Den Retroviren auf der Spur

Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts der FAU (Bild: C.Deppe)
Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts der FAU (Bild: C.Deppe)

FAU-Virologe Prof. Dr. Klaus Überla über die Herausforderungen der Retrovirenforschung

AIDS oder Leukämie: Wer sich mit dem HI-Virus angesteckt hat oder das T-Zell-Leukämievirus in sich trägt, hat zurzeit keine Chance auf Heilung. Wie sie in Zukunft doch gelingen könnte, ist unter anderem Thema einer internationalen grundlagenwissenschaftlichen Konferenz über Retrovirologie, die vom 12.-14.September 2016 in Erlangen stattfindet. Veranstaltet wird diese von zwei ausgewiesenen HIV-Experten. Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum der FAU, entwickelt HIV-Impfstoffe, und Prof. Dr. Frank Kirchhoff vom Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm erforscht die Evolution des HI-Virus sowie die Krankheitsentwicklung. Wir sprachen mit Prof. Dr. Klaus Überla über Herausforderungen in der Retrovirenforschung.

Was macht Retroviren so raffiniert?

Um sich zu vermehren, bauen Retroviren ihr Erbgut in das Genom ihrer Wirtszelle ein. Damit befinden sie sich so lange in der Wirtszelle, wie diese lebt. Einige Retroviren sind inzwischen aber auch längst natürlicher Teil unseres Erbguts: Acht Prozent des menschlichen Erbgutes gehen auf sie zurück. Diese sogenannten endogenen Retroviren haben vor Urzeiten Eizellen oder Spermien infiziert und werden seitdem auch von Eltern an ihre Kinder vererbt. Bestimmte retrovirale Gene sind sogar dafür verantwortlich, dass sich die Plazenta richtig ausbildet – dies ist eine durchaus positive Seite von Retroviren.

Eines der bekannteren Retroviren ist das HI-Virus. AIDS lässt sich mittlerweile zwar therapieren, aber nicht heilen. Welchen Herausforderungen steht die Gesellschaft gegenüber?

AIDS hat seinen Schrecken verloren. Deshalb sind die Menschen unvorsichtig geworden, was wiederum zu mehr Infektionen führt. Allein in Deutschland ist jeder tausendste Mensch HIV-infiziert. Wir haben mehr HIV-Infizierte als je zuvor. Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit steigt die Anzahl der Infizierten. Die Kosten einer lebenslangen ¬ HIV-Therapie betragen 15.000 Euro pro Jahr. Das stellt auch eine substanzielle finanzielle Belastung für unser Gesundheitssystem dar.

Wie kann es gelingen, durch Retroviren verursachte Erkrankungen zu heilen?

Wir beschäftigen uns damit, die Retrovirenvermehrung besser zu verstehen und Heilungsstrategien zu entwickeln. Ein Forschungsansatz ist es, dass das Immunsystem das Retrovirus aus dem Infizierten wieder entfernt. Daneben werden neue Impfstoffe erforscht, die Schutz vor einer HIV-Infektion bieten und diese verhindern sollen. Hierbei spielt die fundierte Analyse der Funktionsweise des Hüll-Proteins, eines wichtigen Schlüsselproteins des HI-Virus, eine zentrale Rolle. Eine Impfung ist die effektivste Methode, um AIDS zu vermeiden, und sie ist die wirksamste Strategie, etwa in Afrika HIV-Probleme zu lösen. Außerdem ist eine Impfung sehr viel kostengünstiger als eine antivirale Therapie. In den erfolgreichsten Wirksamkeitsstudien, die es weltweit gibt, zeigte sich, dass Geimpfte zu 30 Prozent geschützt waren. Das ist zu wenig. Hier versuchen wir Forscher, besser zu werden.

Welche Bedeutung hat die Retrovirus-Forschung?

In den vergangenen 30 Jahren fand eine sehr intensive HIV-Forschung statt. Man hat sehr viel nicht nur über HIV gelernt und grundlegende Erkenntnisse gewonnen, sondern auch neue Immunisierungsstrategien entwickelt, die für andere Viruserkrankungen genutzt werden können. Die derzeitige medikamentöse Therapie bei AIDS ist sehr erfolgreich. Aber für die T-Zell-Leukämie gibt es weder eine antivirale Therapie noch einen Impfstoff. Hier sind sowohl Prophylaxe als auch Therapiemöglichkeiten dringend notwendig.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Klaus Überla
Tel.: 09131/85-23563
klaus.ueberla@fau.de