Medien und Wissenschaft
Wie Medien unser Bild von Wissenschaft prägen und welche Bedeutung der Zugang dazu hat
Medien prägen Bilder. Bilder von Politik, Gesellschaft und Menschen, aber auch von der Wissenschaft und ihrem Betrieb. Medien helfen der Wissenschaft fachspezifischen Informationen innerhalb der Community weiterzugeben und kommunizieren wissenschaftliche Erkenntnisse an die breite Öffentlichkeit. Der Zugang zu Medien ist jedoch nicht immer problemlos. Er kann absichtlich eingeschränkt sein oder aufgrund technologischer Defizite verwehrt bleiben. Wir haben Prof. Dr. Kay Kirchmann, Inhaber des Lehrstuhls für Medienwissenschaften der FAU, über den Zugang zu Medien und ihre Bedeutung für die Wissenschaft befragt.
Wie prägen Medien unser Bild von Wissenschaft?
Nach dem berühmten Bonmot des Soziologen Niklas Luhmann wissen wir ja „alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, durch die Medien“. Heißt im Umkehrschluss eben auch, dass wir nichts wissen können, was nicht durch irgendein Medium, sei es Sprache, Schrift, Bild oder Ton etc., zu uns gelangt.
Das betrifft zum einen die wissenschaftliche Binnenkommunikation selbst, die ja erst durch den Buchdruck überhaupt ihre neuzeitliche Prägung erfahren hat, und die sich heute im Zeitalter der digitalen Kommunikation einer beständigen Beschleunigung der Wissensbestände und des Redens darüber ausgesetzt sieht.
Das betrifft zum anderen aber auch das gesellschaftliche Wissen über Wissenschaft. Nicht von ungefähr leisten sich alle Universitäten Öffentlichkeits- und Presseabteilungen, eigene Web- und Facebook-Auftritte, um auch jenseits von Fachjournalen und -portalen am öffentlichen Bild der Wissenschaft mitwirken zu können.
Lässt sich festmachen, welche Bedeutung die sich rasant ändernden Medien zukünftig für die Wissenschaft haben werden, vor allem in Bezug auf den Wissenstransfer sowohl innerhalb der Wissenschaftscommunity als auch zu den Bürgerinnen und Bürgern?
Ich finde es immer sehr schwierig abzuschätzen bis zu welchem Grad und in welcher Frequenz die sogenannte ‚breite Öffentlichkeit‘ tatsächlich Einblick in den wissenschaftlichen Alltag bekommen möchte, der ja auch größtenteils erfrischend unspektakulär bis banal verläuft. Daran hat sich auch durch die neuen Medien meines Erachtens nach nichts Grundlegendes geändert.
Was die interne Wissenschaftskommunikation angeht, so hat sich diese natürlich längst auch auf digitale Kanäle und Plattformen ausgedehnt, was man ja an der universitären Lehre schon seit Langem beobachten kann, Stichwort: E-Learning.
Auf jeden Fall besteht inzwischen auch von Seiten der Forschungsförderung durch Bund, Länder oder Stiftungen die Erwartung, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht länger nur noch in der klassischen Papierform zu publizieren, sondern neben Open-Access-Formaten auch andere, multimediale Formen der Wissensdarstellung zu erproben und zu praktizieren, etwa in Gestalt von Podcasts, Videoauftritten, Skype-Liveschaltungen und vielem anderen mehr. Dieser Trend wird sich fraglos noch weiter verstärken.
Wie äußern sich Barrieren im Zugang zu Medien? Was ist darunter zu verstehen?
Medienzugang ist immer (schon) an Voraussetzungen gebunden (gewesen), die von ökonomischen über rechtliche oder technische Rahmenbedingungen bis hin zu Fragen der Nutzungskompetenz reichen. Vom Kauf einer Eintrittskarte für den Theater- oder Kinobesuch, passwortgeschützten Bereichen im Web, der Erhebung von GEZ- oder Streaming-Gebühren bis hin zu Formen der Zensur in allen Medien lassen sich zahlreiche Beispiele dafür finden, dass der Zugang zur Mediennutzung immer Beschränkungen unterworfen ist, die dann entsprechende Nutzergruppen ein- oder eben auch ausschließen. Wir dürfen nicht vergessen, dass beträchtliche Teile unserer Welt immer noch keinen Zugang zu digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien haben, 2016 waren dies zum Beispiel in Afrika noch rund 70Prozent der Bevölkerung. Und die sogenannte digitale Kluft bedeutet natürlich immer auch eine Wissenskluft.
Nicht zuletzt bestimmen aber auch sensorische Beeinträchtigungen auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer den Zugang zu Medien, wobei inzwischen versucht wird, derartige Barrieren durch weitere zwischengeschaltete Medien, wie zum Beispiel Blinden-Apps, zu kompensieren – ein sehr aktuelles Thema, das übrigens gleich in mehreren Panels auf unserer Tagung Gegenstand sein wird.
Wie können sich beschränkte Zugänge zu Medien auf eine Wissensgesellschaft auswirken?
Wir haben in den letzten Jahren zahllose Beispiele für Eingriffe in die Verteilung von beziehungsweise den Zugang zu Wissen durch politische oder ökonomische Interessengruppen erleben müssen. Ich nenne beispielhaft nur die kürzlich geschehene Teilabschaltung der Wikipedia-Seiten durch die türkische Regierung. Jenseits solcher staatlichen Restriktionsversuche, die es ja immer schon gegeben hat, gilt aber sehr viel grundsätzlicher: Die seit den 1990er Jahren zu beobachtende und anhaltende Euphorie über das Internet als Ort einer absolut ‚freien‘ Kommunikation und eines ‚unbegrenzten‘ Wissens hat immer schon verkannt, dass es so etwas schlicht nicht geben kann. Es ist strukturell besehen wie bei jeder anderen Form der Zufuhr von materiellen oder immateriellen Gütern auch. Salopp gesagt: Wo ein Hahn geöffnet wird, kann dieser natürlich jederzeit von irgendjemanden auch – und sei es nur vorübergehend – wieder zugedreht werden.
Vom 4. bis 7. Oktober richtet die FAU eine öffentliche medienwissenschaftliche Tagung zum Thema „Zugänge“ unter gleichem Titel in Erlangen und Nürnberg aus. In 180 Vorträgen diskutieren die Referenten und Referentinnen grundsätzliche Aspekte des historischen, gegenwärtigen und künftigen Mediengebrauchs und vor allem dessen Zugangsbarrieren. Sie sollen Anschlussstellen zu aktuellen gesellschaftlichen, pädagogischen, ethischen sowie rechtlichen Diskussionsfeldern bieten. Der Eintritt ist frei.
Mehr Informationen und das Programm finden sie hier: http://www.gfm2017.de/
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Kay Kirchmann
Tel.: 09131 85-29350
kay.kirchmann@fau.de