Über Fluchtwege und den Versuch eine neue Heimat zu finden
Eine Ausstellung, die Geflüchtete ihre Geschichte erzählen lässt
Wie viel kostet es nach Deutschland zu fliehen? Welchen Fragen müssen sich Geflüchtete in einer Anhörung innerhalb des Asylverfahrens stellen? Und wie sah das Leben vor ihrer Flucht aus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die FAU-Ausstellung „Spieglein, Spieglein an der Wand… Fluchtwege und Lebenswege im Porträt“, die noch bis zum 10. März in der Stadtbibliothek Erlangen zu sehen ist. Im Rahmen eines Seminars haben Studierende der FAU an der Ausstellung mitgewirkt und dafür geflüchtete Menschen interviewt. Hannah Schreyer, Politikstudentin im 5. Mastersemester, erzählt mehr.
Frau Schreyer, um was geht es in der Ausstellung?
Es sind Porträts von geflüchteten Menschen ausgestellt, die aus sieben verschiedenen Herkunftsländern – darunter Syrien, Äthiopien oder Afghanistan – kommen. Auf der Rückseite der Porträts sind ihre ganz persönlichen Geschichten skizziert. Man erfährt, woher diese Menschen stammen, weshalb sie ihre Heimat verlassen mussten und wie es ihnen bisher in Deutschland ergangen ist. Zusätzlich gibt es noch verschiedene Schautafeln und Infografiken, die wesentliche Informationen zu Fluchtursachen, Fluchtrouten oder zum Asylverfahren darstellen. Besonders spannend ist auch die Anhörungssimulation. Hier erfährt man, welche Fragen auf Geflüchtete bei Asylanträgen zukommen – zum Beispiel was den Betroffenen vor ihrer Flucht wiederfahren ist oder wie viel die Flucht letztendlich gekostet hat. Dabei bekommt man auch noch einmal einen detaillierten Einblick in das Leben dieser Menschen.
Wie ist die Ausstellung zu Stande gekommen?
Initiiert wurde die Ausstellung von FAU INTEGRA – das Forum für Integration und interkulturellen Dialog der FAU. Als im Sommersemester 2019 Prof. Dr. Petra Bendel das Seminar „Safe Passage – Safe Harbours“ angeboten hat, ist Elzbieta Kocur von FAU-INTEGRA auf uns zugekommen und hat uns gefragt, ob wir uns an der Ausstellung wissenschaftlich beteiligen möchten. Im Rahmen des Seminars haben wir uns dann ein Konzept überlegt, die portraitierten Geflüchteten interviewt und die Schautafeln mit den wissenschaftlichen Informationen erstellt. Die Porträts wurden von der Berliner Fotografin Heike Steinweg gemacht.
Wie sah die Zusammenarbeit mit den Geflüchteten aus?
Alle waren sehr engagiert. Man hat richtig gemerkt, dass sie sich freuen, ihre Geschichten erzählen zu können und auch gehört zu werden. Wir haben von vornherein klargestellt, dass niemand etwas berichten muss, was sie oder er nicht möchte. Die Geflüchteten haben die Fragen auch im Vorfeld erhalten. So waren sie auf die Interviews vorbereitet und konnten sich überlegen, wie viel sie von sich preisgeben wollen. Da ich für meine Kommilitoninnen und Kommilitonen die Interviews organisiert habe, stand ich mit den Geflüchteten in sehr engem Austausch und habe viel von ihnen erfahren. Mit einigen – mit Abiy zum Beispiel – habe ich mich auch angefreundet. Er kommt aus Äthiopien, hat dort Psychologie studiert und als Musiktherapeut in NGOs gearbeitet. Leider wurde sein Asylantrag nicht anerkannt, weshalb er nur für unbestimmte Zeit in Deutschland bleiben darf.
Was ist das Ziel der Ausstellung?
In erster Linie möchten wir informieren. Die Ausstellung ist bewusst einfach gehalten und richtet sich an alle Menschen. Außerdem möchten wir durch die Ausstellung zeigen, dass jede und jeder der Porträtierten eine eigene Geschichte hat. Zu häufig werden geflüchtete Menschen als eine homogene Gruppe gleichgesetzt. In der Öffentlichkeit ist oft die Rede von „den Flüchtlingen“. Doch sie sollen als Individuen wahrgenommen werden – als Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, denen man auf Augenhöhe begegnet. Das ist auch der Grund, wieso die Porträts in Lebensgröße angefertigt wurden.
Welche Geschichte oder welches Portrait bewegt Sie am meisten?
Von den Geschichten, die die Menschen erzählt haben, berühren mich alle gleichermaßen. Was mir besonders nahe geht, ist, dass einige der Interviewten nur geduldet werden und deshalb nur auf unbestimmte Zeit – niemand weiß wie lange – hier in Deutschland bleiben dürfen. Auch das Dublin-Verfahren macht mich wirklich wütend. Es ist mir schleierhaft, weshalb man das nicht schon längst reformiert hat. Aber es gibt auch schöne Geschichten. Fateh, der ursprünglich aus dem Iran kommt, macht gerade ein Praktikum bei adidas. Als sein Asylantrag bewilligt wurde, hat er seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht. Diese hat natürlich ja gesagt – also gleich zwei bewilligte Anträge auf einmal.
Die Ausstellung ist noch bis Dienstag, 10. März in der Stadtbibliothek Erlangen zu sehen. Sie ist wochentags, außer mittwochs, von 10.00 bis 18.30 Uhr und samstags von 10.00 bis 14.00 Uhr geöffnet.