Von der Sackgasse zur (Daten-)Autobahn
MIRACUM-Konsortium lädt zum Kick-Off-Symposium am 22. und 23. Februar im Hörsaalgebäude der Medizinischen Fakultät, Ulmenweg 18, Erlangen ein
Patientendaten besser für die Forschung und die Patientenversorgung nutzbar machen – das ist das Ziel von MIRACUM, einem Konsortium das vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU koordiniert wird. Es ist eines von vier Konsortien, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 120 Millionen Euro bis 2021 gefördert wird.
Am 22. und 23. Februar feiert MIRACUM im Hörsaalgebäude der Medizinischen Fakultät, Ulmenweg 18, in Erlangen nun sein offizielles Kick-Off mit einem Symposium – und stellt dabei bereits allererste Ergebnisse vor: So hat eine erste Analyse ergeben, dass eine neue, schonendere Behandlungsoption bei Schlaganfällen zwar insgesamt zunehmend häufiger angewendet wird, es jedoch Unterschiede zwischen den einzelnen Einrichtungen gibt.
Das MIRACUM-Konsortium (Medical Informatics in Research and Care in University Medicine) wird im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MI-I) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ab 2018 mit 32,1 Millionen Euro gefördert. Hinter MIRACUM stehen acht Universitäten mit Universitätskliniken, zwei Hochschulen und ein Industriepartner.
Ziel von MIRACUM ist es, die derzeit sehr unterschiedlichen Dateninseln aus Krankenversorgung und Forschung in Datenintegrationszentren zusammenzuführen, um die Daten mit Hilfe von innovativen IT-Lösungen für Forschungsprojekte und konkrete Therapieentscheidungen zentral nutzen zu können. Klinische Befunde, bildgebende Diagnostik sowie genetische und molekulare Untersuchungen sind Beispiele von Informationen aus der Klinik, die MIRACUM vernetzt, um zukünftig beispielsweise Lungenerkrankungen oder auch Hirntumoren mit verbesserter Trennschärfe verschiedenen Untergruppen zuzuordnen, und Patienten somit zielgerichteter und wirkungsvoller behandeln zu können.
Prof. Dr. Jürgen Schüttler, Dekan der Medizinischen Fakultät: „Das Engagement im MIRACUM-Konsortium fügt sich hervorragend in das Forschungsszenario unserer Fakultät ein. Eines unserer Leuchtturmprojekte ist unser vor 10 Jahren ebenfalls mit Hilfe des BMBF gestartete Exzellenzzentrum für Medizintechnik, das Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg. MIRACUM bietet nun eine ausgezeichnete Möglichkeit für eine komplementäre Ergänzung der mehr technisch ausgerichteten Medical-Valley-Aktivitäten durch die systematische Bearbeitung des Gesamtfelds von Datenakquisition und vernetztem Datenmanagement im Gesundheitswesen.“
Die ersten Ergebnisse
Bereits in der Konzeptphase hat das MIRACUM-Konsortium erste Ergebnisse erzielt. Inspiriert von einem Besuch verschiedener exzellenter medizininformatischer Forschungsstandorte in New York, Boston und Nashville, setzten die Forscher auf den pragmatischen Beispielen und Vorarbeiten der Amerikaner auf und konzipierten in kürzester Zeit eine erste Version ihrer Datenintegrationszentren. Diese wurden auch bereits mit anonymisierten Datensätzen befüllt.
Darauf aufbauend analysierten die Wissenschaftler eine erste klinische Fragestellung. Sie gingen der Frage nach, inwiefern eine neue Behandlungsoption, die sogenannte Thrombektomie, bereits bei Schlaganfall-Patienten eingesetzt wurde. Die Thrombektomie ist ein relativ schonendes Verfahren, um Blutgerinnsel zu entfernen. Auf der Basis von etwa drei Millionen dezentral und anonymisiert bereitgestellten Krankenhausfällen aus den acht Konsortialkliniken konnten die Wissenschaftler unter anderem nachweisen, dass sich von 2014 bis 2016 die Thrombektomierate bei Schlaganfallpatienten fast verdoppelte (von durchschnittlich 4,7 auf 9,6 Prozent).
