Internet in Gefahr?! Der umstrittene Artikel 13
Der FAU-Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Franz Hofmann hat sich den umstrittenen Artikel der EU-Urheberrechtsreform genauer angesehen
Herr Professor Hofmann, Artikel 13 (jetzt Artikel 17) der jüngsten Urheberrechtsreform hat für viel Aufregung gesorgt. Was genau wurde beschlossen?
Artikel 17 regelt die Haftung von Plattformen wie YouTube für Urheberrechtsverletzungen. Im Kern enthält der sehr komplexe, aus meiner Sicht sogar teils in sich widersprüchliche Artikel 17 drei Kernaussagen: Erstens soll die Plattform im Grundsatz selbst als Täter einer Urheberrechtsverletzung gelten, auch wenn ein illegales Video eigentlich von einem Nutzer hochgeladen wurde. Die Plattform muss sich daher um Lizenzen bemühen. Anders formuliert: Sie muss für den content bezahlen. Zweitens erkennt die Regelung an, dass die Plattformen „zum Teilen von Online-Inhalten“ nicht zu 100 Prozent gewährleisten können, dass es auf ihren Seiten zu keinen Urheberrechtsverletzungen kommt. Daher gilt: Wenn sie sich – vereinfacht gesagt – redlich bemüht haben, wird das honoriert. Drittens wird der Sorge Rechnung getragen, dass Plattformen zu viel löschen, also auch Videos, die erlaubterweise hochgeladen wurden. Zitate, Rezensionen, Karikaturen oder Parodien sind explizit gewünscht. Nutzer bekommen daher ein Beschwerderecht.
In welchen größeren rechtlichen Kontext ist die Reform zu setzen?
Die Regeln für das Internet werden gerade ausgehandelt. Dabei besteht ein Grundkonflikt: Einerseits soll bestehendes Recht auch im Internet durchgesetzt werden. Das Urheberrecht hat auch im Digitalzeitalter im Grundsatz seine Berechtigung. Andererseits sollen die Informations-, Meinungs- oder Kunstfreiheit nicht eingeschränkt werden. Da sich das digitale Leben vor allem auf den großen Plattformen abspielt, kommt jenen bei der Rechtsdurchsetzung eine zentrale Rolle zu. Die Frage ist nicht, ob Plattformen haften, sondern wie sicherstellt wird, dass am Ende rechtswidrige Inhalte aus dem Internet verschwinden, legale aber möglichst allesamt online bleiben.
Betreten wir mit Artikel 17 Neuland?
Schaut man auf die allseits zu beobachtende Aufregung, sieht es so aus. In der öffentlichen Auseinandersetzung ist wohl mancher der PR-Arbeit interessierter Kreise auf den Leim gegangen. Tatsächlich mussten die Plattformen schon bisher dafür sorgen, dass rechtswidrige Inhalte von ihren Seiten verschwinden. Voraussetzung war ein Hinweis auf die Rechtsverletzung („notice and take down“). Zugleich mussten die Plattformen gewährleisten, dass es nicht zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt („stay down“). Uploadfilter waren deshalb schon bisher im Einsatz. Rechteinhaber konnten wegen dieser Verpflichtungen auch vor der Reform mit ihrer Musik Geld verdienen, selbst wenn diese zunächst unautorisiert auf YouTube und Co. gelandet ist. Es ist natürlich nachvollziehbar, dass jeder seine Verhandlungsposition verbessern möchte.
Haben Sie konkrete Ideen für eine Umsetzung in die Rechtspraxis?
Es muss nun allen voran präzisiert werden, wie die von der Richtlinie geforderte Zusammenarbeit der Rechteinhaber mit den Plattformen aussieht. Da gibt es schon einige Ideen. Nicht zuletzt kann auf die Erfahrung der großen Plattformen mit Lösch- und Filterpflichten zurückgegriffen werden.
Droht das Ende des freien Internets?
Nein, das droht nicht. Kreativität wird weiter möglich sein. Vielleicht bringt die Richtlinie hier praktisch sogar Verbesserungen. Umgekehrt gilt: Es gibt zu Recht keinen Anspruch darauf, Kinofilme oder offizielle Musikvideos umsonst zu nutzen. Die eigene Freiheit endet stets dort, wo die Freiheit anderer beginnt.
Das FAU-Magazin alexander
Der aktuelle alexander hat unter anderem folgende Themen: 50 Jahre Mondlandung, das Internet – in Gefahr? Artikel 17 der EU-Urheberrechtsreform, Jubiläum am Sprachenzentrum der FAU sowie ein neuer Beitrag aus der Reihe „Besondere Orte an der FAU“ – diesmal über die Sternwarte.
alexander Nr. 111 herunterladen
Ausgewählte Beiträge aus dem alexander können Sie auch online lesen.