Computertomografie: Scannen unter Volllast

Schaufensterpuppe Knie und CT-Aufnahme
Mittels eines neuen Verfahrens können Knie inzwischen unter Belastung gescannt werden. (Bild: Thomas Riese/Maier)

Um den Ursachen für Knieschmerzen auf die Spur zu kommen, stützen sich Medizinerinnen und Mediziner in der Regel auf die Röntgenbilder, die eine computertomografische Untersuchung liefert. Dazu werden die Betroffenen in eine Röhre geschoben, in der das Gelenk aus allen Richtungen durchleuchtet wird. Das Problem: Der Druck, den das Körpergewicht normalerweise auf das Knie ausübt, wird während der Messung ausgeblendet, da die Untersuchung im Liegen erfolgt. Die Folge: Der wahre Schmerzherd wird oft nicht erkannt.

In einer Kooperation mit der Stanford University in Kalifornien hat ein FAU-Forschungsteam nun ein Bildgebungsverfahren entwickelt, mit dem Patientinnen und Patienten im Stehen geröntgt werden können. „Die Deformationen von Knochen und Knorpel als mögliche Ursache für Kniebeschwerden werden damit berücksichtigt“, sagt Prof. Andreas Maier, Professor am Lehrstuhl für Informatik 5. „Das Verfahren liefert ein dreidimensionales Bild, mit dem Schmerzherde sehr viel besser als bisher erkannt werden können.“

Die Idee für die „stehende“ Knie-Diagnose ist nicht neu. Was bislang allerdings fehlte, war eine Hardware, die Bilder in hoher Auflösung liefert, und eine Software, welche die Bildfehler korrigieren kann, die bei Messungen unter Belastung zwangsläufig entstehen. Maier will diese Lücken dank des technischen Fortschritts und seines persönlichen Netzwerks nun schließen.

Nach seiner Promotion war er für einige Jahre an der Stanford University in Kalifornien tätig. Hier lernte er einen neuartigen Röntgen-Roboter kennen, der computertomografische Aufnahmen ganz ohne Röhre ermöglicht. An den Enden seines C-förmigen Roboterarms befinden sich Scanner, die flexibel um beliebige Körperteile herumkreisen können. Die Erkrankten können dabei liegen, sitzen oder stehen. Für radiologische Untersuchungen von Kopf und Oberkörper war der Roboter in Stanford bereits im Einsatz. Maier und seine Kollegen rüsteten ihn nun für Messungen im Kniebereich um. „Dafür mussten wir die Software neu programmieren“, blickt Maier zurück. „Auf die Besonderheiten einer Messung dieses Gelenks war sie in der ursprünglichen Fassung nicht abgestimmt.“

Während einer Röntgenaufnahme müssen sich die Betroffenen möglichst ruhig verhalten, sonst verschmieren die Bilder. Dieses Phänomen ist aus der Alltagsfotografie bekannt, etwa wenn Menschen bei langer Belichtungszeit durch den Bildausschnitt laufen. Auch Röntgenaufnahmen verlieren in diesem Fall ihre scharfe Kontur. Diese aber ist notwendig, um verschiedene Gewebetypen zu unterscheiden. In Maiers Fall sind es vor allem zitternde Knie, die Probleme bereiten. Stehende Patientinnen und Patienten können diese kaum vermeiden. Die Informatik aber kann die unvermeidlichen Wackler mit digitalen Methoden bereinigen.

Röntgenaufnahmen, die für eine verlässliche Kniediagnose herangezogen werden, müssen Gewebestrukturen von mindestens 0,2 Millimeter auflösen können. Um diese Bildqualität zu erzeugen, entwickelte Maier ein zweistufiges Verfahren. Zunächst werden viele Bilder mit kurzen Belichtungszeiten aus verschiedenen Richtungen geschossen und am Computer zu einer 360-Grad-Aufnahme zusammengesetzt. Anschließend wird die Aufnahme mithilfe eines speziellen Korrektur-Algorithmus nachbearbeitet, um unerwünschte Effekte zu eliminieren, die auf zitternde Knie zurückzuführen sind. „In diesen Algorithmen, die wir an der FAU entwickelt haben, liegt das Alleinstellungsmerkmal des Verfahrens“, erklärt Maier. „Mit diesen Algorithmen erzeugen wir virtuell genau die statischen Bilder, die für eine zuverlässige Diagnose benötigt werden.“

Erste Ergebnisse des neuen Verfahrens sollen bis Ende 2019 veröffentlicht werden. Anschließend stehen Praxistests und weitere Optimierungen auf der Agenda. „Langfristiges Ziel ist es, die Zahl der Operationen auf ein Minimum zu reduzieren“, sagt Maier. „Denn aktuell werden Knie-Patientinnen und -Patienten in rund 50 Prozent der Fälle unnötig operiert.“

von Frank Grünberg


FAU-Forschungsmagazin friedrich

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