Allergiezellen als „Kickstarter“ der Blutgerinnung und Auslöser von Thrombosen identifiziert

Eosinophile Granulozyten (rote Zellen) tragen innerhalb einer Thrombose (sog. Thrombozyten sind in türkis gefärbt) zum Thrombuswachstum bei. (Bild: FAU/Jochen Ackermann)
Eosinophile Granulozyten (rote Zellen) tragen innerhalb einer Thrombose (sog. Thrombozyten sind in türkis gefärbt) zum Thrombuswachstum bei. (Bild: FAU/Jochen Ackermann)

Wissenschaftler der FAU haben einen neuen Mechanismus entschlüsselt, der zentral in die Blutstillung nach Verletzungen sowie in die Entstehung von Thrombosen eingreift. Die Auswertung klinischer Daten von Patienten mit Herzinfarkten, Schlaganfällen und Beinvenenthrombosen führte das Team um Prof. Dr. Gerhard Krönke von der Medizinischen Klinik 3 des Universitätsklinikums Erlangen auf die Spur einer Untergruppe von weißen Blutkörperchen, den Eosinophilen Granulozyten.

Diese Immunzellen wurden bisher hauptsächlich mit allergischen Erkrankungen und der Abwehr von Wurminfektionen in Verbindung gebracht. Die kürzlich im Journal of Experimental Medicine veröffentlichten Daten (DOI: 10.1084/jem.20161070) zeigen nun allerdings, dass Eosinophile Granulozyten zentrale Manager der Blutgerinnung und -stillung sind.

Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenembolie stellen die häufigsten Todesursachen in Industrienationen und zunehmend auch in Entwicklungsländern dar. Ursache für diese Erkrankungen ist meist ein akuter Gefäßverschluss, wobei ein Gerinnsel im Gefäß entsteht, welches dieses verschließt und zur Unterversorgung des betroffenen Organs mit Sauerstoff führt. Die Mechanismen, die zur Entstehung von Thrombosen führen, sind bisher jedoch nicht vollständig geklärt.

Überraschende Funktion in der Blutgerinnung

In Kooperation mit Wissenschaftlern aus Großbritannien, den USA, Italien, Österreich und Deutschland gelang es der Arbeitsgruppe von Prof. Krönke einen wichtigen neuen Mechanismus der Thromboseentstehung zu entschlüsseln. Überraschenderweise spielt hierbei das Immunsystem eine entscheidende Rolle:  Eine Untergruppe weißer Blutkörperchen, sogenannte Eosinophile („rot-liebenden“) Granulozyten fördert nicht nur die Blutgerinnung, sondern begünstigt auch die Entstehung von Thrombosen.

Diese Entdeckung war für die Wissenschaftler völlig überraschend: Bisher gingen Forscher davon aus, dass diese Zellen in erster Linie an der Abwehr von Wurminfektionen beteiligt sind und darüber hinaus eine wichtige Rolle bei allergischen Erkrankungen wie Asthma und Heuschnupfen spielen. „Durch gezielte enzymatische Veränderungen ihrer Zellmembran sind Eosinophile Granulozyten jedoch in der Lage, die Blutgerinnung zu aktivieren und somit zur Stabilisierung eines Blutgerinnsels beizutragen“, erklärt Dr. Stefan Uderhardt, Erstautor der Studie.

Das fördert einerseits einen raschen Wundverschluss nach Gefäßverletzungen und verhindert hierdurch einen übermäßigen Blutverlust, scheint allerdings auch ein substanzielles Thromboserisiko mit sich zu bringen. So konnte das Wissenschaftlerteam zeigen, dass eine verstärkte Aktivierung dieser Zellen mit einer Steigerung des Schlaganfall- und Herzinfarktrisikos verbunden ist.

Evolutionär konservierter Zelltyp

„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass ein evolutionär sehr alter Teil des Immunsystem dazu entwickelt wurde, Verletzungen des Körpers abzudichten und hierdurch Schäden einzudämmen“, sagt FAU-Forscher Dr. Jochen Ackermann, der andere Erstautor der Studie. Eosinophile Granulozyten gehören zu den ältesten Zellen des Immunsystems und sind in nahezu allen höheren Tieren anzutreffen. Durch die neu gewonnenen Einsichten erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler neue Möglichkeiten zur therapeutischen Beeinflussung der Blutgerinnung, um Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall besser therapieren zu können.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Gerd Krönke
Tel.: 09131/85-33015
gerhard.kroenke@uk-erlangen.de