Nachgefragt: Mit Austausch und Kooperation gegen Sepsis und Co.
Prof. Dr. Robert Grützmann und Dr. Georg Weber über Gegenwart und Zukunft chirurgischer Forschung
Technischer Fortschritt und neue wissenschaftliche Erkenntnisse: Chirurgie befindet sich im ständigen Wandel. Mit den Herausforderungen an eine moderne chirurgische Forschung beschäftigen sich nationale und internationale Chirurgen und im Bereich der Chirurgie tätige Wissenschaftler auf den 22. Chirurgischen Forschungstagen, die vom 6. bis 8. September im Universitätsklinikum Erlangen, stattfinden. Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Robert Grützmann und Dr. Georg Weber aus der Chirurgie des Uniklinikums Erlangen erklären, was man sich unter chirurgischer Forschung vorstellen kann.
Wenn man an Chirurgen denkt, hat man Operationen und Skalpelle im Sinn. Was kann man sich unter chirurgischer Forschung vorstellen?
Das Ziel der chirurgischen Forschung ist, die Behandlung von Patienten mit teilweise oder komplett chirurgisch therapierbaren Erkrankungen zu verbessern. Von der Frage darüber, welche Naht am besten ist, über das Züchten von Zellkulturen bis hin zum Nutzen von Operationsrobotern: Das Spektrum chirurgischer Forschung reicht von der Grundlagenwissenschaft über experimentelle, klinische und Anwendungsforschung bis hin zur Versorgungsforschung, bei der die Ausstattung, Vernetzung und Behandlungsmöglichkeiten einzelner Krankenhäuser betrachtet wird.
Forschende Chirurgen befinden sich also an der Schnittstelle zwischen Forschung und klinischer Anwendung. Durch die Interdisziplinarität stehen wir nicht nur im klinischen Alltag, sondern auch in der Forschung mit Kollegen aus nicht-chirurgischen Bereichen in regem Kontakt.
Was beschäftigt die chirurgische Forschung aktuell? Welche Bereiche werden jetzt und in Zukunft eine besondere Rolle spielen?
Krebserkrankungen und entzündungsbedingte Krankheiten wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder die Blutvergiftung, medizinisch Sepsis, nehmen immer weiter zu. Deswegen fokussiert sich die chirurgische Forschung besonders auf diese Art der Erkrankungen.
Daneben gibt es zunehmend Bestrebungen, durch die Nutzung neuer Technologien dem Patienten im chirurgischen Alltag zu helfen. Ein Beispiel dafür ist das „Cinematic Rendering“, das medizinische Bilder realitätsnah und dreidimensional darstellen kann. Mit Hilfe dieser genauen 3D-Bilder kann man Patienten bestimmte Krankheiten vor Augen führen und so besser erklären. Diese Technik kann zudem zur Planung von Operationen genutzt werden. Auf diese Weise können Chirurgen Eingriffe besser planen und Komplikationen währenddessen vermeiden.
Ein zunehmend wichtiger Bestandteil ist auch die Versorgungsforschung: Manche Operationen können beispielsweise nicht an jedem Krankenhaus durchgeführt werden. Das muss aber erst einmal festgestellt und notiert werden. Aus den Daten werden dann Rückschlüsse gezogen, um gegebenenfalls bestimmte Erkrankungen nur noch an den dafür bestimmten Zentren behandeln zu lassen. Dies hat zum einen direkte Auswirkungen auf die Behandlung einer Erkrankung, und nimmt zum anderen Einfluss auf zukünftige Entscheidungen auf politischer Ebene.
Wo liegen die Forschungsschwerpunkte der FAU?
In der Chirurgie liegen sie vor allem in der immunologischen, also Entzündungsforschung: Die Sepsis und die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen werden hier besonders erforscht. Zusätzlich sind durch die bestehenden Karzinomzentren, wie zum Beispiel das Pankreaskarzinom- oder Darmkrebszentrum, führende Wissenschaftler der FAU im Bereich der Tumorforschung tätig.
Was würden Sie als einen Meilenstein chirurgischer Forschung – an der FAU und allgemein – der letzten 10 Jahren ansehen?
Die Entwicklung von Organoidkulturen, also kleinen künstlichen Gewebemodellen, ist eine wichtige Errungenschaft. Mit deren Hilfe kann zum Beispiel getestet werden, welche Chemotherapeutika bei Tumorerkrankungen abhängig der jeweiligen genetischen Veränderungen der Tumorzellen am besten wirken.
Ein weiterer Meilenstein wird sicherlich das bessere Verständnis von Immunprozessen sein, womit wir eine Sepsis und chronisch-entzündliche Erkrankungen besser therapieren können. Zu guter Letzt werden roboterunterstützte Operationen die Qualität der Behandlung verbessern.
Auf den Chirurgischen Forschungstagen kommen Chirurgen verschiedenster Fachgebiete zusammen. Was kann diese interdisziplinäre Zusammenarbeit für die weitere Entwicklung der chirurgischen Forschung leisten?
Durch den regen wissenschaftlichen Austausch, die Interdisziplinarität und die dadurch entstehenden Synergien sind die Forschungstage ein idealer Treffpunkt, um neue Ideen und Forschungsansätze fächerübergreifend zu diskutieren. Die Präsentation von Forschungsansätzen der verschiedenen Fachrichtungen erlaubt Chirurgen anderer Gebiete neue Ansätze für Ihre eigene Forschung zu übernehmen. Dabei kommt es zu einem Wissenstransfer, der ohne eine solche Plattform unter Umständen nicht zustande kommen würde. Die Zukunft der chirurgischen Forschung liegt in der Kombination der verschiedenen Forschungsansätze, um die Erkenntnisse aus der Grundlagenwissenschaft bis hin zur Umsetzung in der Klinik schneller und effektiver zu gestalten.
Für die kostenpflichtige Tagung können sich Ärzte und medizinisches Fachpersonal bis 5.9. unter https://forschungstage2018.de/anmeldung anmelden.
Weitere Informationen: https://forschungstage2018.de
Informationen:
Dr. Georg Weber
Tel.: 09131/85-33296 (Pforte)
georg.weber@uk-erlangen.de