FAU-Forscher testen Tomografen auf Parabelflug
Gut durchgeschüttelt
Der Leidenfrost-Effekt sorgt dafür, dass Wassertropfen auf einer heißen Kochplatte schweben und langsamer verdampfen. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch bei in Schwingung versetztem Granulat beobachten. Man spricht dann vom granularen Leidenfrost-Effekt. Bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass unterschiedliche äußere Faktoren, darunter die Schwerkraft, diesen bedingen. Allerdings lassen Computersimulationen vermuten, dass dieser auch in Schwerelosigkeit auftritt. Inwiefern dies zutrifft und die Bedingungen, unter denen das Phänomen auftritt, wollen Wissenschaftler der FAU mit einem neu entwickelten Röntgentomografen in einer Reihe von Parabelflügen untersuchen, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) regelmäßig für Wissenschaftler deutscher Universitäten und Hochschulen anbietet. Die gewonnenen Erkenntnisse sind besonders für die Effizienz von Schwingungsdämpfern relevant.
Schwebende Wassertropfen
Der Leidenfrost-Effekt – Wir alle haben ihn schon beobachtet, wenn uns beim Kochen Wasser auf die heiße Platte tropft. Die Wassertropfen tänzeln dann über die Kochplatte, sie schweben ähnlich Luftkissenbooten über der heißen Oberfläche. Dafür ist ein durch die schnelle Verdampfung unterhalb des Tropfens entstandenes Gaskissen verantwortlich. Dieses Kissen isoliert den Tropfen vor der Hitze und sorgt somit dafür, dass der Wassertropfen sehr langsam verdampft.
Der granulare Leidenfrost-Effekt beschreibt nun das Verhalten von körnigem, festem Material in einem vertikal vibrierenden Behälter. Bei schwacher Vibration bleiben die Körner auf dem Boden des Behälters liegen und folgen der Bewegung. Bei sehr starker und schneller Vibration, beginnt sich in einem bestimmten Bereich oberhalb des Bodens das Granulat in einem dichten Cluster zu sammeln. Unter diesem bildet sich, ähnlich dem Wassertropfen auf der heißen Platte, ein Bereich mit sehr viel weniger Granulat, man könnte sagen, gasförmigem Granulat. Dies ist mit dem Gaskissen zwischen Wassertropfen und Kochplatte zu vergleichen, während der vibrierende Boden die heiße Platte darstellt. Natürlich gelten auch noch andere physikalische Unterschiede: Zum Beispiel besitzt ein Cluster von sich gegenseitig abstoßenden Körnchen keine Oberflächenspannung wie Wasser. Auch ist keine Verdampfungswärme beteiligt.
„In der Theorie erklärte man das Phänomen bisher mit einem Wechselspiel zwischen der durch die Vibration des Behälters eingebrachte Energie, sich durch die dadurch entstehenden Stöße verteilenden Teilchen sowie durch das Wirken der Schwerkraft“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Pöschel, Leiter der Untersuchung und Inhaber des Lehrstuhls für Multiscale Simulation of Particulate Systems der FAU. Mathematische Computersimulationen lassen nun aber vermuten, dass der Effekt auch ohne die Schwerkraft auftritt.
Ein Tomograf in der Schwerelosigkeit
Um diese Vermutung experimentell zu bestätigen und die Bedingungen zu untersuchen, unter denen der granulare Leidenfrost-Effekt zu beobachten ist, steigen Pöschel und seine Mitarbeiter Michael Heckel, Harol Torres Menendez und Achim Sack mit ihrem Experiment für die 30. Parabelflugkampagne der DLR, die vom 11. Bis 15. September stattfindet, in Bordeaux in ein Flugzeug der französischen Firma Novespace. Mit dem umgebauten Airbus A 310 fliegen die Erlanger zusammen mit 10 weiteren Teams 31 Parabeln pro Flugtag. Bei jeder Parabel herrscht dann im Inneren des Flugzeugs für 22 Sekunden nahezu Schwerelosigkeit. In dieser kurzen Zeit müssen die FAU-Wissenschaftler mit ihrem Röntgentomografen alle Daten für ein vollständiges Tomogramm des Granulats aufnehmen – eine der Herausforderungen des Experiments.
Hierbei kommt ein neuentwickeltes Gerät zum Einsatz, mit dem Pöschel und sein Team radiographische Hochgeschwindigkeitsfilme unter Bedingungen der Schwerelosigkeit aufnehmen können. Die Probe wird dafür in einer austauschbaren Zelle in der modular aufgebauten Röntgenkabine angebracht, das eigentliche Röntgengerät ist hingegen fest installiert. So lässt sich der Versuchsaufbau einfach umbauen und für andere Experimente nutzen. „Es gab zwar in der Vergangenheit röntgentechnische Untersuchungen in der Schwerelosigkeit, aber meines Wissens nach wurde bisher noch kein vollständiges Tomogramm auf einem Parabelflug aufgenommen“, erklärt Dr. Michael Heckel, der nun schon zum dritten Mal mit an Bord ist. „Mit dem Flug wollen wir also auch beweisen, dass die Anlage funktioniert.“
Doch haben die Untersuchungen auch einen ganz praktischen Nutzen, nämlich dort wo zukünftig granulare Schwingungsdämpfer zum Einsatz kommen, wie an Windrädern, Eisenbahnbrücken, Waschmaschinen oder Knochensägen. Dort sollen die Dämpfer Schwingungen abfangen, indem die Kügelchen des Granulats in ihrem Inneren durch Schwingungen in Bewegung gesetzt, zusammenstoßen und so Bewegungsenergie in Wärmeenergie umwandeln. „Verschiedene Experimente und Simulationen haben gezeigt, dass der granulare Leidenfrost-Effekt die Effizienz solcher Dämpfer stark negativ beeinflusst“, sagt Pöschel. Um diesen Effekt zu umgehen, müssen die Dämpfer dann dementsprechend ausgelegt werden, erklärt der Erlanger Forscher. Um dies zu ermöglichen, wollen Pöschel und sein Team mithilfe ihres Experiments ein tieferes theoretisches Verständnis für den granularen Leidenfrost-Effekt gewinnen.
Weitere Informationen zum Parabelflug und den verschiedenen Experimenten unter: www.dlr.de
Informationen:
Prof. Dr. Thorsten Pöschel
Tel.: 09131/85-20865
thorsten.poeschel@fau.de