Unter der Erde
Bei nachhaltiger Energie denken nur wenige Menschen an den Untergrund, obwohl die in der Tiefe verborgene Wärme bereits genutzt wird: So liefern zwei Bohrungen bis in 1600 und 1180 Meter Tiefe in Bad Staffelstein im Landkreis Lichtenfels 52 und 53 Grad heißes Salzwasser für ein Thermal- und Kurbad, in Bad Rodach im Landkreis Coburg versorgt 34 Grad warmes Wasser aus 652 Metern Tiefe ein weiteres Bad. Beide Städte profitieren dabei von Temperaturen im Untergrund, die ungefähr zwischen Coburg und Bamberg in solchen Tiefen mehr als zehn Grad über den durchschnittlichen Werten liegen.
Derartige Verhältnisse sind gute Voraussetzungen für das Nutzen von Erdwärme: Je weniger man bohren muss, um nutzbare Temperaturen zu erreichen, desto günstiger die Kosten. Bevor eine Gemeinde oder ein Unternehmen Geothermie nutzt, wollen die Planer daher natürlich viel über den Untergrund wissen: Wie hoch liegen die Temperaturen wirklich, und wo kommt diese stärkere Wärme überhaupt her?
Erste Antworten fand FAU-Forscher Dr. Wolfgang Bauer in seiner Doktorarbeit. Dafür erstellte er eine Temperaturkarte des Untergrunds in Nordbayern, die meist 700 Meter und in wenigen Gebieten auch bis zu 1600 Meter tief reicht.
Später werteten der Forscher und sein Team die bei solchen Bohrungen gesammelten Daten für die Wärmeleitfähigkeit des Untergrunds in verschiedenen Tiefen weiter aus. Die erstmals bei einer Probebohrung für einen geplanten Erdgas-Speicher in Mürsbach im Landkreis Bamberg gefundenen erhöhten Temperaturen in rund tausend Metern Tiefe speisen sich demnach von weiter unten: Hier fließt mehr als 50 Prozent mehr Wärme von unten nach oben.
Woher stammt diese Wärme? Zwei Möglichkeiten diskutieren die Forscher: So sind in Franken bereits einige tief reichende Bruchzonen bekannt, in denen aus großen Tiefen Wasser aufsteigen und die Wärme des Erdinneren rasch von unten nach weiter oben tragen könnte. Außerdem könnten in der Tiefe auch riesige Granitstrukturen liegen, die relativ viel Uran und Thorium enthalten. Die beim radioaktiven Zerfall dieser Atome frei werdende Energie könnte den verstärkten Wärmefluss von unten nach oben speisen.
Hinweise darauf, welche dieser Möglichkeiten zutreffen könnte, gibt hoffentlich eine Untersuchung, die ein privates Unternehmen Ende 2018 im Auftrag des GeoZentrums Nordbayern der FAU durchgeführt hat: Mit drei 20-Tonnen-Lastwagen wurde auf vier Linien mit einer Gesamtlänge von 230 Kilometern in diesem Gebiet in bestimmten Abständen jeweils eine schwere Platte auf den Untergrund gedrückt und in Schwingungen mit Frequenzen zwischen acht und 64 Hertz versetzt, die zum Teil unter der Hörschwelle eines Menschen liegen, zum Teil als sehr tiefes Brummen wahrgenommen werden können. Die so ausgelösten Wellen werden im Untergrund dort reflektiert, wo zwei Schichten mit unterschiedlichen Eigenschaften aneinandergrenzen. Mit Geophonen – Messgeräten, die in den Boden gesteckt werden – registrieren die Forscher die so reflektierten Wellen und können aus der Laufzeit des Signals die Entfernung und damit auch die Tiefe einer solchen Schichtgrenze ermitteln.
„Nachdem wir störende Hintergrundgeräusche von Bahnstrecken oder Autostraßen ausgefiltert haben, können wir die Reflektionen bis in eine Tiefe von 15 Kilometern bestimmen“, erklärt Wolfgang Bauer. So erhalten er und sein Team eine Karte des Untergrunds, die sie jetzt auswerten, um die tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen: Welche Gesteine liegen wo im Untergrund, wo liegen Bruchzonen, und bis in welche Tiefe reichen sie? Und vor allem: Welche Rolle spielen diese Ergebnisse für den erhöhten Wärmefluss aus der Tiefe – und lässt sich dort die Tiefenwärme nutzen?
von Roland Knauer
FAU-Forschungsmagazin friedrich
Dies ist ein Beitrag aus unserem Forschungsmagazin friedrich. Die aktuelle Ausgabe nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise ins „Verborgene“: Sie schaut auf für unser Auge unsichtbare, oftmals von uns unbemerkte und vor uns versteckte Dinge. Sie wirft aber auch einen Blick dorthin, wo wir gar nicht hinsehen wollen: auf Tabus.
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