Ausstellung „Klassen-Kämpfe. Schülerproteste 1968-1972“

Schüler mit abgelegten Plakaten
Schüler ruhen sich aus bei einer Anti-Atomwaffen-Demo 1967. Frankfurt am Main war eines der Epizentren der deutschen Studentenbewegung, aber auch der deutschen Friedensbewegung mit einer Vielzahl an Aktionen und Demonstrationen. (Bild: Björn Luley)

Eine Ausstellung mit Lernlabor des Schulmuseums Nürnberg

Die vom Schulmuseum der und der Zentralkustodie der FAU entwickelte Sonderausstellung „Klassen-Kämpfe. Schülerproteste 1968-1972“ geht vom 27. Juli bis 28. Oktober 2018 im Museum Industriekultur in Nürnberg den Beweggründen, Facetten und Folgen der Protestbewegung nach.

Sie fordern Abschaffung der Noten, Sex statt Religion, Marx statt Rechtschreibung. Sie wehren sich gegen prügelnde Lehrer und verbrennen Klassenbücher. Sie besetzen Schulämter und Straßenbahnen und marschieren Seite an Seite mit Anführern wie Rudi Dutschke gegen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg: Neben der rebellierenden Studentenschaft proben vor 50 Jahren auch die Schülerinnen und Schüler den Aufstand. Anfang der 1960er-Jahre sind es wenige, Einzelgänger, leicht zu ignorieren und in den Griff zu bekommen. Doch 1967 bis 1972 wird daraus ein Massenphänomen, das nahezu alle Gymnasien in Westdeutschland in irgendeiner Weise ergreift. Während an etlichen Schulen eher still und von den Medien unbemerkt rebelliert wird, werden andernorts Klassenzimmer und selbst Lehrerkonferenzen zu Kampfzonen, geraten einige Schulen an den Rand der Anarchie. Manche sprechen gar von einem „Kinderkreuzzug“. Auch in Nürnberg, Erlangen und Umgebung kommt es zu zahlreichen Aktionen und Auseinandersetzungen.

Die Ausstellung geht den Absichten und Beweggründen der Schülerproteste nach und beleuchtet Facetten und Folgen des jugendlichen Aufbegehrens vor dem Hintergrund der Geschichte der frühen Bundesrepublik.

Schüler mit Plakat "Schüler aller Klassen vereinigt euch"
Schüler demonstrieren in Berlin 1969 unter einem Transparent mit abgewandeltem Zitat von Karl Marx. (Bild: Wilfried Bauer)

 

Innovative Präsentation

Die Präsentation verbindet dazu eine klassische Ausstellungseinheit mit neuen, innovativen Darstellungsformen, an denen sich Schülerinnen und Schüler, aber auch Erwachsene in besonders intensiver Form sowie eigenständig mit den Themen beschäftigen und sich austauschen können. Eine Vielzahl unbekannter und sehr persönlicher Objekte, darunter Tagebücher, Flugblätter, Fotografien und Schulaufsätze, sowie private Tonbandaufnahmen und Zeitzeugenberichte – beispielsweise von Schriftsteller Fitzgerald Kusz oder dem Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann – erzählen die Geschichte aus der Perspektive der damals 15- bis 18-Jährigen. Ausgewählte Themen werden durch Tablets unterstützt, die zwischen Besuchern und historischen Objekten interagieren – entwickelt wurden sie durch das Institut für Lern-Innovation der FAU (ILI). Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit hat zudem eigene Handreichungen für Lehrkräfte und Schulklassen entwickelt.

Im Mittelpunkt stehen vor allem die Motive der damaligen Jugendlichen. Warum erscheint ein 17-jähriger Schüler wieder und wieder barfuß oder mit langen Haaren in der Schule, und nimmt die Strafen geduldig in Kauf? Warum verweigert eine begabte Schülerin kurz vor dem Abitur jede Teilnahme am Matheunterricht? Wie wird aus einem einfachen Protest weniger Schüler gegen öffentliche Fahrpreiserhöhungen ein Großaufstand inklusive tagelanger Straßenschlachten mit der Polizei? Warum entfacht eine Schülerzeitung mit einem harmlosen Fragebogen zum Thema Sexualität einen bundesweiten Medienaufstand? Woher kommt diese erstaunliche Energie? Was motiviert diese Jugendlichen und jungen Leute? Warum genau zu diesem Zeitpunkt? Hatten sie Erfolg? Wer sind die Menschen hinter diesen erstaunlichen Aktivitäten? Wie verhalten sich die Lehrer, die Schulleiter, die Schulverwaltung und die Eltern? Die Ausstellung nimmt hinsichtlich dieser Fragen vor allem die beiden Ballungsräume Nürnberg und Frankfurt am Main in den Blick, um einen Eindruck von der für Bildung und Demokratie folgenreichen Schülerbewegung der Jahre 1968 bis 1972 zu gewinnen.

