Licht auf der dunklen Seite des Mondes
Prof. Dr. Enrique Zuazua untersucht die Welt der Wellen und versucht Theorie und Praxis zu verbinden
Ein Tag ohne Mathematik? Das bedeutet: Aufwachen ohne Wecker, keine Telefongespräche, keine Navigationsgeräte, sogar das Datum besteht aus Zahlen. Ohne, dass wir es bemerken, begegnen wir ständig der Mathematik. Doch sie kann nicht nur unser alltägliches Leben erleichtern, sondern uns auch helfen, die Welt, in der wir leben, besser zu verstehen. Das weiß auch Prof. Dr. Enrique Zuazua, der seit 2019 eine Alexander-von Humboldt-Professur an der FAU innehat: „Wer eine Welle betrachtet, erkennt, dass sie eine identifizierbare Form hat, die sich fortbewegt und ihre Form dabei mehr oder weniger beibehält. Es kann eine Meereswelle, ein Nervenimpuls, eine Schockwelle oder das Blut sein, das in unseren Adern fließt. Die Welt ist eine Ansammlung von Formen in Bewegung“, erklärt Prof. Zuazua, „Mithilfe der Mathematik und den Naturwissenschaften hat der Mensch eine anspruchsvolle technologische Gesellschaft aufgebaut. In dieser Welt sind überall Wellen, von diskreter Natur, doch voller Daten, zu finden. Die Mathematik muss Werkzeuge entwickeln, damit wir dieses neue Universum verstehen und damit umgehen können.“
Die Sprache der Mathematik
Doch auch die Sprache der Mathematik muss – wie wenn jemand sich Deutsch, Spanisch oder Französisch aneignet – erst gelernt werden: „Die Mathematik ist wie der Mond, sie hat eine helle und eine dunkle Seite. Ohne ein gewisses Verständnis, sind nur Formeln zu sehen – die dunkle Seite. Sobald aber Kenntnisse hinzukommen, die Sprache der Mathematik erlernt wird, versteht man die Logik dahinter – es wird hell“, sagt Prof. Zuazua.
Er selbst beschäftigt sich mit der angewandten Mathematik. Diese verbindet die Mathematik des Papiers mit der des Computers. Sie wird verwendet, um bereits Vorhandenes zu verbessern – zum Beispiel das Design von Flugzeugen oder Zügen. „Mathematik ist etwas, das ich schon immer gemocht habe“, erzählt Prof. Zuazua. Aber er mag die Mathematik nicht nur, er hat auch Talent dafür. „Man mag das mehr, was man gut kann – und bis heute bin ich der Mathematik treu geblieben“.
Mittlerweile gehört er zu den führenden Köpfen im Bereich der angewandten Mathematik, doch die Berufswahl war nicht immer ganz klar. Im Jahr 1979, als er 17 Jahre alt war, stellte er sich die Frage, welches Fach er studieren soll. Zu dieser Zeit hatte die Mathematik in Spanien keinen guten Ruf, sie war marginal. Die einzige Jobaussicht: Mathelehrer. Angesehene Studiengänge hingegen waren beispielsweise Medizin, Jura oder Maschinenbau. Zu Letzterem riet ein Verwandter, da auch Ingenieurinnen und Ingenieure gute Mathematikkenntnisse brauchen. Oder sollte er doch lieber Wirtschaftswissenschaften mit ihren soziologischen Anteilen studieren? „Ich bin unter Franco aufgewachsen. Er starb, als ich 14 Jahre alt war. Meine ganze Generation war daher sehr politisch interessiert – der Duft der Revolution lag in der Luft“, erklärt Zuazua. Letztendlich war es sein Bruder, der ihn vom Mathematikstudium überzeugte, indem er ihn gefragt hat, was ihm denn am besten gefällt. Die Antwort: ganz klar die Mathematik.
Eines der Hauptziele […] ist es, einen Beitrag an der Schnittstelle zwischen der Natur und den Datenwissenschaften zu leisten.
Mathematisch die Welt verbessern
Seine Forschung an der FAU soll vor allem die Theorie und die Praxis verbinden. Prof. Zuazua beschäftigt sich unter anderem mit der Kontrolltheorie. Dieses Forschungsfeld betrachtet verschiedenste Prozesse. Ziel ist es, diese stetig zu verbessern, besser modellieren und simulieren zu können. Gerade in Bezug auf die klimatischen Veränderungen der Welt ist diese Forschung gefragter denn je, wenn es darum geht, Naturphänomene vorherzusagen. Aber auch Stromnetze oder sogar unser soziales Verhalten können Forschende simulieren. „Eines der Hauptziele unseres Lehrstuhls ist es, einen Beitrag zur Mathematik an der Schnittstelle zwischen der Natur und den Datenwissenschaften zu leisten. Die FAU – mit ihrer reichhaltigen Expertise in den Natur- und Informatikwissenschaften, dem Ingenieurwesen und ihrem innovativen Geist – ist der richtige Ort, um dies zu tun“, sagt Prof. Zuazua.
Zum Forschen brauchen er und alle anderen Mathematiker und Mathematikerinnen im Grunde nur einen Stift und Papier, gegebenenfalls noch einen Computer. Doch die FAU bietet viel mehr – ein gutes Umfeld, die Zusammenarbeit mit Kollegen und Studierenden, die wissbegierig sind, irgendwann selbstständig werden und die heutige Forschung noch weiter vorantreiben. Prof. Zuazua lobt die Universitätsleitung, die die Innovationskraft der FAU fördert, sowie die Zusammenarbeit mit der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.
Nicht nur die Universität, auch die Stadt Erlangen hält für Prof. Zuazua einige Vorteile bereit: Alles ist mit dem Rad erreichbar, sie ist eine freundliche und sichere Stadt. Außerdem verfügen Erlangen, Nürnberg und die Region über viel Industrie – ein großer Pluspunkt für die Forschung. Allein die deutsche Sprache ist noch etwas gewöhnungsbedürftig: „Ich spreche vier Sprachen fließend, habe aber Deutsch nie gelernt. Zwar müsste ich das auch nicht, weil jeder hier Englisch spricht, würde es aber gerne und nehme daher Deutschunterricht.“ Die Sprache der Mathematik spricht Prof. Zuazua jedenfalls ganz sicher.
Dieser Beitrag erschien zuerst im FAU-Magazin „alexander“. Sie können den alexander auch als PDF herunterladen. Gerne können Sie sich das Magazin auch kostenlos nach Hause oder an den Arbeitsplatz schicken lassen. Bitte füllen Sie dafür unser Abo-Formular aus.
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