Mein Ehrenamt bringt mich ins Gefängnis

Als Yogalehrerin in der Frauenabteilung der JVA Bamberg überlegt sich Marietta jede Woche neue Figuren für die Insassinnen (Bild: Marietta Thies).
Als Yogalehrerin in der Frauenabteilung der JVA Bamberg überlegt sich Marietta jede Woche neue Figuren für die Insassinnen (Bild: Marietta Thies).

Viele FAU-Studierende engagieren sich in ihrer Freizeit – ehrenamtlich. Im Stadtrat, für Flüchtlinge oder in einem Verein. In der Reihe „Studierende mit Ehrenamt“ stellen sich Studierende ganz unterschiedlicher Studiengänge vor – dieses Mal Marietta Thies, die im 5. Semester Rechtswissenschaften studiert. In der Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bamberg gibt sie einmal wöchentlich Yogastunden.

Einblick in den Gefängnisalltag

In einer Broschüre der Caritas habe ich entdeckt, dass man sich ehrenamtlich im Strafvollzug engagieren kann. Ich finde, dass es für angehende Juristen – besonders wenn sie im Strafrecht tätig sein wollen – wichtig ist, einen Einblick in den Gefängnisalltag zu bekommen. Deshalb habe ich zum Gefängnisseelsorger Kontakt aufgenommen und auch gleich einen Vorstellungstermin bekommen. Zuerst habe ich sonntags an den gemeinsamen Frühstücken mit Häftlingen teilgenommen, seit Juli bin ich Yogalehrerin.

Während der Stunden bin ich mit den Frauen im Sportraum eingeschlossen – für den Notfall gibt es aber eine Freisprechanlage. Zugegeben, anfangs hat sich das Eingesperrt-sein sehr bedrückend angefühlt, dann allerdings habe ich mich schnell daran gewöhnt. Beruhigend ist es dennoch, nach den Stunden wieder in die Freiheit entlassen zu werden.

Yoga in wechselnder Besetzung

Die Yogastunden selbst laufen ganz unterschiedlich ab. Ich überlege mir für jede Woche neue Figuren und – ganz wichtig – Entspannungsübungen für die Frauen. Die Gruppe wechselt wöchentlich, mal sind wir zu sechst, mal auch nur zu zweit. Das liegt vor allem daran, dass die meisten Häftlinge in Untersuchungshaft sitzen und die Hauptverhandlungen unmittelbar bevorstehen. Die verhängten Strafen werden meist in größeren Haftanstalten verbüßt und die Frauen verlassen die JVA Bamberg wieder. Insgesamt sind wir ein buntgewürfelter Haufen: Frauen jeden Alters, jeder Herkunft und mit ganz verschiedenen Gründen für eine Haftstrafe nehmen an den Yogastunden teil.

Diese Yogafigur nennt sich "Baum" - und erfordert einiges an Gleichgewicht (Bild: Marietta Thies).
Diese Yogafigur nennt sich „Baum“ – und erfordert einiges an Gleichgewicht (Bild: Marietta Thies).

Vor meiner ersten Yogastunde war ich skeptisch, inwieweit die Frauen sich auf ein aktives Entspannen einlassen können. In Vorgesprächen wurde mir nämlich mitgeteilt, dass viele von ihnen auf Drogenentzug sind. Meine Sorge erwies sich aber als unbegründet: Zwar können sich manche Insassinnen besser auf die Situation einlassen als andere, allerdings bemühen sich alle, ruhig zu bleiben, mitzumachen und die anderen nicht zu stören.

Übungen auf engstem Raum

Um die Muskeln der Insassinnen nach dem oft langen Sitzen in den Gefängniszellen zu lockern, fange ich gerne mit dem „Sonnengruß“ an. Generell achte ich darauf, den Frauen Übungen zu zeigen, die Koordination, Kondition und Gleichgewicht trainieren. Je nach den individuellen Fähigkeiten gibt es auch Steigerungen. Weil der Sportraum in der Frauenabteilung sehr klein ist, ist unser Bewegungsradius allerdings recht eingeschränkt. Da kann es schon einmal passieren, dass wir uns am „Baum“ versuchen, jemand das Gleichgewicht verliert und wir alle miteinander umfallen.

Zu lustigen Situation kommt es auch immer wieder nach den Yogastunden: Die JVA Bamberg liegt mitten in der Altstadt – direkt gegenüber der ehemaligen Fischersiedlung Klein-Venedig – und ist deshalb ein beliebter Treffpunkt sowohl für Touristen als auch für Einheimische. Oft werde ich ganz schön verwundert angestarrt, wenn sich das Tor des Gefängnisses öffnet und ich mit meinen Yogasachen gut gelaunt herausspaziere.

Abwechslung für die Insassinnen

Mitten in der Altstadt gelegen - die JVA Bamberg (Bild: Marietta Thies).
Mitten in der Altstadt gelegen – die JVA Bamberg (Bild: Marietta Thies).

Alles in allem macht mir mein Engagement als Yogalehrerin sehr viel Spaß. Obwohl ich nach einer Stunde immer wieder erleichtert bin, die drückende Atmosphäre der JVA verlassen zu dürfen, ist es ein gutes Gefühl, den Frauen etwas Abwechslung in ihren Gefängnisalltag zu bringen. Ich kann ihnen so zeigen, dass sie von der Gesellschaft nicht vergessen werden und dass es Möglichkeiten zur Resozialisierung gibt.

Wer selbst Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Gefängnis hat, kann sich einfach an eine JVA in der Nähe wenden. Meiner Erfahrung nach werden ehrenamtliche Mitarbeiter händeringend gesucht. Es gibt auch ganz unterschiedliche Möglichkeiten: nicht nur als Yogalehrerin, sondern beispielsweise auch beim Deutschunterricht oder gemeinsamen Kochen. Nähere Infos gibt es auch unter: www.justiz.bayern.de/justizvollzug/ehrenamtliche.

Und was machen die anderen?

Hier im  Blog stellen wir unter dem Tag „Studierende engagieren sich“ regelmäßig  Studierende mit ihren unterschiedlichen Ehrenämtern vor – Marietta Thies ist eine davon.