Therapien objektiv begleiten
Medizinteam der FAU nutzt optoakustische Bildgebung für das Monitoring von Muskelerkrankungen
Medizinerinnen und Mediziner der FAU haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich das Stadium neuromuskulärer Erkrankungen objektiv und zuverlässig abbilden lässt. Am Beispiel der Duchenne-Muskeldystrophie, einer Erbkrankheit im Kindesalter, zeigten sie, dass die multispektrale optoakustische Tomographie (MSOT) der herkömmlichen Bildgebung durch MRT und Ultraschall überlegen ist. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Jedes 5000. Kind betroffen
Sie ist eine der häufigsten erblich bedingten Muskelkrankheiten: Durchschnittlich jedes 5000. Kind, fast ausschließlich Jungen, leidet an der Muskeldystrophie des Typs Duchenne (DMD). Durch einen genetischen Defekt wird bei den Betroffenen kein Dystrophin gebildet – ein Strukturprotein, das essenziell für die Muskelzelle ist. Im Laufe der Erkrankung, die im Alter zwischen drei und fünf Jahren klinisch sichtbar wird, werden Muskelfasern zunehmend durch Fett- und Bindegewebe ersetzt. Die jungen Patientinnen und Patienten zeigen zunächst eine Schwäche der Becken- und Oberschenkelmuskulatur, später sind auch Atemmuskulatur und Herz betroffen. Es kommt zu schmerzhaften Fehlstellungen von Gelenken und Knochenverformungen, spätestens in der Pubertät sind die meisten auf einen Rollstuhl angewiesen. Auch wenn es erste gentherapeutische Ansätze gibt – eine Heilung ist bislang nicht möglich. Die Behandlung konzentriert sich vor allem auf unterstützende Maßnahmen.
Keine Biomarker, die Krankheitsverlauf anzeigen
Eine exakte Dokumentation des Krankheitsverlaufs und möglicher Therapieerfolge ist schwierig, weil bei der DMD entsprechende Biomarker fehlen. Als bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Patienten kommen überwiegend die Magnetresonanztomographie (MRT) und Ultraschall zum Einsatz – im Falle der DMD ist das in mehrfacher Hinsicht unbefriedigend: Zum einen kann bei Kindern zumeist erst ab dem fünften Lebensjahr eine MRT ohne Narkose durchgeführt werden. Zum anderen liefern sowohl MRT als auch Ultraschall zwar Bilder der anatomischen Struktur, aber nicht auf zellulärer oder gar molekularer Ebene. Außerdem sind die Medizinerinnen und Mediziner auf klinische Funktionstests und die subjektive Einschätzung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten angewiesen. „Wir waren bislang eigentlich mehr oder weniger nur Zuschauer in diesem Prozess“, sagt Dr. Ferdinand Knieling von der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums Erlangen. „Deshalb haben wir nach einer Methode gesucht, den Krankheitsverlauf objektiv und zuverlässig bestimmen zu können.“
Licht und Schall machen Moleküle sichtbar
Diese Methode hat ein Team der Kinder- und Jugendklinik und der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie – des Universitätsklinikums Erlangen sowie des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität München nun offenbar gefunden: In aufwändigen Tests – zunächst an Schweinen, später an betroffenen Patientinnen und Patienten – hat die Arbeitsgruppe untersucht, inwieweit sich die multispektrale optoakustische Tomographie (MSOT) für die Diagnose der Muskeldystrophie eignet. Das Verfahren wurde vor wenigen Jahren an der Technischen Universität München zusammen mit der Firma iThera Medical GmbH entwickelt: Bei der MSOT werden Pulse eines Nahinfrarot-Lasers in das Gewebe gesandt. Dabei entstehen akustische Druckwellen, anhand derer sogenannte Chromophore – körpereigene Farbstoffe – visualisiert werden können. „Wir nutzen die MSOT, um das Kollagen in den Muskeln zu quantifizieren“, erklärt Dr. Adrian Regensburger, Erstautor der Publikation und Forscherkollege von Ferdinand Knieling an der Kinderklinik. Kollagen ist ein zentraler Bestandteil des Bindegewebes – jenes Gewebes also, das die Muskeln im Krankheitsverlauf ersetzt. „Unsere Tests haben gezeigt, dass der gemessene Kollagengehalt sehr stark mit dem Funktionsstatus der Patienten korreliert.“
Verbessertes Monitoring von Muskelerkrankungen
Mit dem neuen Verfahren können die Medizinerinnen und Mediziner also einen Biomarker nutzen, der bei der herkömmlichen Behandlung der Duchenne-Muskeldystrophie gefehlt hat. Die MSOT ist strahlungsfrei, nicht-invasiv und kommt völlig ohne Kontrastmittel aus – Eigenschaften, die gerade, aber nicht nur bei der Untersuchung von Kindern sehr vorteilhaft sind. Darüber hinaus liefert die Methode Informationen zu molekularen Merkmalen, was mit MRT und Ultraschall nicht möglich ist. Überzogene Erwartungen allerdings dämpft Ferdinand Knieling: „Wir können nicht davon ausgehen, dass der Einsatz optoakustischer Bildgebung die Heilungschancen der DMD verbessert. Allerdings ist das Verfahren geeignet, Muskeldegenerationen bereits im Frühstadium abzubilden, die Wirksamkeit von Medikamenten nachzuweisen und den Krankheitsverlauf objektiv zu begleiten – und das nicht nur bei der DMD, sondern sehr wahrscheinlich auch bei anderen neuromuskulären Erkrankungen.“
Weitere Informationen
Dr. Ferdinand Knieling
Tel.: 09131/85-40139
ferdinand.knieling@uk-erlangen.de