Geographen erforschen antike Landnutzung am Jordangraben
Spuren im Staub
Geographen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sind dem Wandel des Klimas und der Landnutzung in der südlichen Levante seit der letzten Eiszeit auf der Spur. Gemeinsam mit Kollegen aus Jordanien, Israel und Palästina untersuchen sie Staubablagerungen in antiken Ruinen, Zisternen und Terrassenfeldern östlich und westlich des Jordangrabens. Die Sedimente sollen Rückschlüsse auf Siedlungsstrukturen, Anbaukulturen, Landschaftsveränderungen und Klimafluktuationen ermöglichen. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Die südliche Levante, also das Gebiet der östlichen Mittelmeerküste und ihres Hinterlandes, ist eine der geschichtsträchtigsten Regionen der Welt. Sie ist geprägt von den biblischen Orten in Israel und Palästina, von der Koexistenz verschiedener Religionen, von Zeiten kulturellen Aufschwungs und Niedergangs. Trotz ihrer enormen geschichtlichen Bedeutung sind viele Aspekte der Region jedoch unerforscht: Was begünstigte die Hochkultur von der Eisenzeit bis zur byzantinischen Periode? Welche Handelsbeziehungen und landwirtschaftlichen Strukturen sicherten das Überleben am Rande der Wüste? Was führte zu Stagnation und Abwanderung etwa tausend Jahre nach Christus?
Staub birgt viele Geheimnisse
Nicht nur Historiker und Archäologen, auch Geographen stellen sich diese Fragen. Und suchen nach Antworten, zum Beispiel im Staub. „Über Staubablagerungen während des Holozäns wissen wir noch relativ wenig“, sagt Dr. Bernhard Lucke vom Institut für Geographie der FAU. „Dabei sind die Menschen der Levante seit Jahrtausenden auf den Staubtransport aus der Nilregion angewiesen, der sich als fruchtbarer Lössboden niederschlägt.“ In einem von der DFG geförderten Projekt untersucht Lucke gemeinsam mit Kollegen aus Jordanien, Israel und Palästina solche Staubsedimente, die nicht nur über die Nutzung durch den Menschen Auskunft geben, sondern auch hervorragende Klimaarchive sind und selbst regionale und abrupte Klimaveränderungen abbilden. Lucke: „Für uns ist genau das interessant, was die Archäologen meist so schnell wie möglich weggraben, um an ihre Artefakte zu gelangen.“
Ruinen, Zisternen und Terrassen als Staubarchive
Als Untersuchungsobjekte dienen vor allem Zeugnisse menschlicher Besiedlung am Jordangraben – von archäologischen Ruinen über Terrassensysteme bis hin zu Zisternen. „Ruinen, die auf Hügelkuppen liegen, beherbergen nur äolischen, also vom Wind transportierten Staub, dessen Alter sich zudem exakt bestimmen lässt“, erklärt Bernhard Lucke. Somit ist der Ruinenstaub eine gute Referenz für weitere Untersuchungsobjekte, etwa antike Terrassen und Zisternen, die deutlich stärker von lokalem Sedimenttransport durch Wasser und durch menschliche Umlagerungen gekennzeichnet sind. Vergleichende Surveys sollen beispielsweise klären helfen, was auf den inzwischen erodierten Terrassensystemen angebaut wurde, ob sie überhaupt landwirtschaftlich genutzt wurden oder möglicherweise einem anderen Zweck dienten. Die Analyse von Sedimenten in Zisternen und benachbarten Aufwerfungen könnte beispielsweise Klarheit darüber bringen, wie lange und wie intensiv ein bestimmter Ort besiedelt wurde.
Was geschah vor 1000 Jahren?
Die Forscher konzentrieren ihre Untersuchungen auf einen Zeitraum von der Eisenzeit bis zur byzantinischen Periode. In dieser Zeit erlebte die südliche Levante einen beispiellosen kulturellen Aufschwung, der vor ungefähr 1000 Jahren ziemlich abrupt endete. „Es gibt viele Theorien, die diesen Niedergang zu erklären versuchen“, sagt Bernhard Lucke. „Die Bandbreite reicht von der Eroberung und Abwirtschaftung der Gebiete durch die Muslime über die Verheerung durch die Kreuzzüge bis hin zu einer plötzlichen Klimaveränderung. Wir wollen herausfinden, ob Staubablagerungen in archäologischen Strukturen mehr darüber verraten.“
Weitere Informationen:
PD Dr. Bernhard Lucke
Tel.: 09131/85-23305
bernhard.lucke@fau.de