COVID-19: Neueinstellungen subventionieren

Christian Merkl
Prof. Dr. Christian Merkl, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik, an der FAU. (Bild: FAU/Giulia Iannicelli)

Arbeitsmarktforscher der FAU fordert, die Konjunkturmaßnahmen der Regierung zu ergänzen

Um die drastischen Auswirkungen von COVID-19 auf die Volkswirtschaft abzufedern, hat die deutsche Regierung ein Milliardenpaket geschnürt. Allerdings zielen Maßnahmen wie Kurzarbeit und Liquiditätsunterstützung vorrangig auf die Sicherung bestehender Arbeitsverhältnisse. Prof. Dr. Christian Merkl, Arbeitsmarktforscher der FAU, und Prof. Dr. Enzo Weber, der an der Universität Regensburg und am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg forscht, halten das für unzureichend und fordern in einem aktuellen Aufsatz eine Subventionierung von Neueinstellungen.

COVID-19 bringt Volkswirtschaften und Arbeitsmärkte weltweit in den Ausnahmezustand. Vor allem die Schließung bestimmter Wirtschaftszweige und die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit stellen eine völlig neue Herausforderung dar. Die Politik reagiert mit einem milliardenschweren Programm, das vorrangig auf die Sicherung existierender Arbeitsplätze und Unternehmen zielt. „Kurzarbeit kann insbesondere in schweren Rezessionen eine wirksame Maßnahme zur Verhinderung des Verlusts von Arbeitsplätzen sein“, sagt Prof. Dr. Christian Merkl vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik, der FAU. „Das haben makroökonomische Studien beispielsweise nach der Finanzkrise 2009 gezeigt.“

Zurückhaltung bei Einstellungen treibt Arbeitslosenquote in die Höhe

Dennoch hält Merkl die Rettungsmaßnahmen der deutschen Regierung für unzureichend, weil sie einen wichtigen Aspekt der Arbeitsmarktdynamik unberücksichtigt lassen: die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Deutschland wurden 2019 rund zwei Millionen arbeitslose Menschen eingestellt – eine Zahl in der Größenordnung des Arbeitslosenbestands. „Selbst wenn wir annehmen, es käme infolge der Krise nicht zu vermehrten Entlassungen, hätte ein zu erwartender deutlicher Rückgang bei Neueinstellungen infolge wirtschaftlicher Verunsicherung fatale Folgen“, erklärt der Ökonom.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Enzo Weber vom IAB hat Christian Merkl nachgerechnet: Wenn die Zahl der Einstellungen beispielsweise um zwei Drittel zurückgeht und 18 Monate andauert, verdoppelt sich die Arbeitslosenquote. Dieses Szenario berücksichtigt aber verschiedene Aspekt noch nicht: Erstens setzt es voraus, dass Abgänge in Arbeitslosigkeit auf Vorkrisenniveau bleiben. Zweitens lässt es die Nichtbeschäftigten unberücksichtigt, die normalerweise ebenfalls in den Arbeitsmarkt integriert werden – etwa nach dem Verlassen des Bildungssystems oder bei der Rückkehr aus der Elternzeit. Merkl: „Dies zeigt deutlich, dass es für politische Entscheidungsträger nicht ausreicht, ihre politischen Maßnahmen ausschließlich auf den Erhalt aktueller Arbeitsverhältnisse zu konzentrieren.“

Vorschlag: Rettungsfonds für Neueinstellungen

Die Nürnberger Arbeitsmarktforscher schlagen deshalb vor, einen „Rettungsfonds für Neueinstellungen“ einzurichten. Als direkte und einfach umzusetzende Subventionierung sollte Arbeitgebern die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Neubeschäftigte innerhalb eines befristeten Zeitraums erlassen werden. Die fehlenden Einnahmen für das Sozialversicherungssystem sollten mit Steuergeldern ausgeglichen werden. „Einstellungssubventionen senken unmittelbar die Kosten der Unternehmen und wirken dem zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegen“, erklärt Christian Merkl. „Empirische Belege, etwa aus Frankreich, zeigen, dass ein vorübergehender Einstellungszuschuss erhebliche positive Beschäftigungseffekte hat.“ Auch Start-ups, bei denen Mitarbeiter generell neu eingestellt werden, würden mit Einstellungszuschüssen in Krisenzeiten automatisch unterstützt werden.

Beschäftigungsimpulse trotz Mitnahmeeffekten

Wie jede Subventionierung birgt auch die Bezuschussung von Einstellungen die Gefahr von Missbrauch und Mitnahmeeffekten. Deshalb sollten Fälle ausgeschlossen werden, in denen die betroffene Person erst kürzlich ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber beendet hat. Darüber hinaus müssten subventionierte Arbeitsverhältnisse für einen bestimmten Zeitraum aufrechterhalten werden. „Natürlich würde der Einstellungszuschuss auch in vielen Fällen gewährt, in denen die Einstellung ohnehin erfolgt wäre“, sagt Christian Merkl. „Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die positiven Impulse die negativen Effekte bei weitem überwiegen.“ Die Forscher halten es für unwahrscheinlich, dass Einstellungssubventionen das Lohnniveau unmittelbar verändern würden – erstens wäre die Maßnahme zeitlich begrenzt, zweitens seien in Deutschland Mindestlöhne verankert und Tarifverträge weit verbreitet.

Merkl: „Sofortrettungspakete für bestehende Arbeitsplätze und Unternehmen wurden bereits auf den Weg gebracht. Ein Unterstützungsprogramm für Neueinstellungen wäre ein wichtiger nächster Schritt, um einen Zusammenbruch des Arbeitsmarktes zu verhindern.“

Originalpublikation

Rescuing the labour market in times of COVID-19: Don’t forget new hires!

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Christian Merkl
christian.merkl@fau.de