Über die Anfänge der Technischen Fakultät – und ihre Zukunft

Prof. Dr. Reinhard Lerch
Dekan Prof. Dr. Reinhard Lerch über die Anfänge und Zukunft der Technischen Fakultät. (Bild: Kurt Fuchs)

„Goldrichtiger Zeitpunkt“

Bereits vor über hundert Jahren gab es an der Universität den Wunsch, eine technische Abteilung einzurichten, 1966 war es schließlich soweit – die Technische Fakultät wurde gegründet.

Herr Professor Lerch, ein überfälliger Schritt?

Die Gründung der Fakultät kam einerseits spät, wenn wir es am Alter der FAU messen und am Zeitpunkt der ersten, aus dem Jahre 1903 stammenden Initiative, hier eine Technik-Abteilung zu etablieren, sowie natürlich auch unter dem Aspekt der enormen Bedeutung der Technik für den Wohlstand der Metropolregion. Andererseits gab es gerade in den 60er- und 70er-Jahren eine Aufbruchsstimmung in Deutschland und eine Phase großen Wirtschaftswachstums. Bayern war auf dem Weg vom Agrar- zum Technologieland und die Technische Fakultät konnte den damit verbundenen Aufwind in ihrer Aufbauphase nutzen. Die Gründung kam also zu einem goldrichtigen Zeitpunkt und hatte noch einen Nebeneffekt: Die Fakultät wurde nicht in die Kriegsforschung des Dritten Reichs hineingezogen und blieb davon verschont. Andere technische Universitäten hatten ja darunter zu leiden.

Wie wirkte sich die Gründung der Technischen Fakultät auf Erlangen und die Region aus?

Die Fakultät hat sich in sehr positiver und inspirierender Weise bemerkbar gemacht. Seit ihrem Bestehen stellt sie gut ausgebildete Universitätsabsolventen für die hier angesiedelten Industrieunternehmen zur Verfügung. Auch viele neue Unternehmen, die heute zum regionalen Wirtschaftswachstum beitragen, wurden von Absolventen gegründet. Ein wesentlicher Teil der lokalen Wirtschaftskraft beruht auf Technik und Hochtechnologie, und das setzt nun mal gut ausgebildete Ingenieure voraus. Die Fakultät trägt auch zum Renommee der Metropolregion bei. Beispielsweise leistet sie einen wichtigen Beitrag zum „Medical Valley“, einem Aushängeschild der Region.

Was hat die Ingenieurwissenschaften in den vergangenen 50 Jahren am meisten verändert?

Es ist hier vor allem die Halbleitertechnik zu nennen und die damit möglichen technischen Systeme, wie Computer, autonome Maschinen und die moderne Medizintechnik. Ein heute wichtiger Zweig der Fakultät, nämlich die Informatik, wurde erst durch die Erfindung des Prozessorchips und der darauf basierenden Computer ermöglicht.
Die rasanten Technologieentwicklungen hatten eine zunehmende fachliche Diversifizierung und eine immer feinere Unterteilung in Spezialdisziplinen zur Folge. Das spiegelt sich in der heutigen hohen Anzahl an unterschiedlichen Studiengängen wider. Ursprünglich gab es in den Ingenieurwissenschaften nur ein Studium Generale der Technik; erst im Laufe des 20. Jahrhunderts erfolgte die Aufgliederung in Maschinenbau, Elektrotechnik und weitere Technikfächer. Schön, dass unter dem Dach der Technischen Fakultät alle vereint sind. Meine Kollegen und ich genießen die Nähe zu den benachbarten Disziplinen.

Luftbild Technische Fakultät 70er
So sah die Technische Fakultät in den 70er-Jahren aus. (Bild: Staatliches Bauamt Erlangen-Nürnberg/ Kurt Fuchs)

Was sind aktuell die wichtigsten Forschungsthemen, die Sie und Ihre Kollegen beschäftigen?

Ich möchte vorausschicken, dass bei 57 Lehrstühlen und 120 Professoren die Antwort auf diese Frage aufgrund des hier gebotenen Umfangs zwangsläufig sehr subjektiv und unvollständig bleiben muss. Wichtige Themen sind hochwertige Computersimulationen, um zum Beispiel neue Werkstoffe zu entwickeln, neue Produktionsverfahren, beispielsweise zur präziseren Verformung von Stahlblechen, neue optische Technologien, wie Lasertechnik zur Materialbearbeitung, Leistungselektronik für Gleichstromnetze im häuslichen Bereich, neue Kommunikationstechnologien wie Mobilfunk der 5. Generation oder schnelle optische Übertragungskanäle, Entwicklung von autonomen Systemen, Photovoltaik aus Kunststoffsolarzellen, Smart Materials, das heißt die Integration von Sensoren und Aktoren in Werkstoffe, Werkstoffcharakterisierungen für unterschiedlichste Materialien, chemische Energiespeicher auf Wasserstoffbasis sowie biomedizinische Technik und medizinische Bildverarbeitung in den Bereichen Magnetresonanz, Röntgen und Ultraschall. Daneben wird aber auch an exotischen Themen gearbeitet, wie der Detektion von Fledermäusen in der Nähe von Windkraftanlagen.

Die Technische Fakultät ist mittlerweile die größte Fakultät der FAU. Warum lohnt es sich, hier zu studieren?

Wir bieten eine Vielfalt an Studienrichtungen bei gleichzeitig hohen Qualitätsstandards. Wir sind eine Fakultät, an der man im Sinne kombinierter Studien aus unterschiedlichen Disziplinen über den Tellerrand hinausschauen kann. Wir erzielen beste Rankingergebnisse im nationalen und internationalen Vergleich. Die Lebensqualität in Franken spricht ebenfalls für die FAU. Wir schneiden demzufolge auch bei den Umfragen unter Studierenden und den daraus resultierenden Rankings hervorragend ab. Außerdem gibt es nach dem Studium in der Region adäquate Arbeitsstellen.

Welche drei Eigenschaften sollten Studienanfänger an der Technischen Fakultät unbedingt mitbringen?

Erstens logisches Denken und die Neigung zu Mathematik, Naturwissenschaften und Technik, gepaart mit etwas handwerklichem Verstand und Geschick. Zweitens die Freude und den ständigen Hunger, Neues im Bereich der Technik zu erobern, ohne dabei zunächst einmal den eigenen Vorstellungen Grenzen setzen zu müssen, sowie die gebotene soziale und ethische Kompetenz. Und drittens permanenten Fleiß und die Bereitschaft, sich zu keinem Zeitpunkt seines Berufslebens zur Ruhe zu setzen, sprich der Wille zu lebenslangem Lernen.

Der sogenannte “Rote Platz” am Südgelände der FAU (Bild: FAU/Erich Malter)
Der sogenannte “Rote Platz”
am Südgelände der FAU (Bild: FAU/Erich Malter)

Mit welchen Themen muss sich die Technische Fakultät in Zukunft auseinandersetzen?

Auch in Zukunft werden uns das überdurchschnittliche Wachstum der Studierendenzahlen in den vergangenen Semestern und die neuen, unterschiedlichen Studienrichtungen weiter beschäftigen. Zudem sind wir zur Teilnahme an sehr vielen Wettbewerben aufgefordert, etwa an der neuen Runde der Exzellenzinitiative. Wie bei einer international bedeutenden Fußballmannschaft, die in der Champions League vertreten ist, dürfen wir dabei die vielen gewöhnlichen „Bundesligaspiele“ keineswegs aus dem Auge verlieren, weil sie die Basis für den Fortbestand und den zukünftigen Erfolg darstellen. Als dritter wichtiger Themenbereich sind die notwendige Gebäudesanierung, der große Raumbedarf und die daraus resultierende Standortfrage zu nennen – dies sind weitere außergewöhnliche Herausforderungen, denen wir uns künftig stellen müssen.

Wenn ich Sie in 50 Jahren wieder treffen würde – von welchen technischen Neuerungen und Durchbrüchen würden Sie mir erzählen?

Ich möchte meine Antwort auf ein paar aus meiner Sicht wichtige Zukunftsfelder beschränken. Im Bereich Mobilität werden wir intelligente Verkehrsmittel und Verkehrsleitsysteme entwickeln, die uns auch weiterhin die gewünschte Mobilität garantieren. Der Anteil an Elektrofahrzeugen wird zunehmen, wenn auch nicht mit der derzeit prognostizierten Steigerungsrate. Dazu werden andere Speichertechnologien benötigt als die heutigen Lithium-Ionen-Akkus.

Der personenbezogene Energiebedarf wird aufgrund neuer, ressourcenschonender Technologien, zum Beispiel auch in der Produktion, geringer werden. Der Gesamtenergiebedarf weltweit jedoch wird aufgrund des Bevölkerungswachstums nach wie vor ansteigen. Die regenerativen Energien werden weiter ausgebaut werden. Das Problem der Speicherung von sehr großen Energiemengen muss mit Hilfe intelligenter Systeme und Verfahren gelöst werden.

Unser Leben wird zunehmend von autonomen Systemen geprägt sein, wie autonomes Fahren, automatisierte Fertigungsstraßen oder Serviceroboter, die den Menschen in vielen Bereichen des täglichen Lebens unterstützen werden.

Der Trend zu immer größeren Ballungsgebieten wird anhalten. Die Ingenieure werden mit Smart-City-Projekten dazu beitragen, das Leben dort besser und nachhaltiger zu gestalten. Andererseits wird mit neuer Technik gegengesteuert, damit das „Landleben“ wieder an Attraktivität gewinnt, etwa mit Hilfe moderner Kommunikationsinfrastrukturen im ländlichen Bereich, basierend auf optischen Übertragungswegen und moderner Funktechnik.

Auf dem Feld der Ausbildung und des Entertainments sehen wir außerordentlichen Möglichkeiten im Bereich Virtual Reality entgegen. Und schließlich wird es dank der modernen Medizintechnik ein längeres und besseres Leben geben. Doch gerade in diesem Bereich liegt die Herausforderung darin, die Grenze zu finden zwischen technisch Machbarem und ethisch Vertretbarem.

Ich bin insoweit auch Realist, dass nicht alles nach unseren Vorstellungen laufen wird und wir in Zukunft viele weitere Problemstellungen aus dem Bereich der Technik angehen werden, die wir heute noch gar nicht erahnen, geschweige denn kennen.

Festschrift

Anlässlich des Jubiläums gibt es eine eigene Festschrift mit dem Titel „50 Jahre Technische Fakultät“. Infos dazu unter www.tf.fau.de/50-jahre

Mehr zur FAU im Magazin alexander

Dieses Interview erschien zuerst im alexander – dem Magazin für Aktuelles an der FAU. Weitere Themen der aktuellen Ausgabe: ein Plädoyer für Qualitätsmedien, ein Artikel über einen Besuch in einem besonderen Informatikseminar sowie ein Besuch in der Mechanik- und Elektronikwerkstatt der FAU.