Das große Fressen
Forschung zu alternativen Ressourcen
Der Mensch hat Raubbau betrieben. Die Konsequenz: Fossile Ressourcen neigen sich dem Ende zu. FAU-Wissenschaftler forschen an Alternativen.
von Luisa Macharowsky und Andreas Kunkel
Wir schreiben das Jahr 2125: Gerade wurden die letzten Kohlevorräte aufgeteilt, sie werden wohl noch einen Monat reichen. Erdgas und Rohöl haben wir seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr. Zink, Gold, Zinn, Silber und Nickel gab es zuletzt im Jahr 2033. Immer mehr Ressourcen, auf denen unsere Technik und Gesellschaft fußen, gehen langsam aus…“
So oder so ähnlich könnte die nahe Zukunft des Menschen aussehen. Der Mensch ist auf natürliche Rohstoffe angewiesen. Ohne diese Stoffe wären viele Entwicklungen in der Geschichte nicht möglich gewesen – Kohle etwa hat den technischen Fortschritt im wahrsten Sinne befeuert. Ebenso nutzt der Mensch weltweit seit Langem Erdgas und Rohöl als Stoffe zur Energiegewinnung. Aber auch andere Substanzen wie Gold und Silber, bei denen viele Menschen wohl zuerst an funkelnde Ringe und Ketten denken, finden sehr große Anwendung in der Industrie und begegnen uns, wenn auch unbewusst, im Alltag: Ein Handy, ein Computer, ein Herzschrittmacher oder auch die Stromversorgung sind ohne diese seltenen Metalle nicht denkbar.
Ohne Rücksicht
Bei all seinen technischen Fortschritten in der Nutzung der Rohstoffe hat der Mensch eines zu lange ignoriert: All diese Stoffe sind nur endlich verfügbar. Um seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, betreibt der Mensch immer mehr Raubbau: Er nimmt immer mehr, gräbt immer tiefer. Laut „Die Nutzung natürlicher Ressourcen – Bericht für Deutschland 2016“ vom Umweltbundesamt haben die Deutschen allein im Jahr 2011 stolze 1,3 Milliarden Tonnen Rohstoffe verbraucht: 16 Tonnen pro Kopf, fast 44 Kilogramm pro Tag. Jede Stunde verbraucht ein Deutscher also 1,8 Kilogramm an natürlichen Rohstoffen. 21 Prozent davon machen fossile Energieträger aus, was 273 Millionen Tonnen pro Jahr entspricht. Und das nur in einem Land.
Seit 1971 ist eine Grenze überschritten: Die Menschheit verbraucht mehr Ressourcen pro Jahr, als nachwachsen können – die Vorräte schwinden immer schneller. Momentan bräuchten wir eineinhalb Erden, um dem Bedarf nachzukommen. Ein Umdenken findet bereits statt, Forscher untersuchen weltweit Möglichkeiten, fossile Stoffe zu ersetzen. Auch Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität forschen in verschiedenen Projekten daran, wie natürliche Ressourcen durch nachhaltige Stoffe ersetzt werden können.
Solarzellen aus dem Drucker
Die Idee, Sonnenenergie als nachhaltige Ressource zu nutzen, ist nicht neu. Strom aus herkömmlichen Solarzellen ist längst eine wettbewerbsfähige Alternative. Doch sie hat auch Nachteile. Die Siliziumsolarzellen werden bei hohen Temperaturen hergestellt und verbrauchen viel Energie bei der Produktion. So viel, dass die Energiebilanz erst nach zwei bis vier Jahren Nutzung wieder bei null ist.
Anders verhält es sich bei den Solarzellen, die Forscher um Prof. Dr. Christoph Brabec vom Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften entwickeln. Sie benötigen bei der Herstellung nur eine Temperatur von hundert Grad und werden einfach aufgedruckt – die Technik ist vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker. Die Zellen rentieren sich bereits nach wenigen Wochen. Noch dazu sind sie dünn, biegsam, lichtdurchlässig und farbig. Sie können in Fassaden oder Fenster von Häusern eingearbeitet und als Gestaltungsmittel genutzt werden. „Wir wollen die Energie dort produzieren, wo sie auch gebraucht wird: in der Stadt und nicht auf dem Feld“, sagt Brabec.
