Wo ist künstliche Intelligenz in Unternehmen sinnvoll?
Prof. Dr. Angela Roth und Max Jalowski über ein neues FAU-Projekt
Ein leichterer Zugang zu KI-basierten Prozessen und Geschäftsmodellen für Industrieunternehmen – das ist das Ziel des Verbundvorhabens „IIP-Ecosphere“. Im Rahmen der KI-Initiative des Bundes wird es in den kommenden drei Jahren gefördert. Mit dabei: der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Innovation und Wertschöpfung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Wir haben mit Prof. Dr. Angela Roth und Max Jalowski über das Projekt und die Zukunft von künstlicher Intelligenz (KI) in der Produktion gesprochen.
Frau Prof. Roth, Herr Jalowski, wie kann Künstliche Intelligenz die industrielle Produktion unterstützen?
Roth: Das Schlagwort ist hier „Predictive Maintenance“, also die vorausschauende Wartung von Maschinen in Unternehmen. Diese Maschinen sind mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die beispielsweise Temperatur, Verschleiß und Laufzeit erfassen. Dadurch werden sehr große Datenmengen erzeugt, die mit konventionellen Methoden nur schwer ausgewertet werden können. Ziel ist es, voraussagen zu können, wann Maschinen ausfallen werden, um rechtzeitig entweder Wartungsprozesse zu initiieren oder für Ersatz sorgen zu können. In großen Unternehmen ist die vorausschauende Wartung bereits etabliert, kleine und mittelständische Unternehmen nutzen dieses Potenzial aber noch nicht umfassend. Wir selbst forschen jedoch nicht an den intelligenten Lösungen selbst, sondern an deren Einbettung in betriebswirtschaftliche Kontexte und Servicesysteme.
Mit welchem Konzept waren Sie beim KI-Innovationswettbewerb erfolgreich?
Jalowski: Unsere Idee ist es, ein neuartiges Ökosystem aufzubauen, das die nächste Ebene der intelligenten Produktion ermöglicht. Wir wollen den Einsatz von KI-Methoden in der intelligenten Produktion erleichtern und in realen Anwendungsszenarien demonstrieren. Dazu zählt auch, bestehende Hemmnisse zu identifizieren und möglichst alle beteiligten Akteure in den Prozess einzubeziehen: Industrie, Dienstleister, Verbände und Forschung.
Roth: Kern des neuen Ökosystems bilden vier Themenschwerpunkte: „Daten“, „Geschäftsmodelle“, „KI und Produktion“ sowie „Plattformen“. Außerdem ist das System in drei Ebenen gegliedert: Auf der ersten untersuchen wir, wie sich bisherige Erkenntnisse in die betriebliche Praxis übertragen lassen und wo die Forschung künftig ansetzen kann und muss. Die zweite Ebene des Ökosystems bilden Demonstratoren, Experimentierfelder und Best Practices, die vor allem KMU einen vereinfachten Zugang zu KI-Technologien ermöglichen sollen. Auf der dritten Ebene soll die Interaktion mit den verschiedenen Stakeholdergruppen gefördert werden. Dazu zählen produzierende Firmen als Anwender, Maschinen- und Anlagenhersteller, aber auch Plattform-Anbieter als technische Enabler. Zudem sind Innovatoren, Startups und Inkubatoren sowie Multiplikatoren wichtige Akteure für den Erfolg des Ökosystems. Wir werden relevante Themen für KI in der Produktion in Arbeitskreisen diskutieren und gestalten. Außerdem wollen wir regionale Akteure der Innovationsförderung vernetzen, um Technologietransfer, Innovation und Gründungsaktivitäten voranzubringen.
Welche Ergebnisse erwarten Sie im Rahmen von IIP-Ecosphere?
Jalowski: Einer der ersten Schritte wird sein, KI-basierte Geschäftsmodelle zu typisieren und den Unterschied zu datenbasierten Prozessen herauszuarbeiten. Gemeinsam mit den Unternehmen ermitteln wir einen Status Quo und analysieren, welchen Nutzen KI in den einzelnen Kontexten bringt und wo spezifische, zum Teil auch neue Anwendungsfelder liegen. Außerdem entwickeln wir ein Workshop-Konzept mit Werkzeugen, die KMU dazu befähigen, Methoden der künstlichen Intelligenz in der Produktion selber erfolgreich anzuwenden und weiterzuentwickeln.
Roth: Entscheidend bei unseren Forschungsarbeiten ist, dass KI in den Unternehmen nicht als Selbstzweck eingesetzt wird. Die „KI-isierung“ bestehender Abläufe ist nicht zielführend, vielmehr müssen Prozesse vor dem Hintergrund der neuen Möglichkeiten grundsätzlich hinterfragt werden. Das schließt auch die Frage ein, wie mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz die Wettbewerbssituation der Unternehmen verbessert werden kann – zum einen durch effizientere Abläufe in der Produktion selbst, zum anderen aber auch mit neuen Geschäftsmodellen und Wertschöpfungssystemen.
Welche Partner sind am Projekt beteiligt – und welchen Part hat die FAU?
Jalowski: Insgesamt besteht das Konsortium aus 17 Partnern. Aus der Industrie sind Anwenderunternehmen ebenso beteiligt wie Software-Anbieter und Hersteller von Elektroniksystemen. Auch Verbände sind mit an Bord. Die Universität Hannover koordiniert das Vorhaben und arbeitet mit vier weiteren Forschungseinrichtungen zusammen, darunter der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Innovation und Wertschöpfung der FAU. Der Lehrstuhl leitet den Schwerpunkt „Geschäftsmodelle“ und ist maßgeblich an der Entwicklung dieser Modelle beteiligt. Zusätzlich organisieren wir den Innovationshub für die Metropolregion Erlangen-Nürnberg, in den wir etablierte Akteure wie das Gründerzentrum ZOLLHOF, die IHK Nürnberg für Mittelfranken oder das JOSEPHS einbinden werden.
Werfen wir einen Blick zehn Jahre voraus: Wie werden sich Produktionsprozesse und Arbeitsabläufe durch die KI verändert haben?
Roth: Künstliche Intelligenz wird in den kommenden zehn Jahren großflächig Einzug in die Industrie halten. Dabei werden sich nicht nur die Abläufe in der Produktion, sondern in allen Bereichen bis in den Alltag hinein ändern. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Vernetzung. Bereits heute sind Unternehmen auf Vernetzung angewiesen und arbeiten in Kooperationen. Diese Notwendigkeit wird sich verstärken, gleichzeitig erleichtert KI dafür die Möglichkeiten. Eine weitere Veränderung wird in der Gestaltung von Arbeit selbst liegen: Einfache, repetitive Arbeiten werden zunehmend entfallen. Tätigkeiten werden stärker dadurch geprägt sein, Entscheidungen auf der Basis von KI-Vorschlägen zu treffen. Das hat zur Folge, dass in Zukunft selbst fachspezifische Aufgaben von Akteuren erledigt werden könnten, die möglicherweise nicht nur kein Experte auf dem Gebiet, sondern auch nicht vor Ort sein müssen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Menschen, die KI anwenden und weiterentwickeln können.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Angela Roth
Tel.: 0911/5302-152
angela.roth@fau.de