Gleichzeitig griffen die MIRACUM-Kliniken den neuen Therapieansatz unterschiedlich häufig auf: Im Jahr 2016 schwankten die Werte der acht Kliniken zwischen 5,8 und 17 Prozent. „Dies ist nur der erste Schritt, den das MIRACUM-Konsortium unter Nutzung von Abrechnungsdaten – Diagnosen und Prozeduren – bereits in der Konzeptphase umsetzen konnte“, erläutert Prof. Dr. Ulli Prokosch, der Erlanger Koordinator des MIRACUM-Konsortiums. „In den kommenden vier Jahren werden wir an den demnächst zehn oder elf MIRACUM-Standorten Datenintegrationszentren aufbauen, in denen wir die Vielzahl der in der Krankenversorgung dokumentierten klinischen Daten und Bilddaten, aber auch Forschungsdaten, zum Beispiel aus genomischen und molekularen Hochdurchsatzanalysen integrieren, standortübergreifend harmonisieren und für deutlich weitergehende Analysen nutzbar machen werden.
Letztendlich etablieren wir IT-Infrastrukturen, die den Forschern eine Vielzahl von Werkzeugen für unterschiedlichste Analysen zur Verfügung stellen und damit dem medizinischen Erkenntnisgewinn dienen sollen.“ Prof. Schüttler fügt hinzu: „Im Sinne der konsequenten Umsetzung von S3-Leitlinien könnten diese Ergebnisse ausschlaggebend sein für eine verbesserte Patientenversorgung an allen Standorten.“
Der nächste Schritt
MIRACUM ist das größte geförderte Konsortium der Medizininformatik-Initiative – und wächst voraussichtlich noch weiter. Denn im nächsten Schritt sollen bisher nicht geförderte Universitätsklinikstandorte an die Konsortien angeschlossen werden. Dafür stellt das BMBF weitere 30 Millionen Euro zur Verfügung. MIRACUM stimmt sich dafür mit den Universitätskliniken Dresden, Greifswald und Lübeck ab. Im Falle einer positiven Begutachtung durch das internationale Gutachtergremium würde MIRACUM bereits ein Drittel aller deutschen Universitätskliniken umfassen.
MIRACUM-Kick-Off-Symposium
Auf seinem Kick-Off-Symposium am 22. und 23. Februar im Hörsaalgebäude der Medizinischen Fakultät im Ulmenweg stellt das Konsortium seine ersten Projektergebnisse sowie das MIRACUM-Gesamtkonzept der Öffentlichkeit vor. Dabei werden auch die drei definierten Anwendungsszenarien anhand derer MIRACUM den Wert der gemeinsamen Datennutzung demonstrieren will, präsentiert: Patientenrekrutierung bei klinischen Studien, Prädiktionsmodelle für Patienten mit Asthma/COPD bzw. Hirntumoren und Präzisionsmedizin in der Tumortherapie am Beispiel Molekularer Tumorboards.
Zudem werden Vortragende aus der New York Columbia University, dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York, dem NIH in Washington, aus dem Human Brain Project, dem Academic Medical Center of the University of Amsterdam, dem DKFZ in Heidelberg der Medizinischen Informatik der Universität Graz und der Standardisierungsorganisation HL7 internationales Wissen beisteuern.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch
Tel.: 09131/85-26721
hans-ulrich.prokosch@fau.de
So nutzt die Forschung Patientendaten
Für Fragen rund um das Thema Datenspende hat die Medizininformatik-Initiative eine Webseite für Patientinnen und Patienten eingerichtet: www.vernetzen-forschen-heilen.de