Adipositas: mit 30 Minuten Sport pro Woche zu weniger Gewicht und mehr Gesundheit
Aktuelle Studie des Hector-Centers am Uni-Klinikum Erlangen belegt Erfolg einer optimierten Sport-/Ernährungstherapie
Adipöse können mit neuem, extrem zeiteffizienten Sportkonzept mit nur 30 Minuten Aufwand pro Woche eine deutliche Gewichtsabnahme und signifikante Verbesserungen von kardiometabolischen Risikofaktoren erzielen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport am Universitätsklinikum Erlangen, die am 18. November im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Das Sport- und Bewegungsprogramm ist eine wesentliche Therapiesäule des Adipositaszentrums am Uni-Klinikum Erlangen, in dem ein interdisziplinäres Team aus Expertinnen und Experten der Chirurgie, Psychosomatik, Psychologie, Ernährungs- und Sportwissenschaften sowie Pflege eng zusammenarbeitet, um adipösen Patientinnen und Patienten zu helfen.
Die Prävalenz von Übergewicht und der schweren Form Adipositas (Body-Mass-Index > 30 kg/m2) nimmt seit Jahrzehnten weltweit stetig zu. In Deutschland gelten aktuellen Erhebungen zufolge bereits 50 % der Bevölkerung als übergewichtig und jeder Vierte als adipös. Dies ist ein besorgniserregender Trend, denn Adipositas ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern nachweislich auch mit einem deutlich erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen, wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs verbunden.
Im Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport an der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. Markus F. Neurath) des Uni-Klinikums Erlangen beschäftigt sich ein interdisziplinäres Expertenteam unter der Leitung der Ernährungsmedizinerin Prof. Dr. Yurdagül Zopf unter anderem damit, innovative Therapiekonzepte für Adipöse zu entwickeln. „Neben einer optimierten Ernährung zählt dabei vor allem eine Steigerung der körperlichen Aktivität zu den Eckpfeilern unserer Behandlung“, so Prof. Zopf, die auch Sprecherin des Adipositaszentrums am Uni-Klinikum Erlangen ist. Die allgemeine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation – regelmäßig mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv zu sein – wird jedoch vom Großteil der Bevölkerung nicht erreicht und stellt insbesondere für Adipöse eine hohe Einstiegshürde dar.
Vor diesem Hintergrund entwickelte Dr. Dejan Reljic (Leiter des Arbeitsbereichs Sportwissenschaft und Leistungsphysiologie am Hector-Center) ein extrem zeiteffizientes Sportkonzept, das lediglich 15 Minuten Aufwand pro Einheit erfordert. Dabei wechseln sich sehr kurze, intensivere Belastungsintervalle mit Erholungsphasen ab, was den Stoffwechsel wesentlich stärker anregt als ein längeres moderates Ausdauertraining. „Im Grunde ist das Konzept eines hochintensiven Intervalltrainings (HIIT) bereits seit Jahren aus dem Leistungssport bekannt, jedoch wurde es entsprechend angepasst, um für Adipöse und Untrainierte umsetzbar zu sein“, erläutert Dr. Reljic. Das Training wird im Hector-Center auf Fahrradergometern durchgeführt, da dies gelenkschonend und gut steuerbar ist, kann aber problemlos auch in anderer Form (z. B. zügiges Walking, Schwimmen) absolviert werden. „Wichtig dabei ist nur, dass in den Belastungsintervallen die jeweiligen Ziel-Pulsbereiche erreicht werden, die vor dem Trainingsbeginn individuell ermittelt werden müssen“, so der Sportwissenschaftler.
Studie zeigte: in 12 Wochen bis zu 20 kg Gewichtsverlust und Reduktion von Risikofaktoren
Die Wirksamkeit dieses innovativen Sportkonzepts wurde nun in einer großen randomisiert-kontrollierten Studie am Hector-Center untersucht, in die 140 Adipöse (durchschnittlicher BMI: 38 kg/m2) mit mindestens zwei zusätzlichen Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte) eingeschlossen wurden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden per Zufallsprinzip entweder einer Kontrollgruppe zugeordnet, die eine auf den Leitlinien basierende Ernährungsberatung zur Gewichtsreduktion erhielt oder einer Trainingsgruppe, die zusätzlich zur Ernährungsberatung zweimal wöchentlich das 15-minütige Intervalltraining über einen Zeitraum von zwölf Wochen durchführte.
Es zeigte sich, dass beide Gruppen nach zwölf Wochen ihr Gewicht im Mittel deutlich verringern konnten, jedoch war der Gewichtsverlust in der Trainingsgruppe signifikant stärker ausgeprägt, mit individuellen Abnahmen von bis zu 20 kg. Ein entscheidender Unterschied zwischen beiden Gruppen war, dass nur die Trainingsgruppe ihre Herz-Kreislauf-Leistungsfähigkeit (gemessen anhand der maximalen Sauerstoffaufnahme in einer Spiroergometrie) und ihr kardiometabolisches Risikoprofil signifikant verbessern konnte, was für die Langzeitprognose wesentlich entscheidender ist als die reine Gewichtsabnahme. So senkten sich z. B. bei 75 % der Trainierenden, die zu Beginn der Studie einen erhöhten Blutdruck aufwiesen, die Werte auf einen Normbereich. Besonders bemerkenswert war der Befund, dass sich mit dem Training auch eine Abnahme der Entzündungswerte um durchschnittlich fast 40 % erzielen lassen konnte, was vergleichbar mit den Effekten einer pharmakologischen Therapie ist. Die Verbesserung der objektiven klinischen Parameter spiegelte sich zudem in einem besseren Befinden (z. B. deutlich weniger Kurzatmigkeit), höherer Lebensqualität und gesteigerter subjektiver Arbeitsfähigkeit am Ende der zwölfwöchigen Trainingsphase wider.
Dr. Reljic fasst das Studienergebnis zusammen: „Die Studie untermauert also zum einen die wichtige Bedeutung und die positiven Effekte von körperlicher Aktivität in Kombination mit angepasster Ernährung für eine erfolgreiche Adipositastherapie, die weit über die reine Gewichtsreduktion durch alleinige Kalorienrestriktion hinausgehen, und zeigt dabei gleichzeitig, dass gesundheitsprotektive Veränderungen bereits mit nur 30 Minuten Training pro Woche erzielt werden können.“
Weitere Informationen für Patientinnen und Patienten
Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport
Tel.: 09131/85-45218
med1-hector-center@uk-erlangen.de
www.medizin1.uk-erlangen.de/hector-center
Adipositaszentrum
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