 

Deckblatt Schülerzeitung
Unter Mitwirkung von Studenten des SDS bildet sich auch in Erlangen eine linke Schülergruppierung. Deren „rote schüler presse“ richtet sich an Nürnberger, Fürther und Erlanger Jugendliche. Das Blatt will den Forderungen der Schülerschaft unzensiert Gehör verschaffen und die „gesellschaftlich bedingte Unterdrückung der Lernbedürfnisse“ verbessern. Aus dem Jahr 1969. (Bild: Schulmuseum Nürnberg)

Aus Schülern werden Studenten

Die Ausstellung gliedert sich in 10 Themen, die das erste Aufbegehren seit den 1950er-Jahren und schließlich den Kern der Revolte in den Jahren zwischen 1968 und 1972 an den Schulen spiegeln: Rollenbilder, Idole, Sexualität, Pop-Musik, Prügel und Gewalt, Provokationen, die schulinternen Auseinandersetzungen bzw. „Klassenkämpfe“, die schulübergreifende Rebellion, Veränderungen und Reformen und den Umgang mit der NS-Vergangenheit.

Die Revolte der Schülerinnen und Schüler lässt die zentralen Fragen der Entwicklung von Schule und Bildung nach dem Ende der NS-Diktatur sichtbar werden, aber auch den massiven gesellschaftlich, sozialen und politischen Umbruch der 1960er- und 1970er-Jahre. Jenseits aller Bilder von Provokation und Krawall spiegeln Protest und Widerstand der Jugendlichen vor allem den Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung, nach mehr Demokratie und einer umfassenden Reform von Schule und Bildung.

Langfristig haben die Proteste Folgen: Aus den Anfang der 1960er rebellierenden Schülern entwickelt sich 1968 der Kern des studentischen Protests. Die Schülerrevolte wiederum stärkt den Reformern in Schule und Politik den Rücken. Zahlreiche Forderungen werden von der Schulpolitik und den einzelnen Schulen aufgegriffen, das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ändert sich tiefgreifend. Fragen nach Bildung und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung erhalten nicht zuletzt durch die Schülerbewegung große Aufmerksamkeit und werden zum Gegenstand intensiver politischer Debatten. So stellen sich viele Fragen von damals heute wieder, wenngleich in aktualisierter Gestalt.

Die Ausstellung ist eine Initiative des Schulmuseums Nürnberg und der Zentralkustodie der FAU in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und dem Museum für Kommunikation Frankfurt.

Deckblatt Schülerzeitung
Die Schülerzeitung „Mobil“ möchte 1968 zum bundesweiten Sprachrohr der linksorientierten Schülerbewegung werden. Ihr Kampf richtet sich längst nicht nur gegen schulische Missstände, sondern gegen die herrschende Politik, gegen Polizei und Verfassungsschutz, den Vietnamkrieg oder die nach Kriegsende in ihre Ämter zurückgekehrten Nationalsozialisten. Welche Verhältnisse man an den deutschen Schulen vermutet, beschreibt das anspielungsreiche Titelbild: Ein Schwein unter einer preußischen Pickelhaube – das Symbol schlechthin für deutsche Disziplin und willenlosen Gehorsam. Das Zitat verweist auf Friedrich den Großen, der seine zurückweichenden Soldaten angeblich anschrie „Hunde, wollt ihr ewig leben?“. (Bild: Schulmuseum Nürnberg)

Zeitzeugen-Gespräche

Im September können Schulklassen für ihren Besuch unter der Woche auch Gespräche mit Zeitzeugen buchen, um Schülerinnen und Schüler von damals zu befragen und mit ihnen zu diskutieren. Für Oktober sind öffentliche Zeitzeugen-Gespräche geplant. Nähere Informationen finden sich ab September unter: www.schulmuseum.fau.de

Moderiertes Lernlabor

Wie sah der Alltag von Schülerinnen und Schülern vor 50 Jahren aus? Warum kam es in dieser Zeit zu solchen Protestaktionen? Wofür oder wogegen wurde dabei gestritten? An Lernstationen, die gemeinsam mit Mittelschulen und Gymnasien aus der Region entwickelt wurden, kann diesen und weiteren Fragen nachgegangen werden. Hierzu können originale Objekte miteinander verglichen, kombiniert und untersucht werden. Begleitet und moderiert wird dieses Lernlabor durch pädagogische Fachkräfte.

Zielgruppe: ab Klassenstufe 8
Dauer: 90 Minuten
Kosten: 20 Euro pro Klasse/Gruppe (zzgl. Museumseintritt)

Öffnungszeiten

Di bis Fr 9-13 Uhr für Schulklassen und Gruppen (nur nach Anmeldung)
Di bis Fr 13-17 Uhr sowie Sa und So 10-18 Uhr für Einzelbesucher (Gruppen nur nach Anmeldung)
In den bayerischen Sommerferien täglich geöffnet für alle (Gruppen nur nach Anmeldung):
Di bis Fr 9-17 Uhr sowie Sa und So 10-18 Uhr

Adresse

Die Ausstellung des Schulmuseums befindet sich in den Räumen des Museum Industriekultur:
Äußere Sulzbacher Straße 62
90478 Nürnberg

Information und Anmeldung für Gruppen

Schulmuseum (Verwaltung)
Tel.: 0911/5302-574
schulmuseum@fau.de
www.schulmuseum.fau.de

Weitere Informationen:

Dr. Mathias Rösch
Tel.: 0911/5302-574
mathias.roesch@fau.de