Versorgung von Menschen mit Demenz: zu späte Diagnose und hohe Pflegebelastung

Krankenschwester hält die Hand eines Rentners
Bild: Colourbox.de

FAU-Forschungsteam veröffentlicht Studien zur Situation von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen

In Deutschland leben zurzeit rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz, bis zum Jahr 2050 wird die Zahl nach Schätzungen auf 2,7 Millionen ansteigen. Doch die Versorgung der Betroffenen im Alltag weist gravierende Mängel auf, wie aktuelle Forschungserkenntnisse der FAU und des Universitätsklinikums Erlangen zeigen. Die Studien beleuchten etwa die oftmals zu späte Diagnosestellung, die hohe Belastung der pflegenden Angehörigen und die mangelhafte Versorgung kurz vor dem Tod.

Erstmals liegen damit bevölkerungsbasierte Daten zur Demenz-Versorgung im Alltag vor. Die Untersuchungen basieren auf dem Bayerischen Demenz Survey (BayDem), der 2015 bis 2017 in Dachau, Erlangen und Kronach durchgeführt und vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert wurde. Dafür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund 700 Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen mehrfach befragt. Ihre Ergebnisse haben sie in fünf Studien veröffentlicht:

Zu spät erkannt

Demenzerkrankungen werden häufig erst spät erkannt, wie eine Untersuchung der FAU zeigt. So dauerte es bei der Hälfte der Befragten nach dem Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung fast anderthalb Jahre. Eine rechtzeitige Demenz-Diagnose ist für Menschen mit Demenz – und ihre Angehörigen – jedoch essenziell, um noch selbstbestimmt über anstehende Fragen zu entscheiden und Maßnahmen einzuleiten, die sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken können.

Weiterführende Informationen gibt es in der Kurzfassung der Studie sowie in der vollständigen Studie.

Pflege: Frauen stärker belastet als Männer, Kinder stärker als Partnerinnen und Partner

Säulendiagramm, das zeigt, wie sehr die Pflege von Menschen mit Demenz Angehörige belastet
Prozentuale Veränderung der Zustimmung der teilnehmenden pflegenden Angehörigen zu der Aussage «Die Unterstützung/ die Pflege kostet viel von meiner eigenen Kraft» im Zeitraum von einem Jahr auf Basis der Ergebnisse der „Häuslichen-Pflege-Skala (kurz)“. (Grafik: FAU / Bayerischer Demenz Survey (BayDem))

Rund zwei Drittel der Menschen mit Demenz werden zuhause von Angehörigen versorgt. Durch die Belastung werden diese jedoch häufig selbst krank und so zum „zweiten unsichtbaren Patienten“. Eine aktuelle Studie der FAU zeigt, welche Faktoren die Pflegebelastung beeinflussen. Ein Ergebnis: Frauen fühlen sich stärker belastet als Männer, Kinder stärker als Ehepartnerinnen und -partner. Am schwierigsten für die Angehörigen ist, wenn sich das Verhalten der Betroffenen verändert und die Alltagsfähigkeiten sich verschlechtern.

Weiterführende Informationen gibt es in der Kurzfassung der Studie und in der vollständigen Studie.

Angehörige nehmen nur selten Unterstützungsleistungen in Anspruch

Es gibt zahlreiche Entlastungsangebote für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz. Doch sie werden nur selten in Anspruch genommen, wie eine Studie der FAU zeigt. Durch die Pflege ihrer Familienmitglieder fühlten sich rund 37 Prozent der befragten Angehörigen schwer belastet. Trotzdem nahmen zu Studienbeginn nur etwa 36 Prozent der Menschen aus dem ländlichen Raum einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch, bei der städtischen Bevölkerung waren es rund 27 Prozent. Angebote wie Ergotherapie, Tagespflege oder hauswirtschaftliche Hilfen wurden noch deutlich seltener genutzt.

Weiterführende Informationen gibt es in der Kurzfassung der Studie und in der vollständigen Studie.

Menschen mit Demenz werden vor ihrem Tod vom System allein gelassen

Wie werden Menschen mit Demenz in ihrer letzten Lebensphase versorgt? Woran sterben sie – und wo? Eine aktuelle Untersuchung der FAU hat gravierende Defizite aufgedeckt: Es gibt keine angemessene Palliativversorgung für Betroffene. Kein einziger der Probandinnen und Probanden war auf einer Palliativstation verstorben oder spezialisiert palliativ versorgt worden. Da das Konzept der Palliativversorgung für Krebspatientinnen und -patienten entwickelt wurde, fehlen evidenzbasierte Leitlinien für den Demenz-Bereich.

Weiterführende Informationen gibt es in der Kurzfassung der Studie und in der vollständigen Studie.

Demenz im Pflegeheim: Dämpfende Arzneimittel erhöhen Sturzgefahr

Wenn eine Demenzerkrankung weit fortgeschritten ist, lässt sich der Übergang in ein Pflegeheim häufig nicht mehr vermeiden. Aufgrund ihrer Symptome und begleitender Erkrankungen erhalten Menschen mit Demenz dort oft eine Vielzahl von Medikamenten. Eine Untersuchung der FAU und des Universitätsklinikums Erlangen belegt einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von zentralnervös dämpfenden Arzneimitteln und Stürzen mit behandlungsbedürftiger Verletzungsfolge.

Weiterführende Informationen gibt es in der Kurzfassung der Studie und in der vollständigen Studie.

Weitere Informationen:

Kathrin Seebahn
digiDEM Bayern
Tel.: 09131/85-34816
kathrin.seebahn@fau.de