Online gegen Depression

Junge Frau stützt Kopf in eine Hand
Vier Millionen Menschen in Deutschland zeigen Symptome einer Depression, doch nur wenige erhalten eine effektive Therapie. FAU- Forscher wollen das ändern. (Model-Foto: Colourbox.de)

Wie können Internet und Handy-App mithelfen, die Krankheit besser zu behandeln?

Die Stimmung ist gedrückt, man fühlt sich niedergeschlagen, ist kraft- und antriebslos – einen „schlechten Tag“ hat jeder einmal. Kommen aber noch unterschiedliche andere Symptome dazu und wird aus dem „schlechten Tag“ eine längere Phase, könnte eine Depression vorliegen. „Rund 13 bis 20 Prozent der Deutschen leiden im Verlauf ihres Lebens mindestens einmal an einer Depression“, sagt Prof. Dr. Matthias Berking, Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie. Depressionen gehören zu den häufigsten und schwerwiegendsten Erkrankungen unserer Zeit. Gefragt sind dann Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten. Häufig auch Hausärzte. „Sie sind oft der erste Ansprechpartner, weil sie ihre Patienten über einen langen Zeitraum hinweg kennen“, erläutert Berking.

Erste Station Hausarzt

Dass Hausärzte als zentrale Anlaufstelle fungieren, hat aber auch einen ganz anderen Grund. „Es liegt Unterversorgung vor, das heißt, es gibt nicht genügend Psychotherapieplätze für alle Betroffenen.“ Anders gesagt: „Aktuell leiden etwa vier Millionen Menschen in Deutschland an den Symptomen, doch nur wenige erhalten eine effektive Therapie“, ergänzt Berkings Mitarbeiterin Ingrid Titzler. „Die Hälfte der von Depression betroffenen Menschen werden vom Hausarzt betreut, der sich in der medikamentösen Behandlung am sichersten fühlt“, so die Psychologin.
Doch manche Patienten wünschen sich mehr als nur Arznei. Hier können internetgestützte Behandlungsformen eine mögliche Ergänzung zu klassischen Therapiekonzepten sein. „Online-Behandlungen versprechen eine niedrigere Hemmschwelle, verkürzte Wartezeiten sowie orts- und zeitunabhängige Hilfe“, erklärt Wissenschaftlerin Titzler.
Und genau hier setzt das von der Europäischen Kommission geförderte Forschungsprojekt E-COMPARED an, eine Studie über die internetbasierte Therapie zur Verbesserung der Versorgung depressiver Patienten in Hausarztpraxen – die erste ihrer Art. Sie soll die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz der Kombinationsbehandlung belegen.

Acht Länder beteiligt

An dem interdisziplinären Projekt, das in Deutschland unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Berking und Dr. David Daniel Ebert stattfindet, nehmen Institutionen aus Psychologie, Gesundheitstechnologie, Kommunikations- und Informationstechnologie und Gesundheitswesen teil. In acht europäischen Ländern untersuchen Wissenschaftler dabei die Standardbehandlung von Depression mit Hilfe einer Kombination von persönlicher und webbasierter Therapie. Auch eine Smartphone-App kommt zum Einsatz.

Screenshot Webseite Moodbuster
Ein Onlineportal sowie eine App fürs Smartphone ergänzen klassische Therapiekonzepte – bisherige Auswertungen zeigen, dass die Patienten diese Form schätzen.

Bei der internetgestützten Therapie loggen sich die Patienten in einen passwortgeschützten Onlinebereich ein und absolvieren bestimmte Lektionen. Sie lernen via Bildschirm, was genau eine Depression ist und wie sich das Krankheitsbild auswirkt – damit sie sich selbst besser einschätzen können. Auf diese Weise können sie Symptome nicht nur besser beurteilen, sondern bekommen das Gefühl, gegen die Depression selbst etwas tun zu können. Durch interaktive Übungen, Videos und Aufgaben erhalten die Patienten Unterstützung, ihre Depression zu bewältigen und das Gelernte besser in den Alltag zu integrieren. Sich selbst Ziele zu setzen und diese positiv zu formulieren, gehört ebenso zur Therapie, wie eigene Probleme zu lösen und wieder aktiver im Leben zu werden.

Mit der sogenannten Moodbuster-App protokollieren Patienten ihre Stimmung auf ihrem Smartphone, um etwa persönliche Veränderungen nachzuverfolgen. Zudem erhalten die Teilnehmer auch Nachrichten, um sie zu motivieren oder zu stärken. „Die App ist sehr lebensnah und ermöglicht es uns, zum Beispiel spezielle Verhaltensmuster des Patienten zu identifizieren“, erklärt Matthias Berking. Therapeuten ist es dadurch möglich, Stimmungseinbrüche zu erkennen. Eine Rückmeldung bekommen die Patienten über das Internetportal, wo sie Nachrichten über den Therapiefortschritt finden sowie weitere Unterstützung in Anspruch nehmen können. Der zweite Teil der Therapie besteht hingegen aus persönlichen Gesprächen mit der begleitenden Therapeutin oder dem Therapeuten.

Im Durchschnitt 13 Wochen

Durchschnittlich zehn bis 13 Wochen nehmen die Patienten an der Behandlung teil, wechseln Onlinebesuche mit persönlichen Gesprächen vor Ort in der Hochschulambulanz Erlangen ab.
Ausgewertet sind die Studienergebnisse noch nicht. Doch bereits jetzt haben die Wissenschaftler festgestellt, dass die Patienten insgesamt mit dieser Art der Therapie und deren schnellen Verfügbarkeit sehr zufrieden waren und vor allem die Kombination aus zwischenmenschlichem Kontakt und internet- und mobilbasierten Elementen schätzten. Dies zeigt auch die bisherige Forschung: Die Therapie ist wirksamer, wenn sie nicht nur rein online stattfindet.

Noch bieten nur einzelne Krankenkassen ihren eigenen Patienten internetgestützte Behandlungsangebote an, sie gehören noch nicht zur Regelversorgung für alle. Doch die FAU-Forscher sind sich sicher, dass sie langfristig die Versorgungssituation bei Depression verbessern können und die Kombinationstherapie in die Gesundheitsversorgung integriert werden kann.

Das FAU-Magazin alexander

Dieser Text erschient zuerst im alexander – dem Magazin rund um alles, was an der FAU gerade aktuell ist.

Die Ausgabe 103 hat unter anderem folgende Themen: ein Interview anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Technischen Fakultät, ein Artikel über ein besonderes Informatikseminar, ein Plädoyer für Qualitätsmedien, sowie ein Beitrag über einen Besuch in der Mechanik- und Elektronikwerkstatt der FAU.