Ungleiche Abschlüsse

Bewerber mit einem qualifizierenden Berufsabschluss aus dem Ausland haben es in Deutschland trotz Fachkräftemangel schlechtere Chancen als Bewerber mit deutschem Abhscluss. (Bild: shutterstock.com/fizkes)
Bewerber mit einem qualifizierenden Berufsabschluss aus dem Ausland haben es in Deutschland trotz Fachkräftemangel schlechtere Chancen als Bewerber mit deutschem Abschluss. (Bild: shutterstock.com/fizkes)

Der deutsche Arbeitsmarkt: Noch immer brennt der branchenübergreifende Fachkräftemangel den Unternehmen auf den Nägeln. Andererseits ist eine zunehmende Arbeitsmigration zu beobachten – es gilt, zugewanderte Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Eine bedeutende Rolle spielen dabei ausländische Berufsabschlüsse. „Sie sind für Arbeitgeber oft weniger informativ als deutsche Zertifikate“, sagt Prof. Dr. Martin Abraham, Inhaber des FAU-Lehrstuhls für Soziologie und Empirische Sozialforschung. „Dies kann sich negativ auf die Einstellungschancen der Personen auswirken, die in ihren Herkunftsländern ausgebildet wurden.“

Wie gehen Unternehmen mit den ausländischen Bewerbern und deren Qualifikationsnachweisen um? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen den ausländischen Zertifikaten und den Entscheidungen der Vorgesetzten? An der Schnittstelle zwischen Soziologie und Wirtschaftswissenschaften untersuchen dies Martin Abraham und Dr. Andreas Damelang sowie Felix Stumpf und Sabine Ebensperger. „Ausländische Bildungszertifikate auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ heißt die Studie, die in einem DFG-Schwerpunkt „Der deutsche Arbeitsmarkt in der Globalisierung“ angesiedelt ist.

Arbeitsperspektive erforschen

Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass nicht nur für Personalabteilungen interessant sein dürfte. „Deutsche Arbeitgeber stellen ihre Arbeitsplätze enorm darauf ab, dass Bewerber deutsche Zertifikate mitbringen, und tun sich schwer im Umgang mit den Kompetenzen ausländischer Bewerber – und damit, diese einzustellen“, sagt Abraham. Man befürchte mögliche Angestellte noch ausbilden zu müssen. Die Idealvorstellung sei ein ausgebildeter und direkt einsetzbarer Mitarbeiter.

Stellen Unternehmen Mitarbeiter ein, ist bei den meisten Berufen ein Abschluss gefragt, der im dualen System und damit nach einheitlichen Standards erworben wurde. „Die deutsche Ausbildung ist der Goldstandard“, weiß Abraham. Je näher ausländische Bewerber an sie heranrücken, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, eingestellt zu werden. Dennoch haben die Forscher einen gewissen Grad an Benachteiligung festgestellt: „Bei gleicher Ausbildung und gleichen Fähigkeiten bevorzugen Arbeitgeber deutsche Bewerber“, erläutert Felix Stumpf.

Mit diesem Projekt betreten die FAU-Soziologen Neuland, denn die Arbeitgeberperspektive wird kaum erforscht. Um möglichst breite Aussagen treffen zu können, konzentrierten sie sich auf vier Ausbildungsberufe: Bürokaufleute, Feinwerkmechaniker sowie Hotel- und Logistikfachkräfte – Berufe, in denen Fachkräfte dringend benötigt werden. In einem Umfrage-Experiment haben die Wissenschaftler den Personalentscheidern eine Reihe hypothetischer Bewerber präsentiert und damit Auswahlprozesse simuliert. Variiert wurden dabei unterschiedliche Faktoren: ob ausländische Zertifikate anerkannt oder teilanerkannt sind, das Alter von Bewerbern oder wie lange diese bereits in Deutschland leben. Den Soziologen war es dabei wichtig, dass sich Personaler von der Nationalität des Bewerbers keine konkrete Vorstellung machen konnten. „Solche Experimente sind ideal, um eindeutig nachvollziehen zu können, wie sich einzelne Bewerbermerkmale auf die Entscheidung von Arbeitgebern auswirken“, sagt Felix Stumpf. Und wie wahrscheinlich es ist, dass Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.


Das FAU-Magazin alexander

Dieser Text erschien zuerst im alexander (Ausgabe 108) – dem Magazin rund um alles, was an der FAU gerade aktuell ist.

Die Ausgabe 108 hat unter anderem folgende Themen: 50 Jahre RRZE, Datenbanken in den Geisteswissenschaften, die Digital Tech Academy und der Elitestudiengang „Standards of Decision-Making Across Cultures“.