Zur Herstellung der Zellen nutzen die FAU-Wissenschaftler organische und perovskitische, also anorganische Halbleiter und Quantenpunkte, eine Nanostruktur ebenfalls aus Halbleitern. Die verwendeten Stoffgruppen sind teilweise jung und daher noch relativ unerforscht, aber hocheffizient. Die Forschung der FAU-Werkstoffwissenschaftler zahlt sich aus. Die gedruckten Solarzellen weisen eine Effizienz von 21 Prozent auf – mit Luft nach oben. Zum Vergleich: Herkömmliche Solarzellen, die bereits 40 Jahre länger erforscht werden, besitzen eine Energieeffizienz von beinahe 27 Prozent.
„Bei der Erforschung achten wir nicht nur auf die Effizienz, sondern haben das Gesamtprodukt im Auge: Die Solarzelle soll stabil, langlebig und kostengünstig sein – vor allem aber auch umweltverträglich. Daher bemühen wir uns um einen Produktionsprozess, der ohne Schwermetalle und chlorhaltige Stoffe auskommt. Unsere Vision ist es, dass die Zellen zu Hause und in großen Druckfirmen, die den europäischen Umweltauflagen entsprechen, hergestellt werden können“, betont Brabec.
Platin ist Silber, Kalzium ist (manchmal) Gold…
Seit über 200 Jahren ist Platin für zahlreiche chemische Reaktionen der ideale Katalysator, weil es die Moleküle von Wasserstoff, Sauerstoff und anderen Gasen in einzelne Atome aufspalten kann. Das Element wird deshalb als Oxidationskatalysator in Fahrzeugen ebenso eingesetzt wie bei der Salpetersäureherstellung oder in der Pharmazie. Aber gerade der Einsatz im Gesundheitsbereich macht auch einen gravierenden Nachteil deutlich: Platin ist, zumindest in komplexer Form, hochgiftig, weil es sich in die DNA einlagern kann. Und: Platin ist deutlich teurer als Gold. Trotzdem schien sein Einsatz bislang vorteilhaft.
Dank der Arbeit von Prof. Dr. Sjoerd Harder, Inhaber des Lehrstuhls für Anorganische und Metallorganische Chemie an der FAU, könnte sich das nun grundlegend ändern. In seiner Forschung hat er gezeigt, dass Katalysen auch mit dem vergleichsweise unkomplizierten Kalzium statt mit Platin möglich sind. So kann Kalzium beispielsweise bei der Hydrierung von Iminen – einer speziellen Gruppe chemischer Verbindungen – eingesetzt werden. Ein Prozess, für den bislang Platin oder andere Edelmetalle eingesetzt werden mussten. Das, so Prof. Harder, benötige zwar größere Mengen an Kalzium, dafür aber sei der technische Aufwand vergleichsweise gering, und die Kosten blieben niedrig. Seine Erkenntnisse sind vor allem für die Pharmaindustrie von Bedeutung, wo das Ersetzen von giftigen Platin- durch harmlose Kalzium-Katalysatoren viele Vorteile birgt.
„Es wird uns zwar kaum gelingen, Platin zu hundert Prozent zu ersetzen, weil es als sogenanntes Übergangsmetall viele Moleküle leicht aktivieren kann“, sagt Harder. Aber zumindest in der organischen Synthese gebe es schon jetzt eine Vielzahl von Beispielen, die zeigen, dass Kalzium Platin hervorragend ersetzen kann. Das sei ein regelrechter Paradigmenwechsel.
Trotzdem macht Prof. Harder wenig Hoffnung, die Ergebnisse bald industriell nutzen zu können. „Wir stecken in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Die Grundlagenforschung schreitet aber schnell voran, um Platin bei einzelnen Anwendungen ersetzen zu können.“
Treibstoff der Zukunft
Fossile Brennstoffe zu ersetzen, ist seit Jahren das Ziel der Energiepolitik in Deutschland. Wasserstoff könnte eine Lösung sein. Seine Energiedichte pro Gewicht ist dreimal so hoch wie die von Benzin und sogar zweihundertmal höher als die von Akkus in Elektroautos. In einer Brennstoffzelle genutzt, wird Wasserstoff durch eine elektrochemische Reaktion mit Sauerstoff zu Wasser umgesetzt. Dabei wird elektrische Energie ohne Bildung von Schadstoffen erzeugt.
