Welt-Aids-Tag 2018: „Eine Impfung wäre der wirksamste Schutz“
Neue Impfstoffe sollen bis 2020 am Menschen getestet werden
Weltweit leben 36,9 Millionen Menschen mit HIV, dem Humanen Immundefizienz-Virus, aus dem sich die Immunschwächekrankheit Aids entwickelt. Rund 1,8 Millionen HIV-Infizierte kamen allein im Jahr 2016 dazu. In Deutschland sind 88.400 Menschen mit dem Virus infiziert, in Bayern sind es mehr als 11.700 „Aids ist immer noch nicht heilbar und erfordert eine Therapie bis zum Lebensende“, erklärt Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen, anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember 2018. Weil lebenslange HIV-Therapien, die 15.000 Euro jährlich kosten, in vielen Regionen der Welt kaum finanzierbar sind, haben HIV-Impfstoffe eine große Bedeutung.
„HIV-Infektionen und Aids werden nicht mehr als großes gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Und das, obwohl die Ansteckungsgefahr gleichbleibend hoch ist“, beklagt Prof. Überla. „Die Menschen sind unvorsichtig geworden. Mehr als jeder Tausendste ist bundesweit HIV-infiziert – das ist mehr als jemals zuvor.“
Angesichts der konstanten Ansteckungsgefahr sind HIV-Impfstoffe dringend nötig. Prof. Überla erforscht sie seit über 20 Jahren. „Um einen wirksamen Impfstoff generieren zu können, müssen wir zum einen besser verstehen, wie bestimmte Proteine an der Oberfläche des HI-Virus funktionieren, die Angriffspunkt für wirksame Antikörper sind. Zum anderen brauchen wir die Unterstützung der körpereigenen T-Helferzellen – also eben jener Immunzellen, die das HI-Virus befällt und zerstört“, so der HIV-Experte. „Es gibt viel Aufklärung über Aids, Schutzmaßnahmen wie Kondome und für Nicht-Infizierte mit einem hohen Ansteckungsrisiko sogar vorbeugende PrEP-Medikamente (HIV-Präexpositionsprophylaxe), die aber eine regelmäßige Tabletteneinnahme voraussetzen. Doch eine Impfung wäre nach wie vor der wirksamste und kostengünstigste Schutz vor Aids, allen voran für die Menschen in Afrika. Allerdings schützt der beste bisher getestete Impfstoff nur zu 30 Prozent – wir arbeiten an einer deutlichen Steigerung.“
Das Ziel: präventive und therapeutische Impfstoffe entwickeln
Prof. Überla ist als Erlanger Experte auch im Konsortium EAVI2020 (European Aids Vaccine Initiative) vertreten, das im November 2015 an den Start ging und in dem seit drei Jahren Wissenschaftler aus 22 Institutionen und Unternehmen in Europa, Australien, Kanada und den USA ihr Wissen zu HIV bündeln. Ihr Ziel ist es, präventive und therapeutische Impfstoffe zu entwickeln. Bis 2020 sollen die ersten experimentellen Vakzinen am Menschen getestet werden. „Zur Verbesserung der HIV-Impfstoffe nutzen wir Immunantworten, die von bereits zugelassenen Impfstoffen hervorgerufen werden“, erklärt Klaus Überla. „Zuerst arbeiteten wir mit dem Impfstoff gegen Tetanus, aktuell machen wir uns die Wirkung der Hepatitis-B-Impfung zunutze. Die Idee ist, nicht bei jeder Impfung von vorn zu beginnen, sondern bereits bestehende Immunantworten für unsere Zwecke einzuspannen‘.“ Existierende Impfstoffe aktivieren die T-Helferzellen des Körpers – wichtige Zellen des Immunsystems, die Viren, Bakterien und Parasiten erkennen. Die T-Helferzellen identifizieren körperfremde Eindringlinge anhand bestimmter Eiweiße auf deren Oberfläche. Ziel ist es, diese Erkennungsmechanismen in einen HIV-Impfstoff einzubauen und so auch die Immunantwort gegen das HI-Virus zu verbessern.
Hintergrund: HIV und Aids
Über 90 Prozent der HIV-Neuinfektionen in Deutschland gehen laut Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf eine sexuelle Übertragung zurück. Vor allem Männer, die mit Männern Sex haben, sowie Menschen, die aus Ländern mit einer hohen HIV-Verbreitung stammen, sind gefährdet. Kondome spielen als Schutzmaßnahme gegen HIV eine zentrale Rolle, weil sie verhindern, dass potenziell infektiöse Flüssigkeiten in den Körper gelangen. Eine besonders hohe Ansteckungsgefahr besteht zu Beginn einer Infektion – dann, wenn sich die HI-Viren im Körper sehr stark vermehren. Gerade in dieser Anfangsphase wissen die meisten Menschen noch gar nicht, dass sie infiziert sind und andere leicht anstecken können. In Deutschland ist Hochrechnungen zufolge 12.700 Menschen nicht bekannt, dass sie HIV haben. Im Jahr 2016 nahmen bundesweit 64.900 Menschen HIV-Medikamente ein, um den Ausbruch von Aids zu verhindern – das sind 86 Prozent derer, die eine HIV-Diagnose erhalten haben.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Klaus Überla
Tel.: 09131 85-23563
klaus.ueberla@uk-erlangen.de