Prof. Dr. Frank den Hollander
Gewinner des Alexander von Humboldt-Forschungspreises und Gastwissenschaftler am Lehrstuhl für Mathematische Stochastik
Am 29. März 2019 wurde Prof. Dr. Frank den Hollander vom Mathematisch Instituut Universiteit Leiden der Humboldt-Forschungspreis feierlich überreicht. Die Alexander von Humboldt-Stiftung zeichnete den Mathematiker für seine Arbeiten zur Wahrscheinlichkeitstheorie und sein Engagement bei der Initiierung von Forschungsnetzwerken und Forschergruppen im Bereich der Stochastik aus.
Zu Prof. Dr. den Hollanders Arbeitsgebieten gehören die Theorie stochastischer Prozesse und ihre Anwendungen in der Physik, der Biologie und der Informatik. Insbesondere beschäftigt er sich mit der Theorie großer Abweichungen, Prozessen im zufälligen Medium, metastabilem Verhalten und Potentialtheorie, Modellen der mathematischen Biologie und zu zufälligem Graphen. Für seine Arbeiten wurde er bereits zum Fellow des Institutes of Mathematical Statistics (IMS) und der American Mathematical Society gewählt.
Mit seinem Gastgeber an der FAU, Prof. Dr. Andreas Greven vom Lehrstuhl für Mathematische Stochastik, verbinden und verbanden Prof. Dr. Hollander bereits verschiedene Forschungsprojekte. Aktuell untersuchen sie zum einen die Evolution genetischer Populationen mit Hilfe einer Saatenbank und zum anderen die Evolution genetischer Populationen, die drastischen Ereignissen ausgesetzt sind.
Die Forschungsgruppe im Bereich Wahrscheinlichkeitstheorie von Prof. Dr. Greven ist international führend an der Schnittstelle zur statistischen Physik und der Populationsgenetik.
Prof. Dr. den Hollander, in Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich hauptsächlich mit der Stochastik. Was genau hat Ihr Interesse an diesem Forschungsgebiet geweckt?
Die Wahrscheinlichkeitstheorie ist ein sehr vielschichtiges Forschungsfeld. Sie hat viele Verbindungen zu anderen Gebieten der Mathematik und zu anderen wissenschaftlichen Feldern, darunter statistische Physik, Populationsgenetik, Life Sciences und komplexe Netzwerke. Es ist diese Kombination aus Breite und Tiefe, die mich immer schon fasziniert hat.
Im September 2019 kamen Sie an die FAU, um am Lehrstuhl für Mathematische Stochastik mit Prof. Dr. Greven zusammenzuarbeiten. Könnten Sie bitte Ihr gemeinsames Forschungsprojekt beschreiben?
Wir haben an zwei Projekten gearbeitet. Eines der Projekte ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Margriet Oomen von der Universität Leiden, das sich mit der Evolution genetischer Populationen unter Zuhilfenahme einer Saatenbank beschäftigt. Die Saatenbank dient dabei als eine Art Reservoir, in dem individuelle Samen sich für kurze oder längere Zeiträume zurückziehen können, um inaktiv zu werden und um so zeitweise nicht am Evolutionsprozess teilzunehmen. Der Effekt der Saatenbank besteht darin, dass sie die genetische Vielfalt der Population steigert. Diese Eigenschaft ist für das Überleben von genetischen Merkmalen sehr wichtig.
Das andere Projekt ist eine Zusammenarbeit mit Rongfeng Sun von der Universität Singapur und beschäftigt sich mit der Evolution von genetischen Populationen, die drastischen Geschehnissen ausgesetzt sind, wo ein einziges Individuum seine genetischen Merkmale auf eine sehr große Zahl von anderen Individuen übertragen kann. Diese hohe Unbeständigkeit wirkt sich gegenteilig zum Effekt der Saatenbank aus: Sie hat die Tendenz, die genetische Vielfalt zu verringern.
Was hoffen Sie und Prof. Dr. Greven mit ihrer Forschung zu erreichen?
Ein besseres Verständnis davon, wie evolutionäre Kräfte wie Resampling, Migration und Unbeständigkeit zusammenspielen, um das Langzeitverhalten genetischer Populationen zu bestimmen.
Mit Prof. Dr. Greven verbindet mich eine langjährige, andauernde und ergebnisreiche Zusammenarbeit. Es ist ein Vergnügen, eine längere Zeit mit ihm und seiner Forschungsgruppe in Erlangen zu verbringen.
Was waren die bislang wichtigsten Erkenntnisse aus Ihrer Forschung?
Wir haben es geschafft, scharfe Schwellenwerte für Evolutionsparameter zu identifizieren, bei denen Übergänge zwischen der Prävalenz von Populationen mit monotonen Merkmalen und der Prävalenz von Populationen mit mehreren Merkmalen auftreten, das heißt, wir haben die Grenzen zwischen dem Verlust der genetischen Vielfalt und dem Überleben der genetischen Vielfalt gefunden.
Wie könnte die Gesellschaft von Ihrer Forschung profitieren?
Dieser Tage wird viel über den Klimawandel und Nachhaltigkeit diskutiert. Wir brauchen mathematische Modelle, um den Übergang zwischen Vielfalt und Nicht-Vielfalt zu messen. Zudem können populationsgenetische Modelle auf Szenarien übertragen werden, wo es einen Kampf um Ressourcen gibt. Die Mathematik hat die Kraft der Abstraktion.
Warum haben Sie sich für die FAU als Gastuniversität entschieden?
Mit Prof. Dr. Greven verbindet mich eine langjährige, andauernde und ergebnisreiche Zusammenarbeit. Es ist ein Vergnügen, eine längere Zeit mit ihm und seiner Forschungsgruppe in Erlangen zu verbringen. Ich freue mich, dass Prof. Dr. Greven den Februar 2020 als Kloosterman-Professor an meinem Lehrstuhl in Leiden verbringen wird.
Was mögen Sie am meisten an der FAU?
Die Gastfreundschaft. Die angenehme Arbeitsatmosphäre. Die qualitativ hochwertigen Büroräume. Die freundliche Unterstützung. Und die perfekten Unterkunftsmöglichkeiten im Gästehaus.
Wie international sichtbar ist die FAU in Ihrem Forschungsgebiet?
Die Forschungsgruppe im Bereich Wahrscheinlichkeitstheorie von Prof. Dr. Greven ist international führend an der Schnittstelle zur statistischen Physik und der Populationsgenetik. Sie war einer der wichtigsten Knotenpunkte in verschiedenen Schwerpunktprogrammen und Forschergruppen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Am 12. und 13. Dezember 2019 fand ein hochkarätiger Workshop zu Populationsgenetik statt, der führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt angezogen hat.
Möchten Sie noch etwas ergänzen?
Ich werde im November und Dezember 2020 wieder nach Erlangen kommen.
Vielen Dank für das Interview, Prof. Dr. den Hollander.