Neue Therapieempfehlung bei mechanischer Herzklappe und Hirnblutung

Wecker im Kopf
Bild: Colourbox.de

Weltweit größte Studie definiert optimales Zeitfenster für Gabe von Blutverdünnern

Patienten mit mechanischen Herzklappen werden mit blutverdünnenden Medikamenten vor typischen Komplikationen wie einem Schlaganfall geschützt. Kommt es aber durch die starke Blutverdünnung zur Hirnblutung, gab es bislang keine fundierten Empfehlungen, wie in der Akutphase mit dieser Medikation umzugehen ist. Jetzt haben Experten aus 22 Klinika in einer bundesweiten Studie eine Therapieempfehlung erarbeiten können. „Wir empfehlen, bei Hochrisikopatienten ab einer Woche nach der Hirnblutung wieder mit einer Blutverdünnung zu beginnen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Hagen Huttner, leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen. Die Studienergebnisse wurden heute im European Heart Journal veröffentlicht.

„Unsere Studie hat sich mit einem echten Dilemma der Intensivmedizin beschäftigt “, so Prof. Schwab, der ebenfalls Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. ist. „Patienten mit mechanischer Herzklappe benötigen einerseits eine starke Blutverdünnung, um die Bildung von Blutgerinnseln zu vermeiden, anderseits sind wir bei einer Hirnblutung eigentlich angehalten, die Blutverdünner abzusetzen, ohne jedoch zu wissen, wann wir mit diesen wieder beginnen sollten. Dank der Studie haben wir endlich klarere Daten zur Behandlung dieser Patienten.“
Bei der weltweit größten Untersuchung über den Zusammenhang von Blutverdünnern und Hirnblutungen bei Patienten mit mechanischen Herzklappen haben Experten aus 22 deutschen Universitätsklinika und Krankenhäusern der Maximalversorgung die Daten von über 2.500 Patienten mit Hirnblutungen ausgewertet. Von ihnen hatten insgesamt 166 Patienten mit mechanischer Herzklappe eine Hirnblutung unter „Marcumar“ erlitten.

Im Rahmen der Studie verglichen die Forscher Patienten mit einer mechanischen Herzklappe, die im Therapieverlauf erneut mit Blutverdünnern behandelt wurden (48 Prozent), mit denen, die keine Blutverdünner mehr bekamen. „Innerhalb der ersten zwei Wochen zeigte sich in der ersten Gruppe mit Blutverdünnern ein deutlich erhöhtes Risiko für neue Blutungskomplikationen mit einer Häufigkeit von fast 26 Prozent. Das Risiko der zweiten Gruppe ohne Blutverdünner lag dagegen bei nur etwa 6 Prozent“, sagt Studienleiter Hagen Huttner. Im Hinblick auf ischämische Komplikationen, z. B. Schlaganfälle, ausgelöst durch eine Blutgerinnselbildung an der künstlichen Herzklappe, gab es in beiden Gruppen nur geringe Unterschiede. Diesem ersten Ergebnis fügten die Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg um Studienleiter Prof. Huttner und die Erstautoren Dr. Joji Kuramatsu und Dr. Jochen Sembill weitere Analysen hinzu.

„Mittels komplexer statistischer Verfahren konnten wir im zweiten Schritt den Zeitkorridor für die erneute Gabe von Blutverdünnern ermitteln“, erklärt Prof. Huttner. „So ist das Blutungsrisiko bis knapp zwei Wochen nach Erleiden der Hirnblutung signifikant erhöht. Wenn man jedoch das Blutungsrisiko gegen das Risiko einer Blutgerinnselbildung aufwiegt, so kann ab einer Woche nach Hirnblutung eine Blutverdünnung bei Hochrisikopatienten wieder begonnen werden.“
Für Prof. Dr. Stephan Achenbach, Direktor der Medizinischen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie des Uni-Klinikums Erlangen und Mitautor der Studie, sind die Studienergebnisse wegweisend für die Akut- und Notfallmedizin: „Wenn Ärzte bei einem Patienten mit mechanischer Herzklappe und Blutverdünnern auf eine Hirnblutung reagieren müssen, gibt es nun erstmals eine solide Datenlage, die den Ärzten eine Therapieempfehlung an die Hand gibt.“

Die Studienergebnisse mit dem Titel „Management of therapeutic anticoagulation in patients with intracerebral haemorrhage and mechanical heart valves“ wurden jetzt im Fachmagazin European Heart Journal veröffentlicht.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Hagen Huttner
Tel.: 09131 85-33001
hagen.huttner@uk-erlangen.de