„Der Wissenschaftsjournalismus kann und muss über den wissenschaftlichen Fortschritt aufklären“

Dr. Daniel Lingenhöhl ist Chefredakteur von "Spektrum der Wissenschaft"
2004 begann Daniel Lingenhöhl als Praktikant bei „Spektrum der Wissenschaft“ – heute ist er Chefredakteur. (Bild: Spektrum der Wissenschaft)

Dr. Daniel Lingenhöhl, Chefredakteur bei „Spektrum der Wissenschaft“

Daniel Lingenhöhl studierte von 1996 bis 2004 Geografie, Geologie und Biologie an der FAU. Nach seinem Studium promovierte er über die Biodiversität der Cinque Terre in Italien. Währenddessen fand er seinen Weg in den Journalismus. 2004 kam der FAU-Alumnus erstmals als Praktikant in die Onlineredaktion von „Spektrum der Wissenschaft“. Danach arbeitete er als Wissenschaftsjournalist für „Spektrum.de“, die „Süddeutsche Zeitung“ und „Handelsblatt Online“. Daniel Lingenhöhl veröffentlichte 2010 sein Buch „Vogelwelt im Wandel“. Ein Jahr später wurde er Leiter der Onlineredaktion von „Spektrum.de“, 2017 arbeitete er dort außerdem zwei Jahre als Head of Digital Content, bis er im Oktober 2019 die Chefredaktion von „Spektrum der Wissenschaft“ übernahm.

Vom Praktikanten zum Chefredakteur – Wie beschreiben Sie Ihren Karriereweg?

Es hört sich nach einer mustergültigen Karriere an, die aber erst einmal einen Stotterstart hinlegte: Als Doktorand dachte ich, mir stünde der Weg in den Journalismus problemlos offen. Bis ich mich einige Absagen später doch auf eine Praktikumsstelle bei „Spektrum“ bewarb – und zum Glück genommen wurde. Direkt nach dem Praktikum bis zur Stelle als Redaktionsleiter habe ich auch viel für andere Medien geschrieben, was mir wertvolle Einblicke bei Print und Online gebracht hat.

Vor Ihrer Position als Chefredakteur waren Sie Leiter der Onlineredaktion und Head Of Digital Content bei „Spektrum der Wissenschaft“. Was kann man sich darunter vorstellen?

„Spektrum der Wissenschaft“ hat 2017 die Onlineredaktion mit der digitalen Entwicklungsabteilung – inklusive Layout, Online-Marketing, Datenanalyse und Produktmanagement –  des Verlags zusammengelegt, um alle Onlineaktivitäten zu bündeln und „kurze Wege“ zu schaffen. Ich war zuständig für die redaktionellen Inhalte und Produkte, aber mein Team und ich konnten dadurch immer problemlos auf Datenanalyse, Layout oder Entwicklung zugreifen, die meinem Abteilungsleiterkollegen unterstanden. Dadurch konnten wir eine sehr flexible Einheit schaffen.

Wie kam es zu dem Wunsch, nach Ihrem Studium in den Wissenschaftsjournalismus einzusteigen?

Der Wunsch entwickelte sich schon während des Studiums: Ich wollte weiterhin nahe an der Wissenschaft arbeiten, hatte aber gleichzeitig auch den Drang, die Menschen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs zu informieren und kritisch aufzuklären. Ich bin schon sehr lange nachrichtenaffin und sauge neues Wissen auf. Das kann ich als Wissenschaftsjournalist voll ausleben.

Was ist in Ihren Augen das Spannende am Wissenschaftsjournalismus und wo liegen die Herausforderungen?

Zum einen bekommt man zeitnah mit, welche neuen Erkenntnisse die Forschung gewinnt, und kann diese kritisch betrachtet und eingeordnet an die breite Öffentlichkeit vermitteln. Wer mir nach meiner Promotion gesagt hätte, dass ich mich ein paar Jahre später auch für Schwarze Löcher oder Verhaltenspsychologie interessieren würde, dem hätte ich wohl nicht geglaubt. Die größte Herausforderung dabei ist natürlich immer wieder, auch die Interessen der Leserinnen und Leser zu treffen und diese zu begeistern.