Die Herausforderung bis dato: die geringe Energiedichte des Wasserstoffs pro Volumen. Die technisch etablierte Möglichkeit, Wasserstoff unter hohem Druck auf minimales Volumen zu verdichten, ist teuer und aufwendig. Auch die Speicherung von Wasserstoff als Flüssigkeit ist alles andere als einfach, sie verlangt Temperaturen von minus 253 Grad. An der FAU haben Forscher um Prof. Dr. Wolfgang Arlt, Prof. Dr. Eberhard Schlücker und Prof. Dr. Peter Wasserscheid deshalb eine Methode entwickelt, die sich als Königsweg erweisen könnte: Im LOHC-Verfahren (Liquid Organic Hydrogen Carrier) wird der gasförmige Energieträger Wasserstoff in einer speziellen Ölmischung chemisch gebunden. Auf diese Weise lässt sich der Wasserstoff wesentlich günstiger und sicherer aufbewahren und transportieren, als dies in den bisher üblichen Gas-Hochdrucktanks möglich ist. Sogar die bestehende Infrastruktur, etwa Tankfahrzeuge und Tanklager, ließen sich auf diese Weise weiterhin nutzen. Die junge Firma Hydrogenious, ein Spin-off der FAU, hat das Verfahren mittlerweile zur Marktreife gebracht.
Ausgeforscht ist das Thema indes noch lange nicht. Denn grundsätzlich gilt es, die molekularen Vorgänge während des Speichervorgangs viel besser zu verstehen. Den Ansatz der Chemieingenieure untersuchen daher auch Chemiker der FAU auf der Ebene der Grundlagenforschung. Prof. Dr. Jörg Libuda und Prof. Dr. Hans-Peter Steinrück vom Department Chemie und Pharmazie etwa nehmen verschiedene Wasserstoffträger unter die Lupe und bauen Wasserstoff unter sehr kontrollierten Bedingungen in diese Moleküle ein. Dabei interessiert sie, wie die entsprechenden Prozesse im Detail an der Oberfläche fester Katalysatoren ablaufen. „Bei den flüssigen Wasserstoffspeichern haben wir es mit relativ komplizierten Molekülen zu tun. Der Wasserstoff soll gezielt an den dafür vorgesehenen Stellen eingebaut werden – und zwar so schnell wie möglich, damit eine hohe Leistung der Speicherapparate erzielt werden kann“, sagt Libuda. Bei der Wasserstoff-Freisetzung aus der Speicherflüssigkeit haben es die Forscher mit einer Vielzahl von Zwischenprodukten zu tun, und es können bei falscher Prozessführung auch unerwünschte Produkte entstehen.
Was eine ideale Trägersubstanz für Wasserstoff ausmacht? „Sie soll zuverlässig reagieren, eine hohe Speicherkapazität aufweisen, leicht beschaffbar und nicht giftig sein. Und: Sie sollte in einem geeigneten Temperaturbereich flüssig sein, denn sie darf im Winter nicht einfrieren“, so Libudas Einschätzung. Und natürlich spielt der Preis eine Rolle. Im Augenblick heißt das Optimum Dibenzyltoluol, ein industriell seit den 1960er-Jahren verwendetes Wärmeträgeröl. Dass dieser altbekannte Stoff als hochattraktiver Wasserstoffspeicher dienen kann, ist eine zentrale Innovation der FAU-Forscher und hat der Kommerzialisierung der LOHC-Technologie entscheidend den Weg geebnet. Dieser Erfolg der Erlanger Forscher wurde gerade durch die Nominierung zum Deutschen Zukunftspreis sichtbar gewürdigt.
Der friedrich – das Forschungsmagazin der FAU
Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Forschungsmagazin friedrich. Die aktuelle Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema Ende in all seinen Formen: Welche davon sind unausweichlich? Wie setzen sich Menschen damit auseinander? Und was bedeuten sie für den einzelnen? Und ist das, was Menschen als Ende definieren wirklich der Schlusspunkt? Manchmal verändern sich Dinge nur, entwickeln sich weiter, es entsteht etwas Neues. Mitunter ist das Ende aber auch gar kein Thema: Der Mensch strebt nach Unendlichkeit. Können wir diesen Begriff überhaupt verstehen? Ist Innovation unendlich? Und leben wir unendlich weiter – im Internet?
Weitere Beiträge aus dem Magazin finden Sie unter dem Stichwort „friedrich“.