Sechs Meter Sicht: Dünndarmspiegelung mit Spiralenteroskop
Eines von deutschlandweit drei Instrumenten in Erlangen im Einsatz – bessere Dünndarmdiagnostik und kürzere Untersuchungsdauer
Antje U. aus Schwarzenbruck war am Ende: Anderthalb Jahre lang hatte sie immer wieder Darmblutungen. Bei ihren Toilettengängen verlor sie so viel Blut, dass ihr Eisenwert abstürzte und sie sich nur noch schlapp fühlte. Dazu kam die Angst: Der Vater der 54-Jährigen hatte Darmkrebs – war sie selbst auch betroffen? Nach strapaziösen Monaten ließ sich Antje U. von Prof. Dr. Timo Rath in der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie des Universitätsklinikums Erlangen untersuchen – mit einem neuen Endoskop, das es in ganz Deutschland nur dreimal gibt.
„Im Mai 2018 ging das los“, berichtet Antje U. „Ich hatte gerade Spätdienst und als ich auf die Toilette ging, kam nur Blut“, so die Krankenschwester. Sie ließ sich gleich vor Ort in „ihrer“ Klinik durchchecken. In den kommenden Wochen folgten etliche Darm- und Magenspiegelungen – doch weder die noch eine Magnetresonanztomografie konnten Darmdivertikel bestätigen. Diese Ausstülpungen der Darmwand hatten die Ärzte zunächst als Ursache für die Blutungen vermutet.
Fünf Monate lang war Antje U. krankgeschrieben. Im Januar 2020 verlor die 54-Jährige schließlich so viel Blut, dass sie in die Notaufnahme des Klinikums Nürnberg gebracht werden musste. „Der Hämoglobinwert, also der rote Blutfarbstoff, liegt normalerweise bei 12. Bei mir war er bis auf 6,1 gesunken“, schildert die Krankenschwester die dramatische Situation. Antje U. bekam gleich zwei Blutkonserven.
Spirale statt Ballons
Mittels einer Kapselendoskopie kamen die Ärzte in Nürnberg der Ursache näher: Antje U. schluckte eine kleine Videokapsel. Die passierte den Verdauungstrakt und sammelte dabei Bilder von mehreren Blutungen im Dünndarm. „Aber die Kapsel kann leider nicht anhalten, wenn sie eine auffällige Stelle sieht, und eine Therapie ist mit ihr auch nicht möglich. Da müssen wir danach mit dem Endoskop hin“, erklärt Oberarzt Prof. Rath.
Den Dünndarm untersuchten Gastroenterologen bisher mithilfe der Doppelballon-Enteroskopie: Dabei werden zwei kleine Ballons nacheinander aufgeblasen und wieder entleert, sodass sich der Untersuchungsschlauch langsam in den Darm hineinschiebt. Doch die Methode ist sehr aufwendig und zeitintensiv, weshalb Ärzte den Dünndarm oft nicht mit einem Mal untersuchen können oder tieferliegende Abschnitte gar nicht erreichen.
Timo Rath verwendete deshalb bei seiner Patientin Antje U. ein Spiralenteroskop: Mit diesem neuen speziellen Endoskop kann er den gesamten drei bis sechs Meter langen Dünndarm einsehen. „Bei 15 Prozent der Patienten lässt sich dieser Darmabschnitt damit innerhalb einer Stunde komplett untersuchen“, sagt Timo Rath. Seit Kurzem ist in Erlangen eines von bundesweit nur drei solcher Geräte im Einsatz.
Motorisiert und behutsam
Über den Arbeitskanal des Spiralenteroskops können die Ärzte zum Beispiel Biopsien entnehmen oder Darmpolypen entfernen. Bei Antje U. war allerdings eine Krampfader im Dünndarm geplatzt. Die 54-Jährige wurde als eine der Ersten am Uni-Klinikum Erlangen mit dem neuen Instrument untersucht. „Wir haben bei ihr insgesamt vier Stellen im Dünndarm verödet und damit die Blutungen gestoppt“, erklärt Prof. Rath.
Je nachdem, an welcher Stelle das Problem liegt und welcher Zugangsweg kürzer ist, kann die Spiegelung über den Darm oder auch über den Mund erfolgen. Das Spiralenteroskop arbeitet motorgesteuert: Behutsam fädelt eine flexible Spirale den Dünndarm Stück für Stück auf das Arbeitsinstrument auf. „Das Enteroskop lässt sich per Fußschalter aktivieren und sehr gut im Darm nach vorn und zurück manövrieren. Bei zu viel Widerstand stoppt der Motor automatisch“, beruhigt Prof. Rath.
Als eines von europaweit 13 Zentren nimmt das Uni-Klinikum Erlangen jetzt an einer Registerstudie teil, die umfassende Daten zur Diagnostik und Therapie mit dem Spiralenteroskop erhebt.
Als Krankenschwester war Antje U. natürlich nach ihrer Behandlung sehr neugierig, welchem Gerät sie die erfolgreiche Therapie verdankt. „Ich hätte es mir viel länger vorgestellt“, sagt sie, als sie sich das Spiralenteroskop zusammen mit Timo Rath ansieht. Seit Februar 2020 kann Antje U. nun wieder arbeiten, die Blutungen sind passé. „Der Eingriff in Erlangen war die letzte Hoffnung, ohne eine große OP geheilt zu werden. Wir Krankenschwestern sind hart im Nehmen, aber ich bin überglücklich, dass das jetzt ein Ende hat.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Timo Rath
Tel.: 09131 85-35208
timo.rath@uk-erlangen.de