Welche Rolle kann oder muss der Wissenschaftsjournalismus in Zeiten von Fake News, einem steigendem Skeptizismus gegenüber der Wissenschaft bei einigen Menschen und hitzig geführten Debatten spielen?

Der Wissenschaftsjournalismus kann und muss über den wissenschaftlichen Fortschritt aufklären. Er muss ihn aber auch kritisch hinterfragen – etwa bei ethischen Fragen der Stammzellforschung oder Medizin: Wir sind nicht das Sprachrohr der Universitäten und Forschungseinrichtungen, sondern unabhängig und unparteiisch. Wenn es Fehlverhalten in der Forschung gibt, müssen wir das ebenso begleiten wie der Politikjournalismus bei Politikern. Wir liefern die sachlichen Informationen für öffentliche Debatten und können Fake News richtigstellen – etwa wenn Impfgegner zum wiederholten Male Impfungen mit Autismus in Verbindung bringen, was mehrfach widerlegt wurde, oder Klimawandelleugner den menschlichen Einfluss auf das Klima negieren.

Welche Kenntnisse oder Fähigkeiten außer dem naturwissenschaftlichen Fachwissen aus Ihrem Studium können Sie für Ihre Arbeit als Journalist einsetzen?

Prinzipiell die Recherchefähigkeit – wo suche ich nach welchen Fachinformationen. Wir sind bei „Spektrum“ in der glücklichen Lage, dass wir zu zahlreichen Fachjournals einen offenen Zugang haben. Und ich kenne die universitären Strukturen, wobei sich vieles davon mittlerweile geändert hat. Andere Sachen musste ich mir dagegen erarbeiten: Die journalistische Schreibe entspricht nicht dem, was der Doktorvater in der Dissertation lesen möchte…

Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen?

Nur noch lose – über soziale Medien, manchmal per Mail. Persönlich treffe ich sie eigentlich nur noch sehr selten. Da unser Lebensmittelpunkt jetzt bei Heidelberg liegt und wenn wir als Familie nach Bayern fahren, dann meist zu den Großeltern. Ich stehe aber immer wieder in Kontakt mit meinem Doktorvater Prof. Michael Richter und bin Mitglied der Fränkischen Geographischen Gesellschaft.

Sie haben 2010 Ihr eigenes Buch „Vogelwelt im Wandel“ veröffentlicht. Wie kam es zu der Idee ein eigenes Buch zu diesem Thema zu veröffentlichen und wie verlief der Prozess vom Schreiben bis hin zur Veröffentlichung?

Noch länger als der Wissenschaft bin ich der Natur verbunden – beziehungsweise führte das Interesse daran erst in die Wissenschaft. Und die Vogelwelt hat es mir dabei besonders angetan. Gleichzeitig bin ich auch bekennender Naturschützer: Wissenschaft und Naturschutz habe ich dann in dem Buch verbunden – es war mir eine Herzensangelegenheit. Nachdem ich einen Verlag gefunden hatte, ging es dann nur noch ums Recherchieren und Schreiben, Schreiben, Schreiben. Lektorat und Publikation waren dann dank des Verlags ein Kinderspiel.

Haben Sie einen Lieblingsvogel?

Ich liebe sie alle.

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit an der FAU besonders in Erinnerung geblieben?

Ich mochte Erlangen – und komme bis heute sehr gern zurück, wenngleich leider nur selten. Am meisten schätzte ich die familiäre und freundliche Atmosphäre am Institut für Geografie, damals die Kochstraße 4 mit ihrer Bibliothek war so etwas wie meine zweite Heimat.  Und legendär waren natürlich die Geo-Feten der Geographie-Fachschaft und der Geologen!

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Lingenhöhl.

Interview: Nina Bundels, Oktober 2019