit entsprechend verdichteter Stundenzahl oder auf andere Weise unter Beachtung der Studierbarkeit angeboten wird. Jede Hochschule kann das für sich passgenau regeln.
Das Sommersemester endet – wie üblich – mit dem 30. September.
Welche Konsequenzen hat der Ausfall von Präsenzveranstaltungen auf Prüfungen?
Bei Prüfungen im Sommersemester 2020 bemühen sich unsere Hochschulen darum, für ihre Studentinnen und Studenten praktikable Formate zu finden. Mein Rat ist, diese Angebote auch anzunehmen. Die hochschulischen Prüfungen, die im Sommersemester 2020 abgelegt werden, zählen.
Was mir dabei wichtig ist: Wem das nicht möglich ist, dem dürfen keine Nachteile aufgrund prüfungsrechtlicher Regeltermine und Fristen sowie der Regelstudienzeit entstehen. Wir arbeiten deshalb unter Hochdruck an einer Regelung, nach der sich Fachsemester- bzw. Regelstudienzeiten-gebundene Regeltermine und Fristen automatisch verschieben bzw. verlängern.
Nicht ganz unwichtig ist ja auch die Frage nach dem BAföG. Welche Folgen ergeben sich aus der Verschiebung des Vorlesungsbeginns im Sommersemester 2020?
Bei der Verschiebung des Vorlesungsbeginns war mir extrem wichtig, für unsere Studentinnen und Studenten, die BAföG bekommen, eine schnelle Lösung zu finden. Deshalb habe ich mich sofort an meine Amtskollegin im Bund gewandt. Kurz darauf, am 12. März, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung erklärt, dass pandemiebedingte kurzfristige Schließungen von Ausbildungsstätten und die Verlängerungen von vorlesungsfreien Zeiten förderungsrechtlich unschädlich sind. Das freut mich natürlich sehr.
Ist die Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen noch in diesem Sommersemester denkbar?
Eine Öffnung der Hochschulen und ein üblicher Lehrbetrieb noch in diesem Sommersemester erscheinen mir aktuell eher unwahrscheinlich. Aber wir müssen die Entwicklung der Infektionszahlen aufmerksam beobachten und entsprechend auf Sicht fahren.
Übrigens: Bestimmte Praxisveranstaltungen sind an den Hochschulen seit dem 27. April – im Einzelfall – unter strengen Hygienemaßnahmen möglich.
So dürfen zum Beispiel an den Kunsthochschulen auf der Grundlage eines mit dem Gesundheitsministeriums abgestimmten Hygienekonzepts Studentinnen und Studenten wieder die Hochschulräume nutzen, um zu üben, musikalischen Unterricht zu erhalten oder in Studienwerkstätten und Technikräumen zu arbeiten. Selbstverständlich müssen dabei alle allgemeinen Vorgaben und Empfehlungen zur Hygiene und zum Infektionsschutz eingehalten werden. Denn nach wie vor gilt: Der Schutz der Gesundheit geht vor.
Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf das Wintersemester 2020/2021: Wird sich auch der Beginn der Vorlesungszeit verschieben?
Darüber beraten derzeit die Länder auf Ebene der Kultusministerkonferenz. Dabei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, z. B. die Bewerbungsfristen für zulassungsbeschränkte Studiengänge.
Was übrigens bald beschlossen werden soll: Der Bewerbungsschluss für zulassungsbeschränkte Studiengänge wird für das Wintersemester 2020/2021 der 20. August sein. Damit haben Abiturientinnen und Abiturienten trotz der Verschiebung der Abiturprüfungen noch genug Zeit, um sich zu bewerben. Für die Immatrikulation in nicht zulassungsbeschränkte Studiengänge gilt weiterhin die Einschreibung vor Beginn des Wintersemesters.
Welche Überlegungen gibt es, um Studentinnen und Studenten bei der Kinderbetreuung noch besser zu entlasten?
Es war mir persönlich ein großes Anliegen, hier vor allem alleinerziehenden Studentinnen und Studenten unter die Arme zu greifen. Ich freue mich, dass wir gemeinsam dieser Zielgruppe ermöglichen konnten, die Kindernotbetreuung in Anspruch zu nehmen.
Was ist ihr abschließender Wunsch für dieses Semester?
Was sonst als: Bleiben Sie gesund! Und blicken Sie zuversichtlich nach vorne und nutzen Sie die Chancen, die Ihnen trotz aller Herausforderungen dieses Semester bietet!