Geträgerte Metalltropfen als neuartige Reaktionsbeschleuniger
Chemieingenieure, Chemiker und Physiker der FAU entwickeln gemeinsam im Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials ein fundamental neues Materialkonzept für die Katalyse
Katalysatoren lösen chemische Reaktionen aus, beschleunigen sie oder erhöhen drastisch die Ausbeute an gewünschtem Produkt. Neue und bessere Katalysatoren gelten daher als Schlüssel für nachhaltigere und effizientere Produktionsverfahren in der Chemischen Industrie. Fünf Professoren der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es nun in einem gemeinsamen Forschungsprojekt gelungen, mit einem neuen Materialkonzept bekannte Nachteile technisch genutzter Katalysatoren zu umgehen und deutlich leistungsfähigere Katalysatoren zu entwickeln.
Bei der neuen katalytischen Materialklasse handelt es sich um flüssige Legierungstropfen, die auf porösen Trägern anhaften und in dieser Form mit den gasförmigen Reaktanden in Kontakt gebracht werden. Die flüssige Natur der mikroskopisch kleinen Legierungstropfen ergibt sich durch einen sehr hohen Anteil an niedrig schmelzendem Gallium. Dieser Überschuss an Gallium führt gleichzeitig dazu, dass die gelöste zweite Metallkomponente atomar dispergiert vorliegt, also einzelne in Gallium gelöste Metallatome für die katalytische Aktivität verantwortlich sind. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Nature Chemistry (DOI: 10.1038/NCHEM.2822) veröffentlicht.
Geträgerte Flüssigkeiten
Im letzten Jahrzehnt haben sich FAU-Forscher immer wieder mit besonderen Materialinnovationen im Bereich der Katalyse international einen Namen gemacht. Folgerichtig bildet der Bereich „Katalytische Materialien“ eine wichtige Säule im Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) der FAU. Häufig waren dabei geträgerte Flüssigkeiten von zentralem Interesse für die FAU-Forscher. Solche geträgerten Flüssigkatalysatoren verbinden nämlich die Vorteile molekular maßgeschneiderter Reaktionsbeschleuniger mit einer leichten Abtrennbarkeit des Katalysators von den Produkten. Der jetzt in Nature Chemistry publizierte Ansatz überträgt das Prinzip der geträgerten Flüssigkatalyse erstmals auf Metalllegierungen. Dass flüssige Legierungen überhaupt katalytische Aktivität zeigen, wird dabei zum ersten Mal gezeigt.
Mehr noch: Die erzielten Ergebnisse stellen bereits mit den ersten getesteten Materialkombinationen langjährig entwickelte technische Katalysatoren in den Schatten. „Besonders interessant ist“, so der Reaktionstechniker Peter Wasserscheid, „dass die geträgerten Metalltropfen praktisch keine Deaktivierung durch Kohlenstoffablagerung zeigen. Solche Ablagerungen stellen den wichtigsten Grund für die Katalysatordeaktivierung in der petrochemischen Industrie bei katalytischer Umsetzung unter hohen Temperaturen dar.“ Die Forscher konnten diesen technisch hochrelevanten Effekt am Beispiel der Dehydrierung von Butan belegen. Die spezielle strukturelle Natur der neuen Materialklasse wurde im Zusammenspiel der mikroskopischen Untersuchungen der Gruppe von Wolfgang Peukert, der spektroskopischen Untersuchungen der Gruppe von Hans-Peter Steinrück und Christian Papp, der röntgenographischen Untersuchungen der Gruppe von Rainer Hock und der Berechnungen der Gruppe von Andreas Görling nachgewiesen.
Erfolgsgeheimnis Gallium
Eine zentrale Rolle für die neue katalytische Materialklasse nimmt das Element Gallium ein. Elementares Gallium schmilzt bei 30 Grad Celsius und siedet bei 2400 Grad Celsius. Es besitzt die einzigartige Fähigkeit, fast alle Metalle zu lösen. Unter Luftkontakt bildet Gallium ultradünne Oxidschichten aus, die sich aber unter den Bedingungen vieler katalytischer Reaktionen wieder zu elementarem Gallium zurückverwandeln. Bisher haben die FAU-Forscher ihre spektakulären Ergebnisse mit gelöstem Palladium in Gallium erzielen können. Nun wollen sie weiter untersuchen, ob sich die außergewöhnlichen Effekte auch auf Nichtedelmetalle, die in Gallium gelöst sind, und andere chemische Reaktionen übertragen lassen. „Unsere Berechnungen lassen vermuten, dass einzelne Metallatome gelöst in Gallium ganz andere reaktive Eigenschaften aufweisen als das gleiche Metall in kristalliner Form üblicherweise besitzt“, sagt Andreas Görling. „Das begründet unsere Faszination für diese neue Klasse katalytischer Materialien: Wir sind überzeugt davon, dass sich mit geträgerten Legierungstropfen hocheffiziente und sehr kostengünstige Katalysatoren entwickeln lassen, die großes Potenzial für die industrielle Anwendung besitzen“, ergänzt Hans-Peter Steinrück.
Der Exzellenzcluster EAM
Der Exzellenzcluster EAM untersucht seit 2007 die Erforschung und Entwicklung neuartiger Materialien. Der Cluster, mit rund 200 Mitarbeitern aus neun Disziplinen, wird mit insgesamt rund 73 Millionen Euro bis 2017 gefördert. Der EAM hat durch seine Forschung die Entwicklung von neuen Hochleistungsmaterialien in den Bereichen Katalyse, Leichtbau, Nanoelektronik, Optik und Photonik erheblich vorangetrieben.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Peter Wasserscheid
Tel.: 09131/85-27420
peter.wasserscheid@fau.de