Warum wackelt ein langsames Fahrrad stärker als ein schnelles?
Erklärt von Physikdidaktikerin Dr. Angela Fösel
Sobald ein geeignet konstruiertes Fahrrad ein Tempo von etwa 8 km/h erreicht hat, ist es auch ohne Fahrer, der Ausgleichsbewegungen machen könnte, durch seitliches Anstoßen kaum mehr umzukippen.
Aber warum?
Als Gründe für die Stabilität eines rollenden Fahrrades wurden noch bis vor einigen wenigen Jahren der so genannte gyroskopische Effekt der sich drehenden Räder und der Nachlaufeffekt des Vorderrades genannt: Der gyroskopische Effekt besagt, dass Kreiselkräfte der rotierenden Reifen die Radachse immer wieder aufrichten, sobald sie aus dem Zentrum ausgelenkt wird. Der Nachlaufeffekt meint, dass das Vorderrad der (virtuellen) Verlängerung der Lenkungsachse nachläuft, so wie bei einem Einkaufswagen die Vorderräder dem Gelenk folgen, wenn der Einkäufer den Wagen dreht. Möglich wird dies, weil die (gedachte) Verlängerung der Lenkerachse bzw. der Fahrradgabel vor dem Kontaktpunkt des Vorderrades auf der Straße liegt, so wie sich auch beim Einkaufswagen das Gelenk vor den Vorderrädern befindet.
Ein Modell liefert ganz neue Erkenntnisse
Doch eine Veröffentlichung eines Forscherteams aus den Niederlanden und den USA (Science 332, 339 (2011)) lässt Physiker wie auch Fahrradkonstrukteure umdenken: Die Physiker hatten an einem extrem simplen Fahrradmodell sowohl den gyroskopischen Effekt als auch den Nachlaufeffekt durch Gegeneffekte neutralisiert. Dennoch rollte das Minimalrad weiter und ließ sich auch durch seitliches Anstupsen nicht zu Fall bringen. Die bisher bekannten Effekte tragen damit zur Stabilität bei, sind aber nicht ausschlaggebend; stattdessen sorgen neben anderen Gründen vor allem eine geschickte Verteilung der Gesamtmasse und die Neigung der Fahrradgabel für die Stabilität.
Warum …?
Warum sind manche Wolken grau und manche weiß? Warum wackelt ein langsames Fahrrad stärker als ein schnelles? Warum kann etwas nach Metall riechen? Antworten auf diese spannenden Fragen gibt es in unserer Reihe „Warum …?„.
Das FAU-Magazin alexander
Dieser Text erschient zuerst im alexander – dem Magazin rund um alles, was an der FAU gerade aktuell ist. Die Ausgabe 103 hat unter anderem folgende Themen: ein Interview anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Technischen Fakultät, ein Plädoyer für Qualitätsmedien, ein Artikel über einen Besuch in einem besonderen Informatikseminar sowie ein Besuch in der Mechanik- und Elektronikwerkstatt der FAU.