Pokémon Go: Mit dem Handyspiel zu mehr Bewegung

Sportwissenschaftler Dr. Alexander Tallner (Bild: FAU/Erich Malter)
Sportwissenschaftler Dr. Alexander Tallner (Bild: FAU/Erich Malter)

Sportwissenschaftler Dr. Alexander Tallner darüber, was Spiele wie Pokémon Go erfolgreich macht

Sie sind in Fußgängerzonen und Parks unterwegs – Menschen, die auf ihr Handy starren und dabei nur eines im Sinn haben: Pokémons zu fangen. Wir haben mit Dr. Alexander Tallner gesprochen, der sich am Lehrstuhl für Sportwissenschaft und Sport mit dem Schwerpunkt Bewegung und Gesundheit der FAU unter anderem mit Gamification und Bewegung beschäftigt.

Herr Dr. Tallner, Computerspiele bringen die meisten Menschen erst einmal nicht mit Bewegung in Verbindung. Wie neu ist die Idee, dass Spieler bei Computerspielen körperlich aktiv werden müssen?

Die Idee an sich ist schon etwas älter, richtig bekannt wurden solche Spiele mit Spielekonsolen wie Nintendo Wii und Microsoft Kinect. Das Neue daran war, dass das Spiel nicht mehr mit Joystick, Maus und Tastatur gesteuert wurde, sondern mit einem sensorbasiertes Arrangement – sei es Controller und Balance Board bei Nintendo oder kamerabasiert bei Microsoft. Für die Wissenschaft wird es zunehmend interessanter, spielerische Elemente in spielfremden Kontexte wie Bewegungstherapien einzubinden, der Fachbegriff dafür ist Gamification. Gerade der Aspekt der Bewegung, die in ein Spiel wie Pokémon Go integriert ist und dazu dient, eine Aufgabe zu lösen, spiegelt dieses Prinzip sehr gut wider.

Was macht ein Spiel wie Pokémon Go besonders erfolgreich?

Es stecken hinter der kindlich anmutenden Fassade ganz klar psychologische Elemente, die die Attraktivität begründen. Das Sammeln von Objekten, durch das Spieler eine Belohnung bekommen – ein höheres Level, schwierigere Aufgaben, verbesserte Eigenschaften – ist anziehend für Menschen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Vergleich zu anderen Spielern – dadurch entsteht eine eigene Community, die jemanden wiederum motivieren kann, weiter zu spielen. Und der dritte Faktor ist die Art der spezifischen Aufgaben. Zwar gibt es in Computerspielen viele verschiedene Aufgaben, aber sie sind idealerweise aufeinander abgestimmt in Hinblick auf das Spielziel. Gelingt es Spieledesignern das geschickt zu kombinieren – die Anzahl der Aufgaben oder die Schwierigkeit –, wird das Spiel attraktiv und es entsteht eine starke Bindung.

Auch im Bereich der Bewegungsförderung arbeiten wir natürlich mit Belohnungen. Aber hier haben wir längst nicht die Möglichkeiten wie in einem Computerspiel, wo die Belohnung aus dem Spiel heraus kommt – wenn beispielsweise eine bestimmte Wegstrecke zurückgelegt werden muss, um etwas zu erreichen – und nicht extern von einem Trainer gegeben wird, der beispielsweise ein Lob ausspricht, wenn ein Teilnehmer eine bestimmte Leistung auf einem Ergometer erreicht hat.

Inwiefern lässt sich damit die körperliche Leistungsfähigkeit steigern?

Natürlich wird bei Computerspielen, bei denen die Spieler auf der Stelle joggen oder boxen müssen, die Herzfrequenz angeregt und ein gewisser Trainingseffekt ist die Folge, aber bei Weitem weniger, als beim richtigen Joggen oder Boxen. Und ein sportartspezifischer Effekt tritt nicht ein. Wer im Wohnzimmer vor einem Bildschirm Tennis spielt, verbessert damit nicht seine Fähigkeiten auf dem Platz. Aber was in Studien nachgewiesen wurde: Bei Patienten mit Multipler Sklerose oder Parkinson verbesserten Übungen auf einem Balance Board, bei dem über Sensoren Gewichtsverlagerungen erfasst werden und die Teilnehmer dadurch beispielsweise auf dem Bildschirm eine Kugel durch ein Labyrinth steuern, das Gleichgewicht. Mobile Spiele wie Pokémon Go könnten bei Gruppen mit Bewegungsmangel, die zugleich Smartphone-affin sind, durchaus eine Möglichkeit sein, zu mehr Bewegung zu motivieren.

Wie erfolgversprechend ist es, Menschen mit Hilfe eines Computerspiels dauerhaft zu Bewegung zu animieren?

Das ist eine schwierige Frage. Erfahrungsgemäß ist es natürlich so, dass etwas Neues am Anfang interessant ist, die Motivation ist hoch. Die Kunst liegt darin, ein Szenario zu entwickeln, das nicht nach zwei oder drei Wochen langweilig wird und damit an Attraktivität einbüßt. Am Institut für Sportwissenschaft und Sport erforschen wir zum Beispiel den Einsatz von internetbasierten Interventionen zur Förderung körperlicher Aktivität. Dabei kommuniziert ein Trainer oder Therapeut mit einem Patienten über eine Internetplattform, das heißt der Patient bekommt ein Trainingstagebuch und einen Trainingsplan an die Hand und führt Übungen durch. Daraufhin gibt er über die Plattform eine Rückmeldung an den Betreuer, der das kontrolliert und wiederum ein Feedback gibt und den nächsten Trainingsplan erstellt. Wir haben festgestellt, dass nach vier bis acht Wochen die Häufigkeit, wie oft sich die Teilnehmer einloggen, merklich zurückgeht. Jedoch haben nach dieser Zeit viele Probanden bereits einen positiven, körperlichen Effekt der Übungen bemerkt und haben so eine eigene Motivation entdeckt, sich weiterhin im Alltag mehr zu bewegen.

Weitere Informationen:

Dr. Alexander Tallner
Tel.: 09131/85-28175
alexander.tallner@fau.de