Wenn Aberglaube zur Lebensgefahr wird
Im Gespräch mit Dr. Abdallah Saleh Possi, FAU-Alumnus und tansanischer Botschafter in Deutschland
Dar el Salaam heißt die tansanische Großstadt, in der Botschafter Dr. Abdallah Saleh Possi geboren wurde und Jura studierte. An die Universität wollte Possi schon immer. Nach seinem Masterstudium entschied er sich für eine Promotion in Deutschland. Da Possi zum Thema Behindertenrecht forschen wollte, kam es ihm gelegen, dass Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, FAU-Lehrstuhlinhaber für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik, sich als Betreuer anbot. So schrieb er von 2011 bis 2014 seine Dissertation über die Anwendung der Behindertenrechtskonvention in Tansania in Erlangen. Heute lebt er in Berlin und repräsentiert seit Juni 2017 seine Heimat Tansania in Deutschland sowie in acht weiteren EU-Staaten.
Der Irrglaube von magischen Knochen
Dr. Abdallah Possi leidet unter Albinismus, einer angeborenen Stoffwechselerkrankung, bei der die Pigmentbildung gestört ist und nicht genügend Melanin ausgeschüttet wird. Helle Haare sowie eine sonnenempfindliche Haut sind die typischen Symptome und Hautkrebs vor allem für Menschen in Afrika häufig die Folge der angeborenen Krankheit. Jedoch ist das nicht die einzige Gefahr für Menschen mit Albinismus: „In vielen Ländern Afrikas ist der Aberglaube weit verbreitet, unsere Knochen bescherten Erfolg, Glück und Reichtum. Aufgrund dieser falschen Annahme werden Menschen mit Albinismus verfolgt, verstümmelt oder gar getötet. Dieser Glaube ist in den Menschen tief verwurzelt“, berichtet Possi. Daher sei es umso wichtiger, den Leuten verständlich zu machen, dass es sich bei Albinismus nicht um Magie, sondern um eine medizinische Beeinträchtigung handelt.
Schutz durch Aufklärung
2010 wurde in Tansania ein Gesetz für Menschen mit Behinderung verabschiedet. Seither wird Albinismus rechtlich als Behinderung anerkannt und die Betroffenen genießen von Seiten der Regierung offiziell Schutz. Doch schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sind weiterhin allgegenwärtig. „Tansania ist dreimal so groß wie Deutschland, verfügt jedoch wie viele andere afrikanische Länder über eine schlechte Infrastruktur. Angriffe auf Menschen mit Albinismus finden vor allem in kleinen abgelegenen Orten statt, wo die Polizei nicht schnell genug vor Ort sein kann und das Bewusstsein für die Beeinträchtigung bei den Meisten noch fehlt“, erklärt der Botschafter. Es gelte deshalb, die Menschen weiterhin darüber aufzuklären, dass die Knochen von Menschen mit Albinismus keine magischen Kräfte haben. Hier in Deutschland fällt Possi mit seiner Beeinträchtigung kaum auf. Doch in seinem Heimatland hatte er vor allem in der Kindheit mit Diskriminierung und Hänseleien zu kämpfen. „Die Kinder aus meinem Ort, mit denen ich täglich spielte, akzeptierten mich so wie ich bin. Problematisch wurde es erst, wenn ich auf Kinder aus einer entfernten Nachbarschaft getroffen bin“, erzählt Possi. „Glücklicherweise war ich nicht schüchtern, sondern immer selbstbewusst und kämpferisch genug, um zu wissen, was meine Rechte und Möglichkeiten sind.“
Eine zweite Heimat
Seine alte Uni-Stadt betrachtet Abdallah Saleh Possi als eine zweite Heimat. „Erlangen war der erste Ort, an dem ich für eine längere Zeit außerhalb von Tansania gelebt habe. Die Ruhe und dass ich mit dem Fahrrad überall hingekommen bin, habe ich sehr genossen. Es ist schön zu sehen, dass Erlangen immer noch ihrem Ruf als Fahrradstadt gerecht wird“, erinnert sich Possi. Auch heute kehrt er gerne an seine Alma Mater zurück, wo er sich dann mit ehemaligen Professoren und Kollegen trifft oder für Studierende des Human Rights Masterstudiengangs Vorträge hält.