Dr. Herbert B. Schmidt
Dr. Herbert B. Schmidt wurde 1931 in Ostpreußen geboren und studierte Ende der 40er-Jahre Rechtswissenschaften an der FAU. Von 1963 bis 1970 war er Bundesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates der CDU, den er mitbegründete. 1990 war Dr. Schmidt in die wirtschaftliche Umstrukturierung der DDR eingebunden, als Ressortleiter Wirtschaft des Bezirks Dresden der noch real existierenden DDR sowie als Mitglied des Sachverständigenrats des letzten DDR-Wirtschaftsministers. Seine in dieser Zeit entwickelte Ausschreibungsmethode zur optimalen Privatisierung wurde von der Treuhandanstalt übernommen, zu der er Ende 1990 wechselte. Weltweite Anerkennung erlangte Dr. Schmidt als Chefberater der estnischen Regierung für Privatisierung von 1992 bis 1996. Er trieb im Auftrag der von der Treuhandanstalt gegründeten und beaufsichtigten “Treuhand Osteuropaberatung GmbH“ (TOB) die Privatisierung entscheidend voran und sorgte dafür, dass die estnische Wirtschaft sich zu einer der erfolgreichsten des ehemaligen Ostblocks entwickelte.
Während seiner Kanzlerzeit habe ich als Geschäftsführer des Wirtschaftsrats politisch an der Seite Ludwig Erhards gekämpft und auch danach persönlichen Kontakt zu ihm gepflegt. Er wurde mein Vorbild.
Herr Dr. Schmidt, warum haben Sie sich damals für ein Studium in Erlangen und an der FAU entschieden?
Weil meine Schwester dort schon Zahnmedizin studierte und die FAU lobte.
Gibt es eine Begebenheit aus Ihrer Studienzeit, an die Sie sich besonders gerne erinnern?
An die Vorlesungen von Professor Schoeps.
Sie sind ein großer Verehrer der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards. Was ist der Grund dafür?
Ludwig Erhard ist der Retter Deutschlands aus seiner größten Not. Seine ureigene Philosophie der Sozialen Marktwirtschaft hat ihren Ursprung in seiner Studienzeit an der Handelshochschule Nürnberg und in Erlangen 1919-1922. Während seiner Kanzlerzeit habe ich als Geschäftsführer des Wirtschaftsrats politisch an der Seite Ludwig Erhards gekämpft und auch danach persönlichen Kontakt zu ihm gepflegt. Er wurde mein Vorbild.
Wie „sozial“ ist die deutsche Wirtschaft heute und wie „sozial“ kann und muss sie in Ihren Augen sein?
Die „Wirtschaft“ als Summe aller Wirtschaftenden ist immer sozial, weil sie Arbeitsplätze und Arbeitseinkommen schafft. Und je mehr sie wächst und Gewinne macht, umso sozialer kann sie sein und Steuern zahlen zum Unterhalt des Gemeinwesens. Der Staat muss ihr nur die dazugehörenden Rahmenbedingungen schaffen, als Schiedsrichter, nicht als Mitspieler.
Was machte die Privatisierung der estnischen Wirtschaft nach Ende der Sowjetunion zu einem so großen Erfolg?
Dafür waren verschiedene Faktoren ausschlaggebend – von der sofortigen Ordnung des Geldwesens über die Einführung eines revolutionären Steuersystems, der sogenannten „flat tax“ bis hin zu wichtigen Rahmenbedingungen wie der Schaffung von Rechtssicherheit und einer – von allen Parteien verfolgten – Konstanz in der Wirtschaftspolitik. Ich habe die Erfolgsfaktoren seinerzeit in einem Essay für die Ludwig-Erhard-Stiftung zusammengefasst, in dem Interessierte die Details in aller Ausführlichkeit nachlesen können (S. 27: http://www.ludwig-erhard.de/wp-content/uploads/Orientierungen-141_web.pdf).
Was war damals entscheidend?
In Kürze vielleicht nur so viel: Essenziell war aus meiner Sicht, dass man sich bei der Privatisierung gleich zu Anfang für die ordnungspolitisch richtige Philosophie und Methode entschieden hatte – nämlich die ganz zielgerichtete Suche zur Schaffung von Eigentümern, die mit dem 100-prozentigen Kauf der Staatsbetriebe alle Chancen und Risiken übernahmen. Es ging quasi um eine Privatisierung als Schocktherapie. Es wurde dabei – im Unterschied zu anderen Ostblockländern – auch ganz gezielt nach ausländischen Käufern gesucht. Die Frage „Schnell – oder perfekt?“ wurde damals ebenfalls heiß diskutiert – und aus meiner Sicht richtig beantwortet: Geschwindigkeit war an dieser Stelle politisch wichtiger und ökonomisch sinnvoller als Perfektion anzustreben: Ein perfekter Rechtszustand ist ein nie zu erreichendes Ideal – und Warten hätte jede Privatisierung unmöglich gemacht.
Das Vorgehen der Treuhandanstalt in den 1990er-Jahren und Privatisierungen im Allgemeinen werden heutzutage zum Teil sehr kritisch gesehen. Als Negativ-Beispiel gilt häufig die Deutsche Bahn AG. Wie sehen Sie das?
Die heutige Kritik an der Treuhandanstalt ist überheblich und verkennt die damaligen Notwendigkeiten. Privatisierungen damals waren im gesamten Ostblock notwendiger Bestandteil der Transformation von der kommunistischen Zentralplanwirtschaft zur westlichen Marktwirtschaftsordnung. Private Unternehmer wirtschaften mit persönlichem Risiko, bei staatlichen Unternehmen trägt das Risiko der Steuerzahler. Nicht nur die Deutsche Bahn ist ein aktuelles Beispiel, auch BER kann hier erwähnt werden.
Mit Ihrer Dr. Herbert B. Schmidt und Ruth Schmidt-Niemack-Stiftung fördern Sie in den Bereichen Bildung, Erziehung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung. Was ist das Ziel Ihrer Stiftung?
Einziges Ziel ist die Förderung der Mission von Ludwig Erhard.
Sie waren vor kurzem zu Besuch in Erlangen. Wie hat sich die Stadt seit Ihrem Studium verändert?
Erlangen ist größer und moderner, aber leider auch ungemütlicher